Neue Lifestyle-Geschäfte in Köln-SülzZwei Schwestern wagen was Neues
Sülz – Strukturwandel ist ein blödes Wort. Blöd deshalb, weil dieser versachlichende Begriff nichts darüber aussagt, was Betroffene dabei einbüßen. Pia Raschig hat zunächst auch erst einmal etwas verloren, nämlich ihren Job.
15 Jahre lang hatte die studierte Kostümbildnerin und ausgebildete Schneiderin für Stefan Raabs wöchentliche Fernsehsendung gearbeitet. Das plötzliche Aus von TV Total zwang die 49-Jährige, noch einmal ins kalte Wasser zu springen.
Schwestern aus Köln haben sich nicht entmutigen lassen
Pia Raschig ist jedoch ähnlich wie ihre drei Jahre jüngere Schwester Ina niemand, der sich schnell entmutigen ließe. Beide Frauen haben im jungen Alter in ihrer ehemaligen Heimat, der DDR, hautnah erlebt, was Ablehnung und Ausgrenzung heißt.
Ihre Eltern hatten Mitte der 1980er Jahre einen Ausreiseantrag gestellt, um nach Köln zu kommen, wo die Großeltern lebten. Als Kinder der sogenannten Volksverräter „hat man uns jahrelang schikaniert“, bevor sie ein halbes Jahr vor der Wende in den Westen gelangten. zu erwartenden Angst davor, einen Neuanfang zu wagen, haben die Schwestern seitdem nicht mehr. Jede hat dies auf ihre Weise in den vergangenen Wochen noch einmal getan.
Pia Raschig fing mit Modentwürfen an
Pia Raschig hat zum einen damit begonnen, unter dem Label „Stilkomplize“ eigene Modeentwürfe zu fertigen. „Keine komplette Kollektion, sondern Einzelstücke“, wie sie betont. Zum anderen hat sie gegenüber vom Weisshaus-Schlösschen das Geschäft „Couturent“ eröffnet, das sich langsam im Veedel etabliert.
Couturent ist eine Leihboutique, ein Laden also, in dem man sich gegen eine Monatsgebühr von 29,90 Euro Garderobe, Taschen oder andere modische Accessoires ausleihen kann. Wie lange die Kundin das jeweilige Stück behalte, sei ihr überlassen, erläutert Pia Raschig.
Wenn sie Abwechslung möge, könne sie sich bis zu zweimal wöchentlich mit einem neuen Teil eindecken, sobald sie das ausgeliehene gewaschen oder gereinigt zurückgebracht habe. Sie seien jedoch kein Fest-Ausstatter und somit auch kein Geschäft, in dem man sich mal schnell das Abendkleid fürs nächste Wochenende holen könnte.
Qualitativ hochwertige Kleidung, aber keine Haute Couture
„Bei Couture denken manche direkt an Haute Couture, aber das bieten wir nicht“, stellt Pia Raschig klar. Wenn jedoch ein qualitativ hochwertiges Kleidungsstück etwa für ein Vorstellungsgespräch oder ein Geschäftsessen gebraucht werde, sei man bei ihr an der richtigen Adresse. „Die Basics hat ja jeder selber zu Hause. Wir haben die Stücke, die man nicht immer braucht und sich deshalb auch nicht unbedingt kaufen möchte.“
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Um diese Sachen bieten zu können, ist Pia Raschig viel unterwegs, sucht nach besonderen Teilen oder nach coolen Labels, die man nicht überall sieht. Anders als beim Second-Hand-Shop nimmt sie keine gebrauchte Kleidung von Kundinnen entgegen, die sie verleiht. „Ich kaufe selber ein, oder ich fertige selber an.“ Sowohl in ihrem Show-Room an der Luxemburger Straße als auch in ihrem Lager finden sich vereinzelt die Namen großer Modeschöpfer. Grundsätzlich sei sie jedoch keine Fundgrube für Label-Junkies, unterstreicht die Geschäftsfrau.
Pia Raschig möchte ungern den inzwischen inflationär gebrauchten Begriff „nachhaltig“ verwenden, aber sie hat eine klare Meinung zu billig produzierten Textilien. „Geht gar nicht!“ Und weil hochwertige Sachen in ihren Augen eine lange Lebenszeit verdienen, bietet sie in einzelnen Fällen auch ein Upcycling an, was zum Beispiel darin bestehen kann, „aus einem tollen Mantel, den man nicht mehr trägt, eine Jacke oder was ganz anderes zu machen. Vielleicht auch ein Hundebett“.
Von Beraterin zur Yogalehrerin
Hundebett ist eine schöne Überleitung zu der jüngeren, ebenfalls in Sülz ansässigen Schwester. Ina Raschig hat schon viele Jahre mit Hunden zu tun. Dabei war ihr erster, „ein Total-Allergiker“ und schulmedizinisch ein hoffnungsloser Fall, ursächlich für ihre berufliche Entwicklung.
Neben ihrer Tätigkeit als Fachberaterin in der WDR-Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ hat sie eine Ausbildung als Tierheilpraktikerin absolviert. Ihr Spezialbereich ist die chinesische Medizin, ihr Haupteinsatzgebiet ist Laser-Akupunktur als schmerzfreie Alternative zu Nadeln, die sich ihre vierbeinigen Patienten ohnehin nicht gefallen lassen würden. Da Ina Raschig um die enge Verbindung zwischen Hund und Herrchen/Frauchen und um die positiven Wechselwirkungen weiß, bietet die ausgebildete Yoga-Lehrerin seit neuestem in ihrem Sülzer Studio Yoga mit dem Hund an.
Energetische Verbindung zum Tier aufbauen
Anders als bei „Doga“, der in den USA bereits verbreiteten Sportart für den Hund, kommt es Raschig vor allem darauf an, „eine energetische Verbindung mit dem Tier aufzubauen, was beim Yoga fantastisch funktioniert“.
Im herkömmlichen Unterricht, den sie auch gibt, erlebe sie immer wieder, wie schwer einzelnen Teilnehmern die Fokussierung auf den Atem falle. Im Zusammenspiel mit dem Tier falle das plötzlich ganz leicht. „Und da Leute, die körperlich aktiv sind, am liebsten was mit ihrem Tier zusammen machen“, biete sie diese Möglichkeit nun in Einzelstunden an. Dass sie vielfach belächelt werde – von Leuten, die keinen Zugang zu Yoga oder keinen zu Hunden haben, ist der 46-Jährigen klar. Aber sie erlebe auch begeisterten Zuspruch.
Und um den Bogen zu Schwester Pia zu zurückschlagen: Die hat in ihrem Laden auch Yoga-Kleidung. Diese und ihr übriges Sortiment werden bald immer aktuell auf ihrer Homepage zu sehen sein.
Couturent, Luxemburger Straße 188, 50937 Köln ☎ 0221-43008833, Öffnungszeiten: Mittwochs bis Samstags von 12-19 Uhr und nach Absprache. Mehr Infos unter www.couturent.de und unter www.Yogabunch.de.