Melanie Heizmann nutzt Kammermusik, um persönliche Zwiegespräche mit Pflegebedürftigen zu führen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Berührende MomenteKölner Profisängerin singt für pflegebedürftige und demente Menschen
„Wohin würden Sie reisen, wenn Sie eine Wolke wären?“ wendet sich Melanie Heizmann einfühlsam an ihre Gastgeberin Elke Griebel. „Das müsste ja hoch sein. Stockholm wäre nicht schlecht“, entgegnet die 83-jährige Bewohnerin des „Haus Deckstein“ leicht abwägend. „Dann machen wir uns gerne auf den Weg dorthin“, fordert Heizmann lächelnd zu einer Fantasiereise auf.
Aus einer kleinen mitgebrachten Box erklingen die ersten Töne des Songs „Wenn ich eine Wolke wäre“. Bald füllen die Stimmen der Profimusikerin und der Seniorin den Raum, um nach kurzer Zeit in ein Gespräch zu fließen. „Mein Ziel hat sich im Laufe des Liedes verändert. Jetzt würde ich doch gerne nach Mexiko fliegen. Ich muss dabei gerade an meinen Vater denken, der früher als Landarzt viel gereist ist“, erzählt die Rentnerin.
Persönliche Kammermusik für pflegebedürftige Menschen
Die Richtungsänderung ist für Melanie Heizmann kein Problem und durchaus beabsichtigt. Über ihre persönlichen Kammermusik-Besuche möchte die Sängerin, Produzentin und Sterbebegleiterin Menschen erreichen, die aufgrund mobiler Einschränkungen oder Demenzerkrankungen eher selten an den Gemeinschaftsangeboten des Clarenbachwerks partizipieren können.
Jeden Dienstag veranstaltet Heizmann daher in bis zu acht Zimmern der Pflegeeinrichtung 1:1-Treffen auf Sesseln oder Bettkanten der jeweiligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit unterschiedlichsten Songs, die von Popgruppen wie Abba bis hin zu Schlagern von den Comedian Harmonists gereichen. Seit dem Start des Projekts vor mehr als zwei Jahren konnten so zahlreiche Personen zu einem Austausch über ihre individuellen Befindlichkeiten und Bedürfnisse motiviert werden.
Das mit Zuwendungen des Clarenbach-Förderkreises realisierte Konzept hat sich nach Einschätzung von Hausleiter Heinz Holbein zu einem wichtigen Bestandteil der Stätte entwickelt und soll auch im kommenden Jahr fortgesetzt werden. „Man erlebt, wie Musik zum Brückenbauer wird.“ Vor allem bei den Weihnachtsfeiern zeige sich, wie die dementen Bewohnerinnen und Bewohner mit voller Inbrunst das Liedgut singen, während andere lediglich mitsummen würden – ein Verdienst des Kammermusikprojekts, so Holbein.
Auch die Arbeit des Personals wird scheinbar erleichtert: „Dienstags geht die gute Laune bei den Bewohnern deutlich nach oben, denn dann ist Melanie im Haus. Sie hat eine so positive Aura, die eine freudige Atmosphäre erschafft“, berichtet Betreuungsassistentin Lütfiye Delibas.
„Eigentlich kann ich gar nicht singen. Es hat lange gedauert, bis ich mich entschlossen hatte, hier mitzumachen, denn da war die Befürchtung, zu viel Privates preiszugeben. Aber mein Sohn hat auf mich eingeredet, ‚Du musst singen, bis die Berge einstürzen.‘ Es stimmt, Musik löscht viele traurige Erinnerungen und macht mich einfach glücklich“, verrät Hausbewohnerin Elke Griebel.
Vorkomponierter Berufsweg
Aufgewachsen in einer Musikerfamilie – die Mutter war Sängerin und Liederschreiberin, der Vater Arrangeur und Verleger – erwies sich der berufliche Weg für Melanie Heizmann als quasi vorkomponiert. Bereits im Alter von elf Jahren spielte sie Konzerte und war später mit Show-Größen wie Peter Kraus und Wencke Myhre auf Tournee. Es folgten Auftritte mit dem WDR-Rundfunkorchester, Guildo Horn und Weltstar Kylie Minogue.
Auch in Werbespots trat die Sängerin mit ihrer prägnanten Stimme in Erscheinung. Neben ihren Solo-Aktivitäten spielt Heizmann im Akustik-Quartett LoLa mit Jazz-Musikern auf nationalen und internationalen Bühnen.
„Ich muss im Zuge der Kammermusiken leider zeitliche Grenzen von circa 15 Minuten setzen. Dabei versuche ich über Lyrik und Töne Resonanzen zu erzeugen. So ergeben sich dann Begegnungen. Es ist bewegend, wie sehr sich die Menschen dabei öffnen. Wenn eine Zeile wie „Leise rieselt der Schnee“ kommt, brechen oftmals alle Dämme“, sagt Melanie Heizmann.