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Kundin startet PetitionInklusiver Supermarkt in Weiden muss schließen

Lesezeit 3 Minuten
Team der Nahkauf-Filiale in Weiden

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Weidener Nahkauf-Filiale Alexandra Münch, Marktleiter Dirk Rhiel, Maria Hermann und Bastian Revers (v.l.)

Die Nahkauf-Filiale in Weiden, die als inklusives Arbeitsprojekt diente, muss aufgrund gestiegener Energie- und Arbeitskosten schließen.

Eine Kundin plaudert an der Supermarkt-Kasse mit der Kassiererin über die neue Ausgabe der Fernsehzeitung „Hörzu“. In der Nahkauf-Filiale herrscht gemütliche Tante-Emma-Ladenatmosphäre. Der nächste Kunde hat es allerdings eilig. Er legt ein paar Dinge aufs Band und möchte beim Bezahlen vor allem eines: 200 Euro abheben.

Einkaufen mit einem Plausch und Geldabheben wird bald an der Aachener Straße 1240 nicht mehr möglich sein. Die Nahkauf-Filiale schließt Ende August. Sie ist eine von zwei Zweigstellen der „Zug-um-Zug-Rheinkauf gGmbH“, die sie als Franchise-Unternehmen der Rewe-Gruppe betreibt, und zwar als Inklusionsbetriebe. Das heißt, in beiden Filialen arbeiten auch Menschen mit Behinderungen.

Nahkauf-Filiale in Weiden muss aus wirtschaftlichen Gründen schließen

In Weiden sind es drei. Zusätzlich haben dort auch ehemals langzeitarbeitslose Frauen und Männer einen dauerhaften Arbeitsplatz gefunden. Der Verein „Zug-um-Zug“, zu dem die „Rheinkauf gGmbH“ gehört, fördert Menschen auf den Gebieten der Kultur, Erziehung, Bildung und Beschäftigung. Er unterstützt insbesondere auch sozial Benachteiligte in ihrer beruflichen Integration.

Die inklusiven Nahkauf-Filialen sind Vorzeigeprojekte. Trotzdem muss die Weidener Filiale nun schließen – aus wirtschaftlichen Gründen.

Die Filiale in Weiden habe es von Anfang an schwer gehabt, schildert der Geschäftsführer der „Rheinkauf gGmbH“ und geschäftsführende Vorstand von „Zug-um-Zug“ Bastian Revers: „Die Aachener Straße durchschneidet an der Stelle das Viertel.“ Die Menschen jenseits der großen Verkehrsachse würden eher nicht zum Einkaufen herüberkommen. Das Einzugsgebiet der Filiale am Rand von Weiden sei relativ gering. Die Konkurrenz in Form einer großen Rewe-Filiale in Lövenich nicht weit.

Nahkauf in Weiden muss schließen

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Weidener Nahkauf-Filiale Alexandra Münch, Marktleiter Dirk Rhiel, Maria Hermann und Bastian Revers (v.l.)

Dennoch hätten vor allem sehr viele ältere Bewohner des Gebiets zwischen Moltke- und Goethestraße ihren „Nahkauf“ sehr geschätzt. Doch in den vergangenen Jahren habe sich die wirtschaftliche Situation geändert: „Der Angriffskrieg auf die Ukraine ließ die Energiepreise in die Höhe schnellen“, schildert Revers. „Die Produktionskosten für die Lebensmittel und die Inflationsrate stiegen.“

Tarifverträge, die geschlossen wurden, damit die Angestellten die gestiegenen Kosten kompensieren können, hätten die Lohnkosten steigen lassen. Und so seien die Preise der Lebensmittel immer mehr in die Höhe. Die Kunden hätten ihr Einkaufsverhalten geändert. „Die Menschen sind preissensibel geworden“, so Revers. „Viele kaufen nun in Discountern. Wir haben viele Kunden verloren. Der Umsatz fehlt. Gleichzeitig sind die Kosten gestiegen.“

Kundin startet Petition – Stadt kann Unternehmen nicht fördern

Am Ende ging die Rechnung nicht mehr auf und der Nahkauf muss schließen – zur Enttäuschung der Stammkunden. Eine Kundin kämpft mit einer Petition nebst Unterschriftensammlung für ihren Erhalt. Revers hat in der Folge mit der Oberbürgermeisterin Henriette Reker telefoniert. „Doch natürlich kann die Stadt uns als Unternehmen nicht fördern“, sagt er, „das wäre wettbewerbsrechtlich problematisch.“

Als inklusiver Betrieb erhalten die Nahkauffilialen nur eine Förderung der Arbeitsplätze für die Menschen mit Behinderung seitens des LVR, da sie nicht ganz so einsatzfähig sind und mehr Urlaub benötigen. Das Jobcenter fördert die Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Menschen, die dort wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zurückfinden. „Das ist uns hier mehrfach geglückt“, betont Revers. „Einige ehemalige Langzeitarbeitslose sind hier seit vielen Jahren tätig.“

Um ihre Zukunft macht sich Revers weniger Sorgen. „Wir werden durch unsere eigenen Programme und angesichts des Arbeitskräftemangels in den Supermärkten auf jeden Fall etwas für unsere Mitarbeiter finden“, sagt er.

Ihn sorgt aber die politische Lage insgesamt: „Nach den Prognosen wird es im Bundeshaushalt 2025 drastische Einschnitte in die Sozialausgaben im Bereich der Arbeitsmarktförderung geben“, betont er. „Das bedeutet, dass künftig viel weniger Menschen gefördert werden können, um wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Es wird eine soziale Infrastruktur zerstört, die über Jahrzehnte aufgebaut wurde.“