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Essen in Köln-WiddersdorfDas „Thi Time“ füllt eine Lücke im Viertel

Lesezeit 3 Minuten
Eine asiatisch aussehende Frau stützt die Hand auf einen Stuhl. Sie steht in einem Restaurant mit vielen hellen Tischen und rosafarbenen Stühlen.

Thi Dao-Schnitzler in ihrem neuen Lokal „Thi Time“

Den Widdersdorfern fehlte ein Restaurant im Veedel. Jetzt gibt es bei Thi Dao-Schnitzler vietnamesische Nudelsuppe und Honig-Frikadellen.

Die Gäste der Trauerfeier sitzen zwischen einer Tapete mit Dschungel-Motiv sowie Bambusmatten und speisen Frühlingsrollen. Das ist kein ungewöhnlicher Anblick in Widdersdorf. Dort hat seit kurzer Zeit an der Straße Unter Linden 129 das vietnamesische Restaurant Thi Time eröffnet und bietet den Nachbarn, was sie seit langer Zeit vermissen: Ein Lokal, das mehr ist als eine Veedelskneipe. Seit vor Jahren das Gasthaus zur Linde schloss, gab es im Viertel keine passende Anlaufstelle mehr für Familienfeiern. Die Inhaberin des neuen Lokals, Thi Dao-Schnitzler, hat in wenigen Wochen bereits einige Erfahrung damit gesammelt: „Wir hatten bereits eine diamantene Hochzeitsfeier hier, Taufen und eine Konfirmation.“

Ein mehrgeschossiges graues Gebäude beherbergt im Erdgeschoss ein Restaurant.

Das „Thi Time“ hat im ehemaligen „Bistro im Jakobs“ aufgemacht.

Der Grund für den guten Start mit vielen Besuchern ist aber natürlich vor allem auch das Essen. Dao-Schnitzler steht selbst hinter dem Herd und kocht Gerichte aus ihrem Heimatland, das sie bereits im Alter von zwei Jahren verlassen hat: Damals floh sie mit ihren Eltern und ihren Geschwistern aus der Stadt Vung Tau vor dem Vietnamkrieg, als „Boatpeople“ auf das offene Meer. Sie wurden von der Cap Anamur gerettet – und kamen nach Deutschland. „Wir wurden super gut aufgenommen“, erinnert sich Dao-Schnitzler. „Alle haben sich um uns gekümmert. Meine Geschwister und ich hatten deutsche Ersatzgroßeltern. Menschen haben uns vorgelesen.“

Das erste „Madame Thi“ eröffnete sie in Düsseldorf

Ein Grund für die einfache Integration sei gewesen, dass ihre Familie katholisch ist und sich die katholische Kirchengemeinde vor Ort ihrer annahm. Dao-Schnitzler lernte schnell Deutsch, absolvierte das Abitur und studierte BWL. Nach dem Studium eröffnete sie dann ihr erstes Lokal das „Madame Thi“ in Düsseldorf. „Ich liebe die Gastronomie“, erklärt sie. Trotzdem wechselte sie dann nach zwei Jahren in einen sicheren Job in einem Konzern. Nachdem sie ihren Mann kennengelernt hatte, zog sie nach Köln, bekam zwei Kinder – und engagierte sich neben ihrem Mutterdasein selbst für Geflüchtete.

Nach einem dreijährigen Aufenthalt mit ihrer Familie in den USA und der Corona-Pandemie, beschloss sie schließlich wieder zu arbeiten. „Da stand dann gerade dieses Lokal hier leer“, berichtet Dao-Schnitzler. So kam sie auf die Idee, in Widdersdorf ein vietnamesisches Restaurant zu eröffnen. Sie übernahm die Räume, in denen lange das inklusive „Bistro im Jakobs“ beheimatet war, in einem eher sachlichen Ambiente. „Es hatte ein bisschen etwas von einem Seniorenheim“, so Dao-Schnitzler. Die Möbel mit den pinken Polstern und die Holztische hat sie allerdings behalten und die Theke und Wände passend zu ihren Speisen dekoriert: Es gibt die klassische vietnamesische Nudelsuppe „Pho“, Frühlingsrollen und Dim Sum, vietnamesische Pfannkuchen, Fleischgerichte und Currys.

Ein besonderer Klassiker steht ebenfalls auf der Karte: „Bun Nem Nuong“, Reisnudeln mit vietnamesischen Honigfrikadellen. „Das Gericht ist sehr bekannt geworden, seitdem Barack Obama es in Hanoi gegessen hat“, erzählt Dao-Schnitzler. Neben dem festen Speiseangebot hat sie eine wechselnde Mittagskarte. Dao-Schnitzler hat die Rezepte ihrer Eltern mit viel Experimentierfreude zu einer „vietnamesischen Fusion- und Freestyle-Küche“ weiterentwickelt: So gibt es beispielsweise auch Backfisch mit Kartoffelkoriander und Nudeln mit Koriander-Pesto.

Dao-Schnitzler setzt auf eine kleine, aber dafür frische Speisenauswahl. „Ich kaufe auf dem Großmarkt regionale Produkte“, erzählt sie. Bambusstreifen, die aus Übersee importiert werden müssen, kommen nicht in ihre Kochtöpfe. „Man kann solche Dinge auch gut mit verschiedenen Gemüsesorten ersetzen, die hier wachsen.“ Den Widdersdorfern scheint es zu schmecken. Das Lokal ist gut besucht. „Viele sind froh, dass sie zum Mittagessen nicht mehr ins Rhein-Center nach Weiden fahren müssen“, sagt Dao-Schnitzler. „Gerade auch die älteren Menschen freuen sich, einmal etwas Neues ausprobieren zu können.“


Thi Time, Unter Linden 129, Öffnungszeiten: Do, Fr und Sa 11.30 bis 22 Uhr, Di und Mi 11.30 bis 19 Uhr. www.thi-time.de