Köln – „Über die Diskussionen, die jetzt beginnen, mache ich mir keine Illusionen.“ SPD-Fraktionschef Martin Börschel kommt allein zur Pressekonferenz in den Heinrich-Böll-Saal im Rathaus. Kein Parteichef, kein Stellvertreter ist an seiner Seite, nur der Pressesprecher der Fraktion sitzt neben ihm. Der 45-Jährige lässt keinen Zweifel daran, dass es sich hier um eine ganz persönliche Angelegenheit handelt, die er erläutern will.
So erträgt er auch die Zweifel, ob bei seinem angekündigten Wechsel von der Politik zum Stadtwerke-Konzern alles mit rechten Dingen zugeht. „Dem kann ich nur mit Argumenten begegnen“, sagt er ruhig und aufgeräumt. Seine Botschaft: Hier stellt sich nicht ein gut bezahlter Frühstücksdirektor vor, sondern einer, der eine wichtige Aufgabe übernehmen will. „Ich kann das.“ Und: „Ich habe ein reines Gewissen.“
Abschied von der Machtzentrale der Kölner SPD
Börschel war 16 Jahre lang im Gespann mit Parteichef Jochen Ott die Machtzentrale der Kölner SPD, vor der Wahl Henriette Rekers zur Oberbürgermeisterin auch zentrale Schaltstelle im Rathaus. Er hat mit Ott die Partei aus einer tiefen Krise geführt, in die sie durch Spendenaffäre und Müllskandal geraten war. Er hat Verantwortung übernommen, als um ihn herum alles zusammenbrach.
Im Land hat er gegen die Interessenvertreter aus anderen Teilen Nordrhein-Westfalens gestritten – und zuletzt im Kampf um die zukünftige Fraktionsführung im Landtag verloren. Mit diesem Prozess scheint zweierlei verbunden: Zum einen sei die Entscheidung gereift, sich aus der Kölner Kommunalpolitik zu verabschieden. Zum anderen dürfte sein Frust über die Entwicklungen auf Landesebene seine Bereitschaft befördert haben, sich einen neuen Beruf zu suchen.
Angeblich hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gut dotierte Angebote aus der Wirtschaft gegeben, die er abgelehnt habe, um weiterhin Politik machen zu können. Martin Börschel war als Minister in Düsseldorf und als OB-Kandidat in Köln im Gespräch. Jetzt sind die Zeiten im Dienste der Partei vorbei.
„Noch in der Bewerbungsphase“
Zum Auswahlverfahren für den neuen Job will er nicht viel sagen. Schließlich sei er „noch in der Bewerbungsphase“. Verantwortlich für das Einstellungsverfahren für den Job als hauptamtlicher Geschäftsführer der Stadtwerke sei deren Aufsichtsrat, dem er nicht mehr angehöre. Daran, dass er dort gewählt wird, bestehen keine Zweifel – auch wenn seine Wahl am Dienstag noch nicht wie geplant stattfinden konnte.
Börschel wird den Job mit rund 400.000 Euro Jahreseinkommen bekommen, nachdem sich der so genannte Ständige Ausschuss des Aufsichtsrates für ihn ausgesprochen hat. Dem gehören CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau sowie die Arbeitnehmer-Vertreter Harald Kraus und Wolfgang Nolden, Betriebsratsvorsitzende bei KVB und Rheinenergie an. Das Dreiergremium hatte in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch eine Erklärung verschickt, mit der die neue Stelle und die Entscheidung für Börschel begründet wurde.
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Klar ist aber auch: Die Erkenntnis, dass der neue Posten notwendig ist, weil sich der Stadtwerke-Konzern sich neu ausrichten will, reifte in Debatten, als Börschel noch Vorsitzender des Aufsichtsgremiums war. Hat er sich den „Traumjob“, wie er die neue Aufgabe nennt, selbst gezimmert?
Der gelernte Jurist und Finanzexperte ist auf solche Fragen vorbereitet. Als ihm klar geworden sei, dass er den Job gerne übernehmen würde, habe er seinen Aufsichtsratsposten „ruhend“ gestellt, am Dienstag ist er von dem Posten zurückgetreten. Vor Ostern sei sicher gewesen, dass er nicht Fraktionschef in Düsseldorf werden wird. Danach habe er sich Tests und Fragen eines Personalberaters gestellt. „Ich verstehe, dass in diesen Dingen eine besondere Sensibilität herrscht.“ Es sei „legitim“ nach Personalklüngel zu fragen, so Börschel. „Deshalb habe ich großen Wert auf ein geordnetes Verfahren gelegt.“
Das bestätigt auch Harald Kraus, der als Börschels Stellvertreter die Leitung des Aufsichtsrats und des Ständigen Ausschusses übernahm. Der SPD-Fraktionschef habe sich nicht aus eigener Initiative für den Job beworben. Als nach monatelangen Beratungen bei allen Beteiligten sein Name als der eines „sehr interessanten Kandidaten“ im Spiel war, habe er sofort sein Amt abgegeben. Im Ausschuss sei auch über andere Personen gesprochen worden, so Kraus.
Lange Liste von Aufgaben
Börschels Problem ist, dass es der Stadtwerke-Konzern beziehungsweise sein Aufsichtsgremium versäumt hat, frühzeitig über seine Pläne zur Neuausrichtung mit einem professionellen Geschäftsführer zu informieren. Dabei ist die Liste der Zukunftsaufgaben lang: Drohende Beschränkungen für kommunale Unternehmen, die Debatten darüber, was in Zukunft zur so genannten „Daseinsfürsorge“ gehört und was nicht, Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin, die Positionierung im Wettbewerb mit privater Konkurrenz, die Herausforderungen durch die Digitalisierung oder die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Das könne man nicht mehr nebenbei machen, heißt es bei den Verantwortlichen.
Dass man dies nicht vorher nachvollziehbar kommuniziert habe, sei ein Fehler gewesen, räumt Kraus ein. Nachdem man sich sicher gewesen sei, dass Börschel aufgrund seiner Erfahrung, Fähigkeiten und Kenntnis der Stadtwerke, bei denen er seit 14 Jahren als Chef des Aufsichtsrats arbeitet, die beste Besetzung für den Posten ist, habe man kein künstliches Auswahlverfahren mehr initiieren wollen. „Diejenigen, die jetzt Klüngel vermuten, hätten danach das Gleiche gesagt.“