Am Wochenende setzen sich die Profimannschaften des FC im Stadion für die Menschenrechte ein - ein Projekt, das es so in der Bundesliga noch nicht gab.
Novum für die Bundesliga1. FC Köln fordert Freilassung Inhaftierter im Iran
Wenn der 1. FC Köln sich bei seinem Heimspiel am Sonntag gegen Mainz für die Freilassung ihrer Mutter einsetzt, weilt Mariam Claren in Oslo bei der Verleihung des Friedensnobelpreises: Claren, Tochter der seit mehr als drei Jahren in Teheran inhaftierten Kölnerin Nahid Taghavi, ist Teil einer kleinen Delegation, die den wohl wichtigsten Preis der Welt für die iranische Menschenrechtlerin Narges Mohammadi entgegennimmt.
Kölnerin sitzt in der gleichen Zelle wie Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi
Mohammadi sitzt in der gleichen Zelle wie Nahid Taghavi, die beiden Frauen sind eng befreundet. Von der Aktion des 1. FC Köln weiß die Inhaftierte bislang nichts: Jedes Telefonat wird abgehört. Wenn sie mit ihrer Mutter offen darüber spreche, „könnte das negative Konsequenzen für sie haben“, glaubt die Tochter.
„Mit dem Herzen werde ich während der Preisverleihung am Sonntag auch in Köln sein“, sagt Mariam Claren. Der Sport versuche in der Regel, die Politik außen vor zu halten. „Was der 1. FC Köln für meine Mutter und die Menschenrechte im Iran tut, ist deswegen alles andere als selbstverständlich.“ Dass ein Fußballverein sich gemeinsam mit Amnesty International im Stadion für die Freilassung einer politisch Inhaftierten einsetzt und auf seinen Kanälen für Menschenrechte wirbt, „das gab es in dieser Form noch nie, deutschlandweit ist das einmalig“, sagt Guido Steinke, Bezirkssprecher von Amnesty in Köln.
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Zum Internationalen Tag der Menschenrechte wirbt der Verein am 9. und 10. Dezember bei den Heimspielen der Frauen- und Männer-Bundesliga für die Einhaltung der in einer UN-Charta festgehaltenen Menschenrechte, die von vielen Ländern missachtet wird. Sowohl bei den Frauen des FC vor dem Spiel gegen Wolfsburg am Samstag als auch vor dem Spiel der Männer gegen Mainz am Sonntag finden Aktionen statt.
Auch Kölner Musiker beteiligen sich an Aktion
Am Samstag wird der Kölner Musiker Ben Randerath mit dem Bläck-Fööss-Lied „Der Stammbaum“ ein Zeichen für Gleichberechtigung aller Menschen setzen. Am Sonntag vor dem Anpfiff des Spiels der Männer singt Stephan Brings von der Kölner Rockband Brings das Lied „Liebe gewinnt“. Die Fans sollen ihre Handys einschalten, um in düsteren Zeiten ein Licht leuchten zu lassen.
In beiden Begegnungen tragen die Spielerinnen und Spieler Sondertrikots, die Trikotsponsoren stellen ihre Werbeflächen zur Verfügung. Die Einlaufkinder, Banner und Postkarten machen auf den Tag der Menschenrechte aufmerksam, auch auf seinen Internet-Kanälen sensibilisiert der FC für das Thema.
Am Montag, 11. Dezember, spricht FC-Präsident Werner Wolf im Rautenstrauch-Joest-Museum mit FC-Kapitänin Manjou Wilde und Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, über Menschenrechte. „Mit dem Aktionsspieltag des diesjährigen FC-Doppelpass wollen wir gemeinsam mit Amnesty für Menschenrechte sensibilisieren“, sagt Wolf. „Wir wollen zeigen, wie wichtig es ist, Menschenrechte zu schützen und dass wir es sind, die laut sein müssen, wenn sie an anderer Stelle verletzt werden.“
„Menschenrechte“ – das klinge für viele kompliziert und trocken. „Aber es geht dabei um Dinge, die unser Leben entscheidend ausmachen. Jeder darf sein, wie er will, darf sich aussuchen, woran er glaubt und welchen Menschen er liebt. Jeder darf seine Meinung frei äußern. Das alles sind grundlegende Menschenrechte, die leider nicht selbstverständlich sind“, sagt Wolf. „Jeder Mensch braucht ein Umfeld, in dem er sich mit einem sicheren Gefühl bewegen und ein menschenwürdiges Leben führen kann. Wir wollen ein Bewusstsein für den Wert der Menschenrechte schaffen. Es reicht nämlich nicht, wenn wir Kölner unsere Toleranz und Offenheit immer wieder besingen und feiern.“
Ausgangspunkt der Kooperation des 1. FC Köln mit Amnesty International war ein Gespräch mit Beeko und Wolf zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar Anfang des Jahres im Sport- und Olympiamuseum. Der FC hatte die WM-Vergabe an das Emirat früh kritisiert. Beeko hatte dann bei der Saisoneröffnung auf der Bühne gestanden, in der Vereinszeitschrift „Geißbockecho“ war die erste Titelstory den Menschenrechten gewidmet.
Mit dem Projekt „FC-Doppelpass“ seiner Stiftung hatte der Verein mit einer Saisonpartnerschaft bislang eher unpolitische gemeinnützige Organisationen unterstützt – in den vergangenen Jahren zum Beispiel die Tafel, die DKMS und die Aktion Mensch. „Wir sind uns mit dem 1. FC Köln einig, dass Menschenrechte nichts mit Parteipolitik zu tun haben“, sagt Amnesty-Sprecher Steinke. Trotzdem sei der Schritt des Vereins „bemerkenswert“.
Fall von Nahid Taghavi steht beim 1. FC Köln im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt der Aktionen am Wochenende steht der Fall von Nahid Taghavi, die die deutsche und die iranische Staatsbürgerschaft besitzt. Die heute 69-Jährige wurden im Oktober 2020 in Teheran festgenommen, soll monatelang in Isolationshaft gehalten und gefoltert worden sein. In einem Gerichtsverfahren ohne rechtsstaatliche Prinzipien wurde sie wegen angeblicher Beteiligung an einer „illegalen Gruppe“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Taghavi hatte mehrere Bandscheibenvorfälle, leidet unter Bluthochdruck, Diabetes und Rheuma, wie ihre Tochter sagt. „Trotzdem bleibt sie optimistisch und kämpferisch.“ Seit mehreren Monaten teilt die Kölnerin Zelle mit Narges Mohammadi, auch den Friedensnobelpreis werden sie in der Gemeinschaftszelle feiern.
„In den vergangenen Monaten haben Staaten wie die USA, Belgien, Dänemark, Frankreich oder Österreich die Freilassung politischer Inhaftierter im Iran erreicht“, sagt Mariam Claren. „Meine Mutter bleibt weiter inhaftiert, weil sie einen deutschen Pass hat, sie ist eine politische Geisel – so wie die Hamas Israelis als Geiseln hält, um den Staat Israel zu erpressen.“ Sie frage sich, ob die deutsche Regierung „nur reagiert oder auch agiert“. Dass der 1. FC Köln in Zeiten, da der Iran aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden sei, nun derart offensiv agiere, sei „ein enorm wichtiges Signal“.