Mit Büchern gegen VorurteileErste Bibliothek zu schwarzen Kulturen öffnet in Köln
Köln – Zur Eröffnung der Theodor-Wonja-Michael-Bibliothek gab es eine Torte mit einem skizzierten Elefanten auf gelben Grund. Das Emblem hatte eine Enkelin des Journalisten und Schauspielers Theodor Wonja Michael einmal als Stempelvorlage für ihren Großvater gebastelt. Mit dem Elefanten habe sich Michael identifiziert, weil dieser unter anderem für Ausdauer stehe. Der Nachlass des 2019 verstorbenen Kölners ist nun ein Grundstock für die erste Bibliothek in Nordrhein-Westfalen mit Schwerpunkt auf der Kultur und der Geschichte schwarzer Menschen. Sie befindet sich an der Victoriastraße in der Innenstadt.
Theodor Wonja Michael wurde 1925 in Berlin als Sohn des Kameruner Kolonialmigranten Theophilius Wonja Michael und seiner ostpreußischen Frau Martha geboren. Der Vater, später auch seine Pflegeltern, hielten sich unter anderem über Wasser, in dem sie bei sogenannten Völkerschauen arbeiteten, wo Menschen mit schwarzer Hautfarbe zur Schau gestellt wurden. Michael trat hier schon als Zweijähriger im Baströckchen und mit Trommeln inmitten von Rundhütten auf. „Das Mutterland hat mich lange behandelt wie einen ausgespuckten Kaugummi“, sagte Michael einmal in einem Interview mit der Deutschen Welle.
Die Nationalsozialisten erkannten Michael die deutsche Staatsbürgerschaft ab. Er habe versucht, sich unsichtbar zu machen, was nicht einfach war. „Bei uns brauchte man keinen Judenstern, man brauchte uns nur ins Gesicht zu sehen und dachte: Oh, ein Artfremder“, erzählte Michael in der Dokumentation „Afro-Deutsche“ von Jana Pareigis.
Angst vor Zwangssterilisation
Eine Ausbildung durfte er nicht machen, so arbeitete er als Komparse in Kolonialfilmen der Ufa und in Zirkussen. „Wir waren die Mohren, die man da brauchte. Für uns war das eine Existenzfrage“, schildert er in seiner Biografie „Schwarz sein und Deutsch dazu“. Im Zweiten Weltkrieg musste er Zwangsarbeit leisten und wurde in einem Arbeitslager in der Nähe von Berlin interniert. Michael hatte ständig Angst, dass er zwangssterilisiert werden könnte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Michael Rollen als Schauspieler, holte das Abitur nach und studierte unter anderem Politikwissenschaften in Paris und Hamburg. Er wurde Journalist und leitete die Zeitschrift „Afrika-Bulletin“, bevor er in den 1970er Jahren Karriere beim Bundesnachrichtendienst machte und 1987 als Regierungsdirektor in den Ruhestand ging. Später lebte er in Köln, gründete eine Familie und engagierte sich in der Initiative Schwarzer Menschen.
Klischees über Afrika
Der Verein „Sonnenblumen Community Development Group“ will mit der Bibliothek, in dem ein Teil des Nachlasses von Michael aufgeht, einen Ort bieten, an dem Menschen lernen können, dass schwarze Menschen Teil der deutschen Gesellschaft sind. „Es fehlt immer noch an Orten, an denen ein realistisches Bild von Afrika gezeichnet wird“, sagt Bebero Lehmann, die sich im Bibliotheks-Projekt engagiert. Immer noch würden zahlreiche Stereotypen verbreitet, etwa, dass Afrika ein durch und durch armer Kontinent sei.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Idee für die Gründung der Bibliothek geht auf das Jahr 2020 zurück. Nachdem der US-Amerikaner George Floyd bei einer Polizeikontrolle in den USA getötet wurde, gab es auch in Köln große Demonstrationen. Am Rande der Demos trafen sich eine Gruppe schwarzer Menschen in der Merheimer Heide und hatte im Rahmen ihrer Diskussion die Idee zu einer Bibliothek, die die Vielschichtigkeit schwarzer und afrikanischer Kulturen und Menschen darstellen sollte. Vorbild war das 2012 gegründete Berliner Projekt „Each One, Teach One“, das 2014 eine Kiezbibliothek eröffnete.
Wegen der Pandemie verzögerte sich das Eröffnung allerdings um Monate, bis es nun im Februar soweit war. Etwa 1000 Bücher und Zeitschriften finden sich derzeit in der Bücherei. Weitere Buchspenden zum Themenkreis sind willkommen. „Einen Ort zum Träumen“, nennt die Vorsitzende des Vereins, Glenda Obermuller, die Bibliothek. Kinder und Jugendliche könnten in Büchern schmökern, in denen sie Vorbilder fänden. „Überall sonst lernen die Kinder, dass weiße Menschen stärker sind.“ Oder dass Christoph Kolumbus Amerika entdeckt habe, was aber nur aus der europäischen Perspektive so ist. Auch Schönheitsideale orientierten sich vor allem an weißen Vorbildern. „Es gab nie eine schwarze Prinzessin bei Disney“, sagte die Vereinsvorsitzende, die vor 18 Jahren aus dem südamerikanischen Staat Guayana nach Köln gekommen ist.
Rassismus-Erfahrungen im Alltag
Immer noch würden schwarze Kinder im Alltag Rassismus erfahren. Obermuller erzählt von einem Fall, bei dem ein Lehrer ein Kind rassistisch beschimpfte. Der Lehrer sei nicht disziplinarisch belangt worden, sondern die Familie habe das Kind aus der Schule genommen und sei schließlich aus Köln fortgezogen. Auch Lehmann berichtet von strukturellem Rassismus. Es sei immer noch üblich, dass schwarze Menschen bei der Wohnungssuche ausgegrenzt würden. Sie erzählt von einem Kind in einer Kölner Kita, dass von anderen Kinder rassistisch beleidigt wurde. Der Junge habe anschließend auch im Sommer Mütze und lange T-Shirts getragen, damit möglichst wenig von seiner schwarzen Hautfarbe und seinen Haaren zu sehen war. Die Erzieher in der Kita hätten den Vorfall heruntergespielt mit den Worten: Kinder würden sich nun mal streiten.
Obermuller muss nicht lange überlegen, wenn man sie nach ihren Lieblingsbüchern in der Bibliothek fragt. Sie holt schnell ein paar Werke von Toni Morrison und den Essay „The Fire Next Time“ von James Baldwin hervor. Aber auch einige Kinderbücher empfiehlt sie. Etwa „Sulwe“ von Lupita Nyong’o, ein Bilderbuch, in dem die Protagonistin lernt, dass man nicht weiß sein muss, um schön zu sein.
Die Theodor-Wonja-Michael-Bibliothek steht für jeden und jede offen. Derzeit sind Besuche nur am Wochenende möglich, weil dem Verein noch Personal fehlt. Wer wochentags in der Bibliothek stöbern will, kann einen Termin ausmachen.
Theodor-Wonja-Michael-Bibliothek, Sa. und So, 12 bis 15 Uhr, Victoriastraße 6-8, Telefon: 02221/13075270; scdgonline.org