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„Müllsäcke, um deine Drecksleiche zu entsorgen“Mitarbeiter der Stadt Köln erhalten Todesdrohungen per E-Mail

Lesezeit 4 Minuten
Ein Handy liegt auf der Tastatur eines Laptops.

Beschäftigte der Kölner Stadtverwaltung werden zunehmend digital bedroht. (Symbolfoto)

Die Zahl digitaler Bedrohungen und Beleidigungen gegen Verwaltungsangestellte nimmt zu – so reagiert die Stadt Köln.

Die Anlässe sind oft banal. Mal ist es ein abgelehnter Bauantrag, Mal ein Verwarngeld über ein paar Euro oder eine andere Petitesse, die einen Kunden oder eine Kundin der Kölner Stadtverwaltung ausrasten lässt. Ihrer Wut auf den zuständigen Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin machen diese Menschen dann häufig in einer Mail oder in sozialen Medien Luft.

Wie „eine Art Pizza Service“ stelle er sich das vor, schreibt etwa am 29. Juli jemand in einer E-Mail an eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ dokumentiert Auszüge aus dieser Mail, Rechtschreibfehler inklusive. Das „komplette Lünchpaket“ wolle er buchen, droht der Verfasser: „1. Kreissege 2. Hackebeil und 3. 5 große blaue Müllsecke um deine Drecksleiche zu entsorgen.“ Für die städtische Angestellte hat er nur Hass übrig. „Du bist ein eins Stück Dreck und kein Pfennig wert ok schon für deine Nieren und Leber bekommt man gutes Geld.“

Ich breche dir erst die Arme und dann die Beine, immer schön das eine nach dem anderen
Aus einer Drohmail an einen städtischen Mitarbeiter

Vier Tage später die nächste Mail an eine andere Mitarbeiterin: „auf der strasse werde ich dich verprügeln“ heißt es darin. Ein weiterer städtischer Beschäftigter erhält am selben Tag eine Drohung mit Anspielung auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten durch einen Rechtsextremisten 2019: „Walter lubcke ist tot… ich habe ein Foto im internet von ihnen gefunden und ihre Wohnanschrift War auch leicht zu finden ich werde sie schon den richtigen leuten übergeben.“ Es ist unklar, vom wem die Mails stammen.

Insgesamt 384 ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in den vergangenen sechs Jahren bedroht oder sogar verletzt worden, teilt die Stadt Köln mit, 64 waren es allein in den vergangenen zwölf Monaten. Die Fälle rein digitaler Übergriffe wie Beleidigungen, Drohungen oder Cybermobbing würden nicht gesondert erfasst, heißt es auf Anfrage. Die Zahlen seien aber steigend, und: Der Ton in Mails und den sozialen Medien werde immer rauer. Betroffen seien vor allem Beschäftigte in Ämtern, die Anträge bewilligten oder ablehnten, Ordnungswidrigkeiten feststellten oder Inobhutnahmen aussprächen, berichtet Stadtsprecherin Simone Winkelhog.

Umfrage unter Kommunen: 92 Prozent berichten von digitaler Gewalt

So musste kürzlich ein Mitarbeiter nach einer Baumfällung in einer Mail lesen: „Ich breche dir erst die Arme und dann die Beine, immer schön das eine nach dem anderen. Du wirst bei Bewusstsein sein, wirst Höllenqualen leiden, doch deine Schreie werden nicht helfen. …Genau wie die Bäume, die du gefällt hast. Auch sie konnten sich nicht retten…“

Mit dem wachsenden Problem steht die Stadt Köln nicht allein. Laut Weißer Ring haben Beschäftigte in 92 Prozent aller deutschen Kommunen schon digitale Gewalt erlebt, 76 Prozent berichteten von körperlichen Angriffen auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen innerhalb der vergangenen zwölf Monate. Der Opferschutzverein hatte den Verwaltungen von 82 deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern einen Fragebogen geschickt, 44 antworteten.

Weißer Ring berichtet von „zunehmender Verrohung“

83 Prozent berichteten von beleidigenden oder bedrohenden Nachrichten an ihre Beschäftigten über Mail oder Messenger-Dienste, 69 Prozent über Schmähungen in sozialen Medien und 17 Prozent über die Verbreitung privater Informationen von Beschäftigten ohne deren Zustimmung.

Der Weiße Ring spricht in seinem Magazin „Forum Opferhilfe“ von einer „zunehmenden Verrohung“, darauf eingestellt seien viele Kommunen allerdings nicht. Nur die Hälfte habe angegeben, intern über spezielle Richtlinien oder Verfahren im Umgang mit digitaler Gewalt gegen Mitarbeitende zu verfügen.

Wie sieht das in Köln aus? Sprecherin Winkelhog betont, der Schutz der eigenen Belegschaft habe „höchste Priorität“, man verfolge eine „strikte Null-Toleranz-Politik“. Jede Form von Gewalt gegen Beschäftigte werde zur Anzeige gebracht, die Polizei leitet dann Ermittlungen ein. Bei Bedarf würden interne und externe Fachkräfte oder Therapeuten hinzugezogen und rechtliche Unterstützung angeboten. Darüber hinaus gebe es zahlreiche Schulungen zur Gewaltprävention.

Schwere Fälle wie Bedrohungen, Nötigungen oder Sachbeschädigungen hält die Kölner Verwaltung zudem in der stadtinternen Datenbank „ZeMAG“ fest, dem Zentralen Melde- und Auskunftssystem bei Gefährdung städtischer Mitarbeitender. In dieser Datenbank können zum Beispiel Außendienstler vor dem persönlichen Kontakt mit einer Person recherchieren, ob diese schon einmal mit Gewalt gegen Kolleginnen und Kollegen aufgefallen ist. Im Zweifel kann dann zum Beispiel die Polizei hinzugezogen werden.