Köln – In der Nacht zum 21. Januar dieses Jahres, es war gegen 1 Uhr, rief ein Anwohner der Formesstraße in Mülheim bei der Polizei an und bat wegen Ruhestörung um Hilfe: Vor der Haustüre stehe jemand und drücke wiederholt auf die Klingelknöpfe. Zwei Polizistinnen fuhren zu dem Wohnhaus und trafen mehrere Leute an. Während sie den Sachverhalt klärten, betraten sie das Nachbarhaus. Im Parterre stand die Tür zu einer Wohnung offen, und eine Beamtin ging hinein. Ihr bot sich ein ein grausamer Anblick. Im Flur lag in einer Blutlache eine leblose Frau; sie hatte Stichwunden auf dem Rücken, und in ihrem Kopf steckte eine Grillgabel.
Scherben lagen herum, im Wohnzimmer lag eine männliche Leiche; auch sie wies Stichverletzungen auf, und die Kehle war durchgeschnitten. Bald war Verstärkung zur Stelle.
Als Täter gilt Paul M. (22, Name geändert), der Sohn des Toten. Seit Montag muss er sich vor dem Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass er in einem „akuten psychotischen Zustand“ gehandelt hat und nicht schuldfähig war. Deshalb beantragt sie die dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; Paul M. sei „für die Allgemeinheit gefährlich".
In der Antragsschrift heißt es, er habe seinem 60-jährigen Vater im Streit um ein Handy zwei Mal mit einer Wodkaflasche auf den Kopf geschlagen und dann mit einem Küchenmesser auf ihn eingestochen, bevor erihm die Kehle durchtrennte. Um die Straftat zu verdecken, habe er auch die 73-jährige Wohnungsinhaberin, mit der sein Vater befreundet war, umgebracht. Zahlreiche Wunden habe er ihr zugefügt und ihr zum Schluss die Gabel in eine Augenhöhle gestochen. Beide Opfer seien durch Verbluten gestorben."
Paul M., der bereits in einer Klinik betreut wird, äußerte sich weder zur Person noch zur Sache. Doch von den Zeugen war schon vieles zu erfahren. Drei von ihnen nehmen als Nebenkläger am Prozess teil: die Schwester und ein Onkel des Beschuldigten sowie die Tochter der getöteten Frau. Am Morgen nach der Bluttat hatte ein 54-jähriger Kioskbetreiber, der in der Nachbarschaft wohnt, Paul M. an einer Bushaltestelle entdeckt und die Polizei verständigt. Die nahm ihn in einem Bus fest. Der Zeuge erzählte zudem, im Laufe der Jahre sei er immer wieder mit Paul M. aneinander geraten; mal habe dieser ihn mit einem Messer bedroht, mal eine Flasche nach ihm geworfen. Im Januar 2019 erwirkte der 54-Jährige ein Annäherungsverbot.
Schwester von Paul M.: „Wir fühlten uns ein bisschen im Stich gelassen“
Paul M.s 23-jährige Schwester kämpfte mit den Tränen, als sie sagte, ihre Eltern seien Alkoholiker gewesen. „Das hat unsere Kindheit geprägt.“ Um 2016 habe ihr Bruder begonnen, sonderbar zu werden. „Er hat wirres Zeug geredet.“ So sei er von der Idee besessen gewesen, er habe Hepatitis und sei HIV-positiv, und habe behauptet, er sei mit Leonardo da Vinci verwandt. Einmal hätten sie Hilfe beim Sozialpsychiatrischen Zentrum Mülheim gesucht, und ein Mitarbeiter sei vorbeigekommen. Im Gespräch mit ihm habe der Bruder aber so normal gewirkt, dass nichts Weiteres veranlasst worden sei. „Wir fühlten uns ein bisschen im Stich gelassen.“
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Der Onkel , der viele Jahre keinen Kontakt zu seinem alkoholkranken, zum Schluss obdachlosen Bruder und zu seinem Neffen hatte, berichtete, wie er ein Wiedertreffen mit den beiden erlebte. Paul M., der den Tod seiner Mutter im Jahr 2018 wohl nicht habe verkraften können, habe „blödes Zeug“ von sich gegeben und derart genervt mit seinem Gerede, er sei mit Donald Trump und Leonardo da Vinci verwandt, dass er, der Onkel, ihn geohrfeigt habe. Darauf habe Paul M. draußen herumgebrüllt, bis die Polizei gekommen sei, und sich nicht mehr blicken lassen. Sein Bruder habe zum Verhalten des Sohns so viel gesagt wie: „Wir kennen das schon, wir haben das im Griff.“ Für den Prozess sind vier Verhandlungstage vorgesehen.