Musiker Tommy Engel„Die Partytouristen kommen nach Köln und hauen auf die Kacke“
Lesezeit 6 Minuten
Noch bevor die Bläck Fööss im kommenden Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiern, stehen für deren Ex-Sänger und Gründungsmitglied Tommy Engel zwei runde Jubiläen an.
Der kölsche Entertainer feiert seinen 70. Geburtstag und steht seit 60 Jahren auf der Bühne.
Ein Gespräch mit dem Musiker über Karneval, seine alte Band Bläck Fööss und die Schattenseiten Kölns als Partyhochburg.
Köln – Thomas Richard Engel wurde am 28. November 1949 als jüngstes von zehn Kindern geboren.
Sein Vater war Mitglied der legendären „Vier Botze“, sein Patenonkel war der damalige Festkomitee-Präsident Thomas Liessem. 1970 war Engel einer der Gründer der Bläck Fööss, deren Frontmann er bis 1994 war. Danach hatte er zunächst mit Rolf Lammers und Arno Steffen als L.S.E., dann als Solo-Künstler großen Erfolg. Von 1998 bis 2011 spielte er in der WDR-Serie „Die Anrheiner“ mit. Engel hat drei Söhne: René, Ilja und Kai (Keyboarder bei Brings) und ist in zweiter Ehe mit Marlene verheiratet.
Anfänge
Als Zehnjähriger stand ich erstmals im Millowitsch-Theater auf der Bühne. Im Schwank „Drei Daach ahl Kölle“, und im „Nachtjackenviertel“ spielte ich den Bühnensohn von Willy Millowitsch, da dessen eigener Sohn, der spätere Theaterleiter und Schauspieler Peter Millowitsch für die Kinderrolle schon zu groß war.
Meine Tante Ully Engel-Hark, die zu der Zeit zum Ensemble zählte, hatte mich zum Vorsprechen mitgenommen, und Onkel Willy, wie ich ihn damals nannte, war gleich einverstanden. Er hat mich auch vor den Aufführungen meist persönlich geschminkt und paratgemacht. Um 19 Uhr musste ich damals im Theater an der Aachener Straße sein, gegen 23 Uhr fuhr ich dann mit der Straßenbahn ins heimische Sülz.
Karneval
Das weiß doch inzwischen jeder, dass ich damit ja wirklich nicht mehr viel am Hut habe. Ich bin kein Karnevalshasser, der Fastelovend gehört doch zu Köln, aber ich bin da nicht mehr drin. Im Karneval musst du mitmachen – oder du haust ab. Ich fahre nicht umsonst über die tollen Tage weg. Ich ertrage diesen Wahnsinn mit den vielen alkoholisierten Typen, die nur noch rumgrölen, nicht mehr. Das richtige und behutsame Feiern ist abhanden gekommen. Mir fehlen immer mehr die leisen Töne und die Bereitschaft, zuzuhören.
Bläck Fööss
Die Bläck Fööss sind doch so etwas wie die Mutter der gesamten Szene, und das wird auch so bleiben. Sie haben für viele der heutigen Bands den Weg vorbereitet. Wir waren die ersten, die ihre eigene Musik in den Karneval brachten. Auch Hans Knipp, der viele Lieder für uns geschrieben hat, hatte da schon etwas Pep reingebracht.
Entscheidend war ja, dass die Menschen uns wollten. Die Fööss sind ein Teil meiner Geschichte und meines Lebens. Die Entwicklung der alten Kollegen beobachte ich schon noch, und ich habe fast alle Alben auf meinem Handy. Schließlich haben die Fööss nach mir noch wunderbare Songs geschrieben wie „Do bes die Stadt“ oder „Unser Stammbaum“. Gute Lieder setzen sich halt durch. Es ist doch prima, dass es für alle weitergegangen ist. Und mal gucken, was das wird im nächsten Jahr zu deren 50-jährigen Bestehen auf dem Roncalliplatz. Ich war kürzlich mit dem Erry mal essen – und wir hatten Spaß.
Hobbys
Ich rauche gerne Zigarren. Dazu fahre ich gerne mit alten Autos, mit meiner Harley oder seit kurzes auch einer Vespa aus den 60er Jahren durch die Gegend. Für den Urlaub oder um mal zu entspannen habe ich ein Boot, das in Roermond im Hafen liegt. Wenn ich mit meiner Frau Marlene auf dem Boot unterwegs bin, fahren wir sehr langsam durch die Weltgeschichte. Das tut mir gut, und ich gewinne Abstand zu den vielen unwichtigen Dingen, die im ersten Moment angeblich so superwichtig waren.
Was Köln alles nicht hat – oder nicht kann
Man lebt mit diesen Schwierigkeiten und diesem Irrsinn, der in Köln gemacht worden ist. Wir haben einen irren Zuspruch an Touristen, da kann man sich auf die Schulter klopfen und sagen: super. Aber der Ruf als Partyhochburg hat auch seine negativen Seiten. Die kommen nach Köln und hauen auf die Kacke. Da interessiert es niemanden, dass viele Kölner das gar nicht mehr wollen. Ich bin kein Politiker, sondern Musiker. Aber ich sehe doch auch: Köln platzt aus allen Nähten.
Im Kleinen ist das überall zu spüren. Schau mal auf die Aachener Straße, ein Wahnsinn: Radfahrer, KVB, Bus, Autos, Fußgänger – und manche Leute sitzen auch noch draußen und essen dabei. Dazu fehlen in allen Veedeln Wohnungen. Da kann die Frau Reker auch nicht viel machen. Da müssen neue Ideen und eine neue Infrastruktur her. Auch was Umwelt und Klimapolitik angeht. Da hat man 30 Jahre geschlafen, und jetzt soll alles auf einmal gehen. Aber das funktioniert nicht von heute auf morgen. Man muss die Menschen in diesem Prozess mitnehmen.
Solo-Karriere
Das funktioniert, weil ich mit Jürgen Fritz einen musikalischen Partner habe, der mich sehr gut versteht. Gut singen alleine reicht nicht. Als Frontmann muss man schon mehr bringen. Um nachhaltig im Gedächtnis des Publikums zu bleiben, muss man zeigen, dass man „met Hätz un Siel“ hinter seinen Liedern steht.
Das merken die Leute, ganz egal, ob man englisch, deutsch oder kölsch singt. Dazu braucht man auch Bühnenpräsenz und Entertainer-Qualitäten. Man muss ran an die Rampe, hin zum Publikum. Das mache ich. Mit neuen Liedern, Coverversionen und auch einigen Titel aus dem Repertoire der Fööss, die ich ja auch schon mit ihnen zusammen gesungen habe wie das Lied vom „Veedel“.
Kölsche Musik und junge Bands
Ich habe mir den Sessionsauftakt am 11.11. im Fernsehen angeguckt. Da tummeln sich so viele Musikgruppen. Das Angebot ist groß. Viele können Kölsch singen, aber nicht sprechen. Man merkt das bei den neuen Bands.
Wenn man sich mit denen op Kölsch unterhält, dann kommen die ins Schwimmen. Gut, die haben das halt nicht auf der Straße gelernt oder zu Hause gesprochen. Kölsch ist halt auch eine Lebensart. Und direkt los zu klatschen und das Publikum zu „Hey-Hey-Hey“ oder „Oh-Oh-Oh“ zu animieren ist auch nicht jedermanns Geschmack.
Heimat und Veedel
Ich bin in Sülz in der Lotharstraße geboren. Jetzt lebe ich seit mehr als 30 Jahren im Severinsviertel. Köln ist nicht schön, aber es ist unsere, es ist meine Stadt. Man muss die Stadt schon lieben, um hier zu leben. Ich bin da ganz normal gestrickt.
Wenn ich von außerhalb nach Köln zurückkomme, die Skyline und den Dom sehe, berührt mich das. Das Bild habe ich im Hirn. Ganz tief drin. Hier gehöre ich hin.
Wünsche und Pläne
Ich habe noch Lust. Auf der Bühne zu stehen, macht immer noch Spaß. Aber ich muss den Dingen oder dem Erfolg nicht mehr nachlaufen. Und das ist gut so. Früher wollte ich mal den Pilotenschein machen. Dafür ist es heute wohl zu spät.
Da reicht mir auch der Führerschein für Lkw und das Motorboot. Ans Aufhören verschwende ich noch keinen Gedanken. Vom Alter her bin ich doch schon seit ein paar Jahren in Rente. Aber man weiß halt nie, was in den nächsten zehn Jahren passiert. Bei mir persönlich und um uns herum. Wir müssen das irgendwie packen.