Nach Vorfällen in Kölner KitaWie geht man mit sexuellen Übergriffen von Kindern um?
- In einer Kita in Köln-Bocklemünd wurden Kinder an anderen Kindern sexuell übergriffig
- Was kann getan werden, damit solche Situationen nicht mehr derart eskalieren?
Köln – Im katholischen Montessori-Kinderhaus St. Johannes Bocklemünd ist die Situation nach sexuell übergriffigem Verhalten von Kindern eskaliert: Im September 2018 informierte die Kita-Leitung die Eltern, dass ein Junge andere Kinder mit Stöcken im Genitalbereich verletzt hatte.
Schnell schilderten Kinder weitere Situationen. In der Folge stellte der Träger eine weitere Fachkraft ein, es gab ein Gespräch mit den Beteiligten, aber auch Szenen, die die Eltern befremdeten: So inszenierten die Erzieherinnen eine „Beerdigung“ des Kindergartens. Am 14. Februar erhielten neun Eltern, deren Kinder Opfer wurden, die Kündigung für den Kita-Platz. Der Fall zeigt, wie schwierig der Umgang mit sexuell übergriffigem Verhalten von Kindern ist.
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Mehrere Kinder sollen drangsaliert worden sein. Und exakt diese Kinder haben nun keinen Platz mehr. Wie kam es dazu?
Das Bistum sagt, dass das Vertrauen zwischen Erzieherinnen und Eltern „leider nicht mehr wiederherzustellen war“. Es habe mehrere Gespräche mit allen Beteiligten gegeben, „wir sind uns bewusst, dass wir eine Verantwortung für die Kinder, die Eltern, aber auch für die Erzieherinnen haben“, sagt Bistumssprecher Michael Kasiske. Eine Erzieherin habe in der Folge des Konflikts mit den Eltern einen Zusammenbruch erlitten. Kasiske sagt, es habe ein Angebot zur Mediation gegeben – die Eltern verneinen das. Die Eltern hätten Bedingungen gestellt, wie die Mediation aussehen müsste, so der Bistumssprecher. Die unterschiedliche Sicht auf die Dinge zeigt, wie emotional das Thema ist, scham- und angstbesetzt.
Was ist eigentlich sexuell übergriffiges Verhalten bei Kindern, und was nicht?
„Sogenannte Doktorspiele sind im Kindergartenalter ganz normal“, sagt Maria Große Perdekamp, fachliche Leiterin beim Kinderschutzbund Köln. „Die Grenze zu sexuell übergriffigem Verhalten wird dann überschritten, wenn Grenzen anhaltend nicht wahrgenommen oder missachtet werden. Wenn Rosa die feste Umarmung nicht lösen möchte, obwohl Felix schon längst weint. Oder wenn Ben die Körperstelle weiter untersucht, wo Lisa sich deutlich wegdreht hat. Auffällig sind Verhaltensweisen, die nicht in das übliche Spielrepertoire von Kindern im Vorschulalter gehören – zum Beispiel Gegenstände in Körperöffnungen stecken, körperliche Gewalt, Erpressen oder pornografische Elemente im Rollenspiel.
Wie oft kommt es zu sexuell übergriffigem Verhalten ?
Das Kinder sich in einer Kita zurückziehen, um sich gegenseitig körperlich zu erkunden, kommt regelmäßig vor. Dabei kann es auch zu der Erfahrung von unangemessenem Verhalten und Grenzüberschreitungen kommen. „Übergriffiges sexuelles Verhalten von Kindern ist zum Teil nicht ungewöhnlich, weil Kinder die Grenzen oft noch gar nicht kennen und erlernen müssen“, sagt Große Perdekamp.
Was kann getan werden, damit Situationen nicht so eskalieren wie in Bocklemünd?
Im Kinderhaus St. Johannes ist die Kommunikation schon früh misslungen, Eltern und Erzieherinnen waren überfordert, auch eine „Beerdigungszeremonie“ war ein fatales Zeichen. Dass solche Situationen eskalieren, sei leider nicht selten der Fall, sagt Große Perdekamp. „Schuldzuweisungen, Hilflosigkeit und Scham können wütende Reaktionen auslösen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Einrichtung und Eltern im Gespräch bleiben. Dabei können außenstehende Helfer eine Unterstützung bieten.“
Was können Kinder und Eltern tun, um sich zu schützen?
„Ein wichtiger Schutzfaktor ist die Fähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen – »Ja» und »Nein» sagen zu können“, sagt Große Perdekamp. Eltern können Kinder altersgemäß über Körper und Sexualität aufklären. Projekte wie „Mein Körper gehört mir“ können ebenso helfen wie Elternabende zum Thema kindliche Sexualität.
Hat sich die Problematik verschärft oder gehen wir nur sensibler mit dem Thema um?
Eher letzteres. Es gibt eine breite gesellschaftliche Diskussion über sexuellen Missbrauch, trotzdem werden Fälle wie der jüngste oft auch skandalisiert. Man sollte bei Kindern sehr genau überlegen, welche Worte man wählt. „Bei einem Fünfjährigen kann man gar nicht von Täter sprechen; man sollte sich sein Verhalten und die Hintergründe genauer anschauen“, sagt Atilla Gümüs, Vorsitzender des Jugendamtelternbeirats. Und ein emotionales Thema möglichst versachlichen.