Nachruf auf Norbert BurgerKölner Ex-OB war „eigentlich ein Freigeist“
- Der frühere Kölner Oberbürgermeister und Ehrenbürger Norbert Burger starb vor genau zehn Jahren.
- Er galt als Mann des Ausgleichs, 1980 als überraschender Kompromiss-Kandidat einer damals gespaltenen SPD und war länger Kölner OB, als jeder seiner Vorgänger im 20. Jahrhundert.
- Ein Nachruf.
Köln – „Städtepartnerschaften sind Friedensangebote von unten; der Friede ist so wichtig, dass man ihn nicht allein den Staatslenkern überlassen darf.“ Davon war Norbert Burger, von dem diese Worte stammen, fest überzeugt. So verwundert es nicht, dass sich in seiner 19-jährigen Amtszeit als Oberbürgermeister von Köln die Zahl der Städtepartnerschaften von zwölf auf 23 erhöhte. Ein besonderes Anliegen war ihm die Partnerschaft mit Bethlehem, die er 1996 mitbegründete und als Beitrag zur Förderung des Friedensprozesses im Nahen Osten verstand. Wie hätte Burger, für den Städtepartnerschaften „Mittel kommunaler Außenpolitik“ waren, es wohl aufgenommen, dass Köln im März die offizielle Beziehung zu Wolgograd wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf Eis gelegt hat?
Sicher nicht mit Gleichmut. Zehn Jahre ist es am 16. Mai her, dass der letzte ehrenamtliche Oberbürgermeister Kölns, der nicht zugleich Chef der Verwaltung war, sondern allein repräsentative Aufgaben hatte, gestorben ist.
Norbert Burger galt als Kompromiss-Kandidat der SPD
Als er 1980 von seiner Partei überraschend als Spitzenkandidat für die Kommunalwahl aufgestellt wurde, galt er als Kompromiss-Kandidat einer in linkes und rechtes Lager gespaltenen SPD. Niemand konnte ahnen, dass er, vom Stadtrat zum Nachfolger von John van Nes Ziegler gekürt, bis 1999 Oberbürgermeister bleiben würde – so lange wie keiner seine Vorgänger im 20. Jahrhundert.
Er erwarb sich den Ruf, ein Mann des Ausgleichs und des Dialogs zu sein. „Er hat alles diskutiert, privat und im Beruf sowieso“, sagt seine Witwe Claudia Burger. Volkstümlich und menschenfreundlich sei er gewesen, ohne Dünkel und den „Parteispielchen“ abgeneigt. „Er gehörte weder zum linken noch zum rechten Flügel, mal war er links, mal rechts“. Über allem habe für ihn gestanden, „Köln nach vorne zu bringen“.
Wiederherstellung aller zwölf romanischen Kirchen
In Burgers Amtszeit wurde die Wiederherstellung aller zwölf romanischen Kirchen in der Innenstadt abgeschlossen, der Rheinufertunnel fertig gebaut und der Komplex von Museum Ludwig und Philharmonie eröffnet. „Sein Leitbild war immer die solidarische Stadt, eine Stadt, die allen Bürgerinnen und Bürgern Raum lässt und Chancen eröffnet“, sagte Jürgen Roters, seinerzeit Oberbürgermeister, anlässlich von Burgers Tod. Jochen Ott, damals Kölner SPD-Vorsitzender, würdigte ihn als „Sozialdemokraten im besten Sinne. Die Idee der sozialen Demokratie und der Einsatz für ein sozial gerechtes Gemeinwesen waren stets Antrieb seines politischen Handelns.“
Burger, 1932 geboren, wuchs in Ehrenfeld auf. Früh lernte er, Verantwortung für die Familie zu übernehmen. Sein Vater, 1937 durch Schlaganfälle zum Pflegefall geworden, wurde deportiert, dann für tot erklärt – bis er nach Jahren wieder auftauchte. Burgers Mutter musste ihren Sohn und die fünf Jahre ältere Tochter allein durchbringen. Nach seinem Jurastudium trat Burger, 1957 Mitglied der SPD geworden, 1963 in den Dienst der Stadt ein. Zwei Jahre darauf wurde er Leiter des Schulverwaltungsamts, 1970 Dezernent für Jugend und Soziales.
Von Bundeskanzler Willy Brandt in Führungsstab berufen
1973 berief ihn Bundeskanzler Willy Brandt in seinen Führungsstab; Burger übernahm die stellvertretende Leitung des Presseamtes der Bundesregierung. Unter Kanzler Helmut Schmidt wechselte er ins Entwicklungshilfeministerium.
1975 zog er in den Kölner Stadtrat ein. Als Oberbürgermeister war er von 1993 bis 1995 Präsident des Städtetags. Von 1985 bis 2000 hatte er einen Sitz im Landtag. Er engagierte sich im Arbeiter-Samariter-Bund, dessen Mülheimer Altenheim „Norbert-Burger-Seniorenzentrum“ heißt, und in der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, ebenso für das Quäker-Nachbarschaftsheim, dessen weltoffener Geist ihn nach dem Krieg stark geprägt hatte; seit 2011 trägt es den Namenszusatz „Norbert-Burger-Bürgerzentrum“.
Zur liberalen Gesinnung ihres verstorbenen Mannes sagt Claudia Burger: „Er war kölsch-katholisch, eigentlich ein Freigeist.“ Mit Kardinal Joachim Meisner, der als Erz-Katholik galt, habe es „bei uns am Esstisch“ im Haus in Junkersdorf „manche bösen Auseinandersetzungen“ gegeben.
Burger lag nach Krebsoperation wochenlang auf der Intensivstation
Mit seiner Frau Annemarie, mit der er drei Kinder hatte, war Burger von 1963 bis zu ihrem Tod im Jahr 2007 verheiratet. Kurz darauf heiratete er erneut. „Du hast deinen Job hier auf Erden gemacht, die Kinder sind okay, und deinen Grabstein hast du auch schon“ – so gab Burger seine Gedanken während eines Aufenthalts in einer Klinik wieder, in der er 2008 nach einer Krebsoperation wochenlang auf der Intensivstation gelegen hatte. Danach ließ es der Kölner Ehrenbürger ruhiger angehen, hörte aber nicht auf, sich einzumischen. „Im Kopf werde ich nie aufhören, ein Homo politicus zu sein“, sagt er.
Besondere Anliegen waren ihm das Zusammenwachsen Europas und das Erscheinungsbild der Stadt, das er einmal als „Summe von Ausnahmegenehmigungen“ charakterisierte. Bekannter ist seine Umschreibung des Kölner Klüngels als „das Ausräumen von Schwierigkeiten im Vorfeld von Entscheidungen“. Als „unglaublichen Einschnitt“ habe er 2002 die Spendenaffäre der Kölner SPD erlebt, sagt Claudia Burger. Zum einen habe er nicht fassen können, dass eigene Parteigenossen derart getrickst hatten.
Burger in Spendenaffäre der Kölner SPD verwickelt?
Zum anderen wurde er selber in den Skandal verwickelt: Man warf ihm vor, eine fingierte Spendenquittung über 5000 Euro beim Finanzamt geltend gemacht zu haben. Er beteuerte, er habe von dem Beleg nichts gewusst; seine Sekretärin sei damit betraut, die Unterlagen für das Finanzamt zu sammeln. Gegen eine Geldauflage wurde das Verfahren Jahre später eingestellt.
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Das Erbe ihres Mannes seien vor allem die Städtepartnerschaften, sagt Claudia Burger, die den Vorsitz des Partnerschaftsvereins Köln-Bethlehem führt. Sein Engagement lebe zum Beispiel in der gemeinnützigen Cologne Alliance fort, zu der sich 22 Vereine und Freundeskreise zusammengeschlossen haben, um ihre Kräfte zur Förderung von Städtepartnerschaften zu bündeln.
Kölner Ex-OB verband Freundschaft mit Recep Tayyip Erdoğan
Mit Recep Tayyip Erdoğan habe ihn in der Zeit, als der heutige türkische Ministerpräsident Oberbürgermeister von Kölns Partnerstadt Istanbul war und dort viel Gutes bewirkte, eine regelrechte Freundschaft verbunden. Später sei ihr Mann „fast daran verzweifelt“, dass Erdoğan sich zum islamisch-konservativen Hardliner entwickelte.
Beigesetzt worden ist Norbert Burger auf dem Friedhof Melaten. An seinem Grab findet an seinem Todestag eine kleine Gedenkfeier statt, die um 13.30 Uhr beginnt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker sowie Vertreter des Arbeiter-Samariter-Bunds und der Arbeiterwohlfahrt legen Kränze nieder, und Markus Reinhardt, dessen Musik Burger liebte, spielt auf. Am 24. November, Burgers 90. Geburtstag, soll die Fläche südlich der rechtsrheinischen Rampe der Hohenzollernbrücke, die schon seit 2019 seinen Namen trägt, offiziell als „Norbert-Burger-Platz“ eingeweiht werden.