Unser Autor Tim Attenberger meint, dass die Universität zu Köln auf Nancy Frasers fragwürdige Haltung konsequent reagiert. Unsere Autorin Maria Gambino mahnt die Bewahrung der offenen Debattenkultur an.
Pro & ContraIst es richtig, die US-Philosophin Nancy Fraser wegen Pro-Palästina-Manifest von der Uni Köln auszuladen?
Die Universität Köln hat die US-Philosophin Nancy Fraser wegen ihrer Unterschrift im umstrittenen Manifest „Philosophy for Palestine“ die Albertus-Magnus-Professur 2024 entzogen. So bewerten unsere Autoren die Ausladung der Universität Köln.
Pro: Nancy Frasers einseitige Sicht auf den Nahostkonflikt rechtfertigt die Absage der Uni Köln
Es ist richtig, dass Universitäten nicht zuletzt seit den auslaufenden 1960er Jahren wichtige Orte der kontroversen politischen Diskussion sind. Doch bei der für Nancy Fraser angedachten Gastprofessor handelt es sich nicht um eine Plattform für Debatten. Vielmehr erweist die Universität zu Köln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern damit die besondere Ehre, gewissermaßen in die Fußstapfen des Gelehrten Albertus Magnus zu treten.
Insofern wäre es äußerst fragwürdig, jemanden auszuzeichnen, der die Wertvorstellungen der Universität nicht teilt. Und genau das macht Nancy Fraser ganz offensichtlich nicht. Denn ihre uneingeschränkte Unterstützung für das Manifest „Philosophy for Palestine“ verdeutlicht, dass Fraser nur sehr einseitig auf den Nahostkonflikt blickt.
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Um es klar zu sagen: Niemand verbietet eine kritische Haltung in Richtung der israelischen Regierung – ein möglicherweise völkerrechtswidriges Verhalten des israelischen Staates wäre natürlich nicht gerechtfertigt. Wenn es aber darum geht, die Existenzberechtigung Israels infrage zu stellen – und das impliziert das von Fraser unterzeichnete Manifest – dann ist das keine Meinung, über die man miteinander diskutieren kann.
Das Existenzrecht Israels ist völkerrechtlich gesichert und steht eben deshalb nicht zur Diskussion. Wer es infrage stellt, der legitimiert letzten Endes die Zerstörung dieses Staates. Hinzu kommt, dass das Manifest die 1200 von der Hamas getöteten israelischen Opfer des verabscheuungswürdigen Terrorangriffs am 7. Oktober 2023 noch nicht einmal erwähnt und den Terror ganz im Gegenteil sogar relativiert.
Die Universität zu Köln handelt also – wenn auch verspätet – völlig richtig und konsequent, die Gastprofessorin Nancy Fraser auszuladen. (att)
Contra: Die Uni Köln wird Anspruch einer offenen Debattenkultur nicht gerecht
Studierende können US-Philosophin Nancy Fraser an der Universität Köln nicht mehr mit unbequemen Fragen konfrontieren, denn die Uni hat im letzten Moment der berühmten Feministin die Albertus-Magnus-Professur entzogen. Die Universität hat nicht nur unsorgfältig recherchiert – ihr fällt erst fünf Monate später auf, dass Fraser Mitunterzeichnerin des umstrittenen offenen Briefes „Philosophy for Palestine“ ist – sondern wird in diesem Fall auch dem eigenen Anspruch, zu einer offenen Debattenkultur beizutragen und die Wissenschaftsfreiheit einzuhalten, nicht gerecht.
Wenn äußerst strittige Positionen wie diese nicht vor Ort diskutiert und möglicherweise zerlegt werden können – wo soll ein angemessener Austausch in einer heiklen Angelegenheit wie dem Nahost-Krieg denn sonst stattfinden? Die Straße ist der Schauplatz für die Verhärtung der eigenen Position, an der Uni kann man durch Rede und Gegenrede auch Veränderungen in der Meinung des Gegenübers erzeugen. Kritik an der Ausladung aus der akademischen Welt kam prompt. Professorinnen und Professoren sehen zurecht die Gefahr gegeben, dass wichtige Erkenntnisse von Forscherinnen und Forscher durch solche Aktionen in Misskredit geraten.
Nancy Fraser sollte an Uni Köln nicht über Nahost sprechen
Legt man den Bewertungsmaßstab des neuen Rektors Joybrato Mukherjee an, fragt man sich, ob Intellektuelle wie Noam Chomsky, Judith Butler oder Achille Mbembe hätten eingeladen werden dürfen, die in den letzten Jahren alle die Albertus-Magnus-Professur innehatten, obwohl sie Israel in der Vergangenheit weitaus schärfer kritisiert hatten als es Fraser heute tut. Da kann es nicht trösten, dass die Uni nun eine Veranstaltung plant, in der diese Absage aufgearbeitet werden soll.
Hinzu kommt, dass der Gegenstand der eigentlich geplanten Vorlesungen an der Uni Köln gar nicht der Gaza-Krieg sein sollte. Fraser selbst wuchs in einer jüdisch geprägten Umgebung auf: Wie sie das beeinflusst hat, erfährt man in Köln nun auch nicht mehr. Hier hat die Uni eine wichtige Chance verpasst. (gam)