Die Universität Köln hat erst fünf Monate später bemerkt, dass Philosophin Nancy Fraser das umstrittene Manifest „Philosophy for Palestine“ unterzeichnet hat.
Umstrittener Pro-Palästina-BriefUniversität Köln lädt berühmte US-Philosophin für Ehren-Professur aus
Vier Wochen vor dem Festakt, bei dem die US-Philosophin und Feministin Nancy Fraser die Albertus-Magnus-Professur antreten sollte, hat die Universität Köln das Event am Freitag (5. April) abgesagt und Fraser ausgeladen. Das teilte eine Uni-Sprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Fraser sollte im Rahmen der renommierten Professur Mitte Mai zwei öffentliche Vorlesungen halten. Außerdem war ein Seminar geplant.
Grund für die Entscheidung sei, dass die Philosophin im November zusammen mit anderen namhaften Wissenschaftlerinnen wie Judith Butler im November 2023 den offenen Brief „Philosophy for Palestine“ unterzeichnet hat. Darin steht, dass die Geschichte der Gewalt in Nahost nicht erst mit dem Terrorangriff der Hamas auf die israelische Bevölkerung am 7. Oktober 2023 beginne.
Die Verfasserinnen werfen Israel vor, ein der Apartheid in Südafrika ähnliches Sytem etabliert zu haben. Der Terrorangriff der Hamas, bei dem die Organisation 1200 israelische Zivilisten tötete und mehr als 200 weitere nach Gaza verschleppte, wird in dem Schreiben nicht explizit verurteilt. Eine Empathie mit den Opfern ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Philosophen fordern das Ende der Gräueltaten an der palästinensischen Bevölkerung, die mittlerweile rund 30.000 zivile zu beklagen hat, und einen Waffenstillstand. Es ist die Rede von einem „sich entfaltenden Genozid“.
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Uni Köln bezieht Stellung zur Absage an Nancy Fraser
In einer Stellungnahme sagte die Uni-Sprecherin: „Mit großem Bedauern hat die Universität zu Köln die Veranstaltungen der diesjährigen Albertus-Magnus-Professur 2024 abgesagt. In dem offenen Brief wird das Existenzrecht Israels als ‚ethno-suprematistischer Staat‘ seit seiner Gründung 1948 faktisch in Frage gestellt. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7.10.2023 wird in rechtfertigender Weise relativiert. Die Unterzeichner*innen rufen zum akademischen und kulturellen Boykott israelischer Institutionen auf.“
Die Albertus-Magnus-Professur sei eine zentrale Angelegenheit des Rektors mit großer universitätsinterner und externer Symbolkraft, so die Sprecherin weiter. Mit ihr seien öffentliche Veranstaltungen sowie der Eintrag ins Goldene Buch der Uni verbunden. „Aussagen im Brief der Philosophinnen sind jedoch mit den Stellungnahmen der Universität zu Köln zur Situation in Israel und im Nahen Osten vom 09.10. und 22.10.2023 sowie mit unseren intensiven Beziehungen zu israelischen Partnerinstitutionen nicht vereinbar.“
Auf der eigenen Internetseite gibt die Uni indes den Grund für die Absage nicht an. Auf die Frage, weshalb die Universität angesichts der Prominenz der Ehren-Professur erst fünf Monate nach Erscheinen des Manifests diese Entscheidung trifft, heißt es, die Uni habe es schlichtweg erst im März realisiert. „Fraser wurde daraufhin gebeten, ihre Position zu erläutern und einzuordnen. Die Antwort von Frau Fraser hat keine neuen Erkenntnisse zum Sachstand und zu ihrer Position gegenüber Israel erbracht.“ Daher habe man sich entschieden, die Einladung zu widerrufen. Einladungen zu dem geplanten Event am 7. Mai waren bereits versendet worden.
In einem Interview mit der österreichischen Zeitung „Der Standard“ hat Nancy Fraser ausführlich zum Brief und ihrer Position Stellung bezogen. Darin stellt sie die Brutalität der Hamas-Terrorattacke nicht in Frage. Die besondere historische Situation der Juden und das daraus resultierende Existenzrecht Israels erkennt sie an. Fraser ist eine der bekanntesten US-amerikanischen Feministinnen. Sie wuchs in Maryland in einer jüdisch geprägten Familie auf. Ihr Vater ist Nachfahre osteuropäischer jüdischer Immigranten.
Uni Köln: Kritik von Professoren wegen Absage an Nancy Fraser
In den vergangenen Monaten hat es an der Uni Köln in Bezug auf den Nahost-Konflikt schon häufiger rumort. Pro-israelische sowie pro-palästinensische Kundgebungen fanden vor Ort statt, die Einladung des israelischen Botschafters Ron Prosor löste Proteste aus. Laut Uni-Sprecherin soll im Mai noch eine Veranstaltung zur Absage an Nancy Fraser organisiert werden. Hier soll dann Raum für Diskussion sein.
In der akademischen Welt macht die Absage bereits die Runde. Auf der Plattform „Kritische Theorie Berlin“ unterzeichneten rund 20 Uniprofessoren das Statement. Darin heißt es: „Die Ausladung ist ein weiterer Versuch, die öffentliche und wissenschaftliche Diskussion zu Israel und Palästina unter Verweis auf vermeintlich eindeutige und regierungsamtlich definierte rote Linien einzuschränken bzw. Wissenschaftlerinnen aus der Diskussion hierzulande auszuschließen.“
Die besondere Ehrung, auf die Albertus-Magnus-Professur berufen zu werden, erhielten schon Philosophen wie Giorgio Agamben (2007), Noam Chomsky (2011), Bruno Latour (2015) sowie Judith Butler im Jahr 2016.