Nippes – In der Mikrogesellschaft eines Stadtteils spricht sich jedes noch so kleine Gerücht schnell herum. In Nippes ist die seit September 2015 geschlossene Kult-Kneipe „Zum Kornbrenner“ aber mittlerweile kein kleines Thema mehr. Schon lange Wochen wird in der Gaststätte renoviert. Aber ein neuer Pächter ist nach dem Ausscheiden der Wirtinnen Lydia und Patricia Robinson noch nicht in Sicht. Immer noch nicht. Dabei hatte die Brauerei Sünner, Eigentümerin des Hauses und der Kneipe, kurz nach der Schließung noch eine Wiedereröffnung „in absehbarer Zeit“, im günstigsten Fall sogar bis Weihnachten 2015, anvisiert.
„Wir sind nach wie vor im Umbau des Lokals und haben leider noch keinen Betreiber gefunden“, sagte Christian Hagl, Vertriebs- und Marketing-Leiter der Brauerei. Es gebe durchaus Bewerbungen, darunter „auch einige gute“. Aber die richtigen Pächter auszusuchen, sei schwierig. Offenbar sogar sehr schwierig. Und das, obwohl die Brauerei seit Monaten auch in Rundmails über das zu verpachtende Objekt informiert: „Bist Du Gastroprofi bzw. kennst Du jemanden, der richtig was anschieben möchte?“
Die Kneipe ist auch in einem Immobilien-Portal im Internet inseriert. Dort wird explizit darauf hingewiesen, dass Gastronomen mit „entsprechender Erfahrung in der traditionellen Gastronomie“ gewünscht sind. Einen Pachtpreis für die Gaststätte erfährt man nur „auf Anfrage“. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ will Sünner den Preis aber nicht verraten.
Im Nippeser Veedel spekuliert man kräftig über den Fall. Gastronom Giovanni Brizzi, der sein italienisches Restaurant auf der gegenüberliegenden Seite der Neusser Straße betreibt, vermutet, dass der Quadratmeterpreis zu hoch ist. In den 35 Jahren, die er sein eigenes Lokal bereits führt, hat er viel Erfahrung gesammelt und sucht Erklärungen für den langen Leerstand des „Kornbrenner“. In der Gastronomie sei es üblich, einen Pachtvertrag für fünf Jahre abzuschließen, erzählt er. Damit binde sich der Vermieter erst einmal an den neuen Pächter – das könne zu einer langen Bedenkzeit führen. Der Kiosk-Besitzer direkt neben Brizzis Pizzeria beobachtet die Situation von seiner Türschwelle aus. „Ich war 22 Jahre lang Stammkunde. Seit dort geschlossen ist, gehe ich in keine Kneipe mehr“, erzählt er im Türrahmen lehnend.
Eine Alternative gebe es für ihn nicht. Wenn es in der Gaststätte einmal jemand Neues gebe, werde er sich denjenigen sicher ansehen. Aber die beiden Robinson-Pächterinnen haben die Latte seiner Meinung nach sehr hoch gelegt. Auch er hat eine Theorie, wieso das Lokal bisher noch leer steht. „Es ist nicht groß und auch nicht klein. Mit 130 Quadratmetern ist das ein Mittelding und schwer zu bewirtschaften.“ Seiner Erfahrung nach hätten nicht viele Gäste dort gegessen, sondern nur Getränke bestellt. Das trage sich auf Dauer nicht.
Die Bauarbeiten im Inneren der Gaststätte würden gut voran gehen und sollten in vier bis sechs Wochen beendet sein, schätzt Sünner-Marketing-Leiter Hagl. Es werde ohne Zeitdruck gearbeitet, da ein neuer Mieter ja noch nicht gefunden sei und kein fester Eröffnungstermin bestehe. Eine Neuerung sollte eine zweite Außengastronomie-Fläche im Hinterhof des Hauses werden, hieß es zu Beginn der Arbeiten. Diese Idee ist aber offenbar nun doch nicht umsetzbar. Das liege aber nicht etwa am Lärmschutz, sondern am Brandschutz, „Anforderungen der Feuerwehr“, sagt Hagl. Die Sitzplätze vor der Gaststätte blieben selbstverständlich erhalten.
Im Innenraum des „Kornbrenners“ haben laut Internet-Inserat 78 Menschen Platz, im Außenbereich vor dem Lokal 32.
Auch die anderen Wirte im Veedel, wie Café-Besitzerin Jennifer Flor und Eis-Verkäufer Francesco Sommariva, sagen, ohne den „Kornbrenner“ fehle etwas im Veedel. Eine echte Konkurrenz habe es nicht gegeben. Beide waren selbst oft dort. Die bisherige Pächterin Lydia Robinson (76) führte die Kölsch-Kneipe seit 1980. Zuerst zusammen mit ihrem Mann, nach seinem Tod allein. Später stieg dann Tochter Patricia ins Geschäft ein, und die Gaststätte lag in Frauenhand – was die Gäste durchaus zu schätzen wussten. Aber aus gesundheitlichen Gründen musste sich Lydia Robinson im vergangenen Jahr zurückziehen. Die Konzession hätte die Tochter zwar übernehmen können, aber damit verbundene Kosten – vor allem die nötige General-Sanierung – seien zu hoch gewesen, sagte sie seinerzeit dieser Zeitung.
So schlossen die Robinson-Frauen Ende September 2015 den „Kornbrenner“. Mit 100 Stammgästen feierten sie vor mehr als einem halben Jahr den Abschied von ihrer Kult-Kneipe, in der sie 35 Jahre gearbeitet hatten.
Einige der Stammgäste, wie Angelika Feld, sind heute noch heimatlose „Kneipen-Normaden“, wie sie sagt. Es gebe für sie keinen Ersatz für ihren „Korni“. Sie probiere hier und dort mal eine Wirtschaft aus, aber sie vermisse diesen sozialen Umschlagplatz, in dem alle wie in einem großen Wohnzimmer immer beieinandergesessen und Taufen, Geburtstage und das Leben zusammen genossen haben.