AboAbonnieren

Kölner Polizist im Interview„Die ersten Verluste sind schon da“

Lesezeit 4 Minuten
Sven Bartz

Sven Bartz ist der neue Bezirksdienstbeamte in Köln-Bilderstöckchen.

  1. Sven Bartz ist der neue Bezirks-Polizeibeamte in Köln-Bilderstöckchen.
  2. Zuvor war der gebürtige Baden-Württemberger unter anderem bei der Autobahnpolizei und der Bundeswehr. Er lebt in Worringen.
  3. Im Interview spricht er über das Image der Polizei, die sozialen Folgen der Corona-Krise und Kriminalprävention bei Jugendlichen.

KölnHerr Bartz, Man hört ja immer wieder den Vorwurf, die Polizei ziehe sich aus der Fläche zurück, sei nicht mehr so präsent in den Veedeln wie früher. Nun sind Sie neu im Bezirksdienst und dort genau an der Basis. Wie wollen Sie diesem Eindruck entgegenwirken?Sven Bartz: Diese Erfahrungen habe ich noch nicht gemacht, ehrlich gesagt. Dafür bin ich wahrscheinlich auch zu neu im Geschäft. Aber ich sehe schon meine Kernaufgabe darin, im Bezirk sichtbar zu sein. Und ich werde zu Fuß im Viertel unterwegs sein, nicht im Auto. Das stärkt ja auch das Vertrauen in die Polizei. Dass die Leute wissen: Da läuft der Bezirksdienstbeamte herum – früher sagte man auch Dorfsheriff oder Veedelspolizist – und ist für alle ansprechbar. Mein Ziel ist: 80 Prozent präsent auf der Straße und zu 20 Prozent auf der Wache.

Also ist jede Minute auf der Straße besser als jede – sofern sie nicht zwingend nötig ist – hinterm Schreibtisch?

Auf jeden Fall, das kann ich unterschreiben. Aber der Verwaltungsaufwand bei der Polizei ist in den letzten Jahren gestiegen. Sei es das Fertigen von Strafanzeigen oder Berichten oder sonstige Aufgaben, für die wir auf der Wache am Computer sitzen müssen. Aber diese Zeit wird hoffentlich auch wieder geringer.

Wo findet man Sie am häufigsten, wenn Sie in Bilderstöckchen unterwegs sind?

Im Blücherpark. Der ist wunderschön, ein Ort der Ruhe, auch wenn dort viele Menschen zusammenkommen. Zugegeben gibt es auch Orte, die weniger einladend sind. Im Zentrum am Schiefersburger sind viele Wohnhäuser, die stark renovierungsbedürftig sind. Insgesamt ist Bilderstöckchen eher kein Schmuckstück, das muss man schon sagen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bilderstöckchen ist nicht nur kein Schmuckstück, sondern auch kein Kriminalitätshotspot. Aus Polizeisicht ist es dort recht ruhig. Ist das nicht langweilig für einen Polizisten?

Ruhig ist es, ja, die Kriminalitätslage ist sehr entspannt. Aber langweilig ist nicht. Bilderstöckchen hat das Problem, dass es wegen der Sozialraumstruktur auf den ersten Blick nicht so günstig erscheint. Es wohnen dort viele Menschen, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Aber damit die Kriminalitätslage so ruhig bleibt, müssen wir vor allem mit denen den Jugendlichen in engen Kontakt kommen. Bei Organisationen wie dem Lucky‘s House, dem Kellerladen und dem Netzwerk Bilderstöcken sind viele engagierte Sozialarbeiter aktiv. Die Kriminalprävention wird ein Schwerpunkt meiner Arbeit sein. Und dafür müssen wir mit den Jugendlichen kooperieren.

Wie gelingt konkret Kriminalprävention bei Jugendlichen?

Wir müssen Vertrauen aufbauen. Auch hier ist Präsenz wichtig. Und gegenseitiges Verständnis. Dass ich sie nicht ständig als Schutzmann maßregele, sondern auch mal ihre Sorgen anhöre. Wenn dann die Vertrauensbasis da ist, kann man auch Problemen auf anderer Ebene begegnen und viel effektiver handeln, wenn wir merken, dass etwas aus dem Ruder läuft.

Im Moment gibt es aber wegen Corona keine Betreuung in den Einrichtungen. Die Jugendlichen sind in ihren Wohnungen, einige davon sicher auch in schwierigen Elternhäusern. Experten befürchten, dass daraus auch langfristige soziale Folgen entstehen können, die sich womöglich auch auf Kriminalität auswirken wird. Befürchten Sie eine solche Entwicklung?

Es ist zumindest nicht auszuschließen. Vor Corona war der Tagesablauf vieler Jugendlicher so: Nach der Schule gingen sie in eines der Betreuungsangebote, bekamen dort etwas zu essen, blieben zur Hausaufgabenbetreuung und gingen abends wieder nach Hause. Das ist im Moment komplett weg. Bei vielen weiß man nicht, was mit ihnen ist. Bekommen sie regelmäßig Mahlzeiten? Sitzen sie Tag und Nacht vor der Playstation? In Bilderstöckchen gibt es auch einen jungen Mann, der während des ersten Lockdowns vor Langeweile angefangen hat zu kiffen. Dann wurde es immer mehr und heute ist er in stationärer Behandlung. Die ersten Verluste sind jetzt schon da. Das ist zwar ein krasser Einzelfall, aber man muss damit rechnen, dass es kein Einzelfall bleiben wird. Die müssen wir alle wieder einfangen, wenn die Betreuung in den Organisationen wieder stattfindet.

Also kommen Sie irgendwann wieder wie im Film einmal pro Woche in den Kellerladen und sagen den Mädchen und Jungs „wenn Ihr was habt, bin ich da für euch“?

Genau. Vielleicht reicht einmal pro Woche nicht. Aber eben so oft wie erforderlich und nötig. Wenn die Jugendlichen dort sind, feiern und Basketball spielen, sollte ich mich da auch regelmäßig mal blicken lassen.

Sind Sie stabil unterm Korb?

Nein. Am Ball kann ich leider überhaupt nichts. Das muss ich noch lernen. (lacht)