Es gibt kaum einen schlimmeren Ort in Köln, an dem Kinder die harmlose Frage „Was machen die da“ stellen können: der Pavianfelsen im Kölner Zoo. Abertausende Eltern und Großeltern gerieten schon in extreme Erklärungsnot, wenn die Primaten auf dem Gehege fast beiläufig vor den Augen der Besucher kopulierten und die Kleinen wissen wollen, was da eigentlich vor sich gehe. Und das seit nun 100 Jahren.
Im Sommer 1914 wurde die Affeninsel, wie der Pavianfelsen damals hieß, eröffnet. Einst lebten 159 Mantelpaviane auf dem Areal, selbst vor drei Jahren waren es noch 150. Heute sind es 79, davon 50 Männchen. Künftig sollen es weniger als 50 Tiere sein, damit mehr Platz entsteht, erklärt Alexander Sliwa, Kurator im Zoo. „Wir müssen den Männerüberschuss eindämmen“, sagt der promovierte Biologe. Dazu werden die Geburten streng kontrolliert. Pro Jahr kommen ein bis zwei Jungtiere dazu.
Das Gebirge ist innen hohl
Bei der Eröffnung war der Felsen eine bundesweite Sensation. Zoogehege ohne Gitter und Käfige war ein neuartiges Konzept des Hamburger Tiergarten-Pioniers Carl Hagenbeck. „Bis heute ist es bei den Besuchern eines unserer beliebtesten Gehege. Ich kenne keine derartige Anlage für Affen in Deutschland“, erklärt Sliwa. Ganz ohne Käfig kommt indes auch die Kölner Insel nicht aus. Das künstliche Gebirge – ein Konstrukt aus einem Stahlgerüst, das mit Beton und Putz überzogen wurde – ist hohl. Im Inneren verbergen sich Käfigboxen, in die sich die Tiere durch kleine Öffnungen in der Außenhaut zurückziehen können. Manchmal müssen sie auch in die Gitterzimmer: Etwa wenn Unwetter drohen oder der Felsen gereinigt wird. „Paviane sind als »besonders gefährliche Tiere« eingestuft, wie Großkatzen oder Nashörner. Kein Pfleger darf das Gehege betreten, wenn noch ein Tier draußen ist“, sagt Sliwa.
Die Pfleger gelangen durch einen Tunnel unter dem gut drei Meter breiten Wassergraben in die Anlage. Paviane gelten als wasserscheu. Dennoch haben einige Tiere ihre Abneigung überwunden. „Schwimmer“, nennt Sliwa diese besonders Mutigen, die den Graben durchquerten und sich neben die Besucher setzten. Deshalb wurde ein stromführender Draht hinter dem Außenzaun installiert. In den 1960ern hätte aber auch der nicht geholfen. Damals knickte bei einem Sturm ein Baum neben dem Felsen um, stürzte gegen ihn und bot eine komfortable Brücke, erinnert sich Zoo-Archivar Wilhelm Spieß. Die Tiere büxten aus „und liefen durch die Nachbargärten“. Mit Futter seien aber alle wieder eingefangen worden.
Die roten Hintern der Paviane
Bleibt noch, einige Vorurteile aufzuklären. Die roten Hintern haben Paviane nicht vom rumsitzen. „Bei Weibchen ist der Hintern roter, wenn sie besonders fruchtbar sind. Bei Männchen ist er ein Zeichen von Kraft“, sagt Sliwa. Je ein Männchen hat einen Harem mit bis zu fünf Damen, was bei dem Kölner Männerüberschuss bedeutet, dass einige Jungs solo sind. Genau die – und nicht das ranghöchste Männchen der gesamten Horde – sitzen ganz oben auf dem Felsen, um ihre Chancen für einen eigenen Harem auszuloten. Dazu führen die Tiere mitunter blutige Kämpfe. Und die Sache mit der Kopulation? Selten gehe es dabei um Fortpflanzung, sagt Sliwa. Oft sei es eine Dominanzgeste des Männchens, oder eine Art der „Versöhnung“. Und Bananen würden die Affen tatsächlich essen, bekämen sie aber nicht, weil sie zu dick machten. Dafür gibt es für die ganze Horde täglich rund 200 Kilogramm Gemüse.
Der Felsen ist bis heute eine Erfolgsgeschichte. Während andere Zoos manchmal Tiere von hier beziehen, schafft die streng kontrollierte Zucht auf der Insel „seit Generationen gesunde Urkölner Paviane“. Aus ganz Europa kämen Studenten, um das Verhalten der Tiere zu untersuchen, weil man sie hier ausgezeichnet beobachten könne. „Ich würde den Felsen heute genauso bauen wie vor 100 Jahren“, sagt Sliwa.