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Kölner ZooPocken-Virus war für die Elefanten teils lebensbedrohlich

Lesezeit 4 Minuten

Äußerlich zeigen die Elefanten im Kölner Zoo kaum mehr Pocken-Symptome.

Riehl – Die Situation für die Elefanten war ernst, „zum Teil lebensbedrohlich“, sagt Olaf Behlert, Tierarzt des Kölner Zoos. Als im vergangenen September bei den Dickhäutern die Pocken ausbrachen, musste er mit ansehen, wie ein Tier nach dem anderen große Pusteln bekam, die mit Salbe behandelt wurden. Nässender Ausschlag, weiße Creme-Flecken überall – es war ein schauerlicher Anblick. Spätestens als der erkrankte Körper einer trächtigen Kuh das ungeborene Junge abstieß, zitterte die ganze Stadt mit den Tieren, großes Medienecho inklusive. Dann erlitt auch Marlar eine Totgeburt – ausgerechnet Marlar, Publikumsliebling und erster Elefant überhaupt, der in Köln geboren wurde, verlor nun ihr erstes Baby. Es sah nicht gut aus im Elefantenpark.

Nun aber stehen die Zeichen deutlich auf Genesung. Und zwar bei allen zwölf Tieren. Laut Behlert sind nur noch bei zwei Elefanten Pocken-Viren im Blut nachweisbar. Dank einer Therapie, über die der Arzt sagt, dass man für sie „ziemlich starke Nerven braucht“. Er entschied, nicht einzelne Patienten von der Herde zu trennen, sondern alle „kontrolliert zu durchseuchen“. Der Mediziner ging davon aus, dass ohnehin alle infiziert sind und stärkte so gleich bei jedem Elefanten das Immunsystem. Einzelne Tiere zu separieren hätte die Herde unter Stress gesetzt, was das Immunsystem der Elefanten geschwächt hätte.

Anfang September: Zwei Elefanten zeigen Pocken-Merkmale. Das Elefantenhaus wird für Besucher gesperrt. Der Zoo geht bereits jetzt davon aus, dass alle zwölf Tiere infiziert sind. Auslöser war kontaminierter Mäusekot im Futterstroh.

Ende September: Ein dritter Elefant zeigt Pocken auf der Haut.

1. Oktober: Bei nun fünf Tiere sind die Pocken ausgebrochen.

6. Oktober: Acht Dickhäutern haben Hautveränderungen.

8. Oktober: Die trächtige Elefantenkuh Maha Kumari verliert wegen der Krankheit ihr Junges.

Mitte Oktober: Allen infizierten Tieren geht es besser.

8. November Rückschlag: Marlar verliert ihr Baby. Schon der Fötus hat Pocken.

Mitte November: Alle Patienten erholen sich. Die Schwangerschaft eines dritten Tiers ist bislang nicht gefährdet.

Seit Januar: Noch zwei Elefanten zeigen minimale Symptome. Das Elefantenhaus bleibt geschlossen – seit nun vier Monaten. Zu Beginn ging der Zoo von einer Schließung von etwa vier Wochen aus. (og)

Um die Abwehrkraft anzukurbeln, hat er ihnen andere Pockenviren injiziert, damit die Tiere Antikörper gegen die Viren entwickelten. Einigen musste Behlert zudem mit einem Gewehr ein Antibiotikum unter die dicke Haut schießen, manche bekamen Schmerzmittel, „damit das Schlucken nicht so weh tut“ – denn die Mundschleimhäute waren oft besonders befallen von den Pocken. Außerdem nahm den Tieren Blut ab, extrahierte daraus die Thrombozyten – die für die Gerinnung wichtigen Blutplättchen – und träufelte das Blut zurück auf die Wundstellen: Ein Novum in der Behandlung von Zootieren, sagt Behlert, „das hat massiv geholfen“. Neben strengsten Hygienevorgaben mussten die Pfleger die Füße der Tiere regelmäßig in großen Wannen mit Kamillen-Extrakt baden. Denn lange drohte das „Ausschuhen“, das Abstoßen der Fußnägel und -sohlen. Das wäre einem Todesurteil gleichgekommen, weil die Dickhäuter dann auf rohem Fleisch stehen würden. „Bei sieben Tieren war diese Gefahr sehr groß“, sagt Behlert, dessen Berliner Akzent auch noch nach 28 Jahren im Kölner Zoo durchschlägt.

Jetzt also ist die größte Not gebannt, sagt der Arzt, alle kommen einigermaßen glimpflich davon, die beiden Kühe, die ihre Föten verloren, können wohl wieder trächtig werden. Mehr als 100 Kilogramm Heilsalbe wurde verbraucht, Hunderte Liter Kamillen-Fußbad aufgesetzt, über 300 Injektionen verabreicht.

Nach jedem Aufenthalt im Elefantenhaus wechselt das Personal komplett die Kleidung, um keinen Erreger nach draußen zu tragen. Fünf der neun Elefantenpfleger sind permanent vor Ort. „Sie haben sich extrem engagiert. Sie sind die Vertrauenspersonen für die Tiere, da komme ich als Arzt nicht ran“, sagt Behlert. Nur gegen Pocken geimpfte Pfleger durften zu den Tieren. Denn die Krankheit ist auf den Mensch übertragbar – bei direktem Kontakt mit den Wunden. „Es gibt bislang keine etablierte Pocken-Therapie“, sagt Behlert. Deshalb werde der Verlauf der Kölner Infektion künftig die Forschung beschäftigen. Vielleicht könne man daraus ermitteln, ob einmal erkrankte Tiere später immun werden, was bislang nicht eindeutig geklärt sei.

Die Pocken-Infektion war die größte Krise unter Kölner Zoo-Elefanten, weiß Behlert. Er hat den 2004 eröffneten Elefantenpark konzipiert. Der Arzt hat damals die Herde zusammengestellt, war bei der Abholung der Tiere in Myanmar, Thailand und Singapur mit dabei. Noch nie in der 155 Jährigen Geschichte des Tierparks gab es Pocken unter den Elefanten. Behlert kann sich nur an einen einzigen Fall in Köln erinnern: vor rund 20 Jahren, bei einem Zirkuselefanten in Porz. Damals endete die Sache tragisch: „Trotz extrem hohem Behandlungsaufwand: Der musste eingeschläfert werden.“