Köln – Im Aquarium des Kölner Zoos kann ein ganzer Staat betrachtet werden. Seine rund 500.000 Bürger sind wehrhaft, verfügen über enorme körperliche Kräfte, geben ohne mit dem Fühler zu zucken ihr Leben für ihre Regentin und haben beim Filmfestival in Cannes einen Goldenen Löwen gewonnen. Die Blattschneideameisen gehören zu den faszinierendsten Tieren im Aquarium. Dafür hätte es des renommierten Preises für eine Dokumentation, in der auf den Blättern, die sie ständig herumtragen und auf denen Protestaufschriften zur Rettung des Regenwald zu lesen waren, gar nicht bedurft.
Seit nun 50 Jahren sind in dem eher unscheinbaren Haus gegenüber dem Haupteingang des Zoos besondere Insekten, Fische, Reptilien und Amphibien zu sehen. Es ist eine fast vergessene Welt, weil in den Gehegen des Hauptteils des Zoos vis-a-vis die flauschigen, süßen Stars wie Elefantenbabys und Erdmännchen oft alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dabei ist das, was im Aquarium fliegt, krabbelt und schwimmt, nicht minder interessant.
Am 29. April 1971 wurde das Haus eröffnet. Dass es überhaupt das Aquarium gibt, ist einem Trick des damaligen Oberbürgermeisters Theo Burauen zu verdanken. Er setzt sich dafür ein, dass der Zoo in die Bundesgartenschau 1971 einbezogen wurde – und besorgte damit die nötigen Fördergelder, um das Aquarium zu bauen. „Mit modernen Aquarien und ihren riesigen Becken können wir nicht mithalten“, sagt Zoo-Direktor Theo Pagel.
Aber das wolle er auch nicht. „Wir möchten vor allem bedrohte Tiere zeigen und die Menschen für den Artenschutz sensibilisieren.“ Dafür seien – ohnehin umstrittene – Großbecken etwa für Wale nicht nötig.
„Damals waren die Piranhas eine Sensation“, erinnert sich Pagel. Das große Panorama-Becken, in dem die berüchtigten Raubfische mit den spitzen Zähnen damals wie heute zu sehen waren, gab es in der Form noch fast in keinem Tierpark. Überhaupt Fische.
Die Auswahl von schillernd bunten Exemplaren speziell aus Madagaskar sucht in den Zoos der Welt ihresgleichen. Selbst Korallen werden im Aquarium gezüchtet. Und zwar nicht nur, weil sie so schön anzuschauen sind. „Wir möchten damit auch auf den Klimawandel aufmerksam machen“, sagt Pagel. „Wenn das Wasser der Weltmeere noch zwei Grad wärmer wird, sterben sie ab“, erläutert Pagel.
Kölner Zoo gelingt seltene Nachzucht
Der Hinweis auf die bedrohte Natur ist ein wichtiger Bestandteil des Aquariums, wie auch auf des ganzen Zoos, sagt Pagel: Weg von der reinen Tierschau, hin zum Bildungsort. Deshalb gibt es auch ein eingerichtetes Becken, in dem kein einziger Fisch schwimmt. Dafür massig Müll. „Die Leute sollen die Schönheit der Tiere und Pflanzen sehen und erkennen: So etwas wunderbares muss erhalten werden“, sagt Pagel.
Drei Themen-Teile hat das Aquarium. Neben den Fischen gibt es das Terrarium und die Abteilung mit wirbellosen Tieren, also Insekten. Star im Terrarium ist das Philippinen-Krokodil.
Es ist die seltenste Krokodilart der Welt. Dem Kölner Zoo ist die Nachzucht gelungen, von denen einige Jungtiere zurück nach Südostasien gebracht und ausgewildert wurden. In den Katakomben des Aquariums, zu denen kein Besucher Zutritt hat, werden viele seltene Tiere gezüchtet, um sie im Rahmen von Artenschutzprojekten in ihre ursprüngliche Heimat zurückzuführen oder anderen Zoos in der Welt die Nachzucht zu ermöglichen. Dort stehen etliche Terrarien und Becken, es herrschen strenge Hygieneregeln, um die Tiere nicht zu gefährden, und der Bereich ist streng alarmgesichert, damit niemand die seltenen Exoten raubt. Der aktuelle Aquarium-Kurator Thomas Ziegler ist ein weltweit angesehener Wissenschaftler, der auch forscht und rund 120 neue Reptilien- und Amphibienarten bestimmt hat.
Der Schmetterlingsfreiflugraum, den Besucher betreten und die bunten Tiere ganz aus der Nähe sehen können, war der erste seiner Art in Deutschland. Auch der Gegenentwurf zu den filigranen Schmetterlingen ist zu sehen, allerdings sicherheitshalber hinter einer Glasscheibe. Die brasilianische Vogelspinne, die so groß ist wie ein Suppenteller. Ihr Biss ist für Menschen nicht tödlich, aber sehr unangenehm, wie Pagel erfahren musste. Bei einer Besucherführung hatte er ein Exemplar auf der Hand sitzen, und das biss zu. „Da wurde mir etwas schwindelig vor Schmerz“, erinnert sich der Direktor.
Es sind indes nicht nur Tiere aus anderen Erdteilen, denen sich das Aquarium widmet. So sind in einer Aneinanderreihung von Becken die Fische des Rheins von der Quelle bis zur Mündung zu sehen. Oder die Wechselkröte, die auch in Köln heimisch ist.
„Mit den richtigen Informationen kann man auch unscheinbare Tierarten wie die Zulu-Seenadel für die Menschen interessant machen“, sagt Pagel. Momentan kann der Zoo indes keinen Besucher für irgendetwas begeistern. Zoo und Aquarium sind wegen der Corona-Pandemie bis auf weiteres geschlossen.