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Verunreinigtes Präparat31-Jährige sagt gegen Apothekerin im Kölner Glukose-Prozess aus

Lesezeit 3 Minuten
Die Heilig-Geist-Apotheke in Longerich direkt am Heilig-Geist-Krankenhaus.

Der Glukose-Prozess gegen eine wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Apothekerin ging in die nächste Runde.

Eine Apothekerin soll den Tod beziehungsweise die Körperverletzung zweier Kundinnen fahrlässig verursacht haben. Nun sagte eine Zeugin aus.

Am 11. September 2019 ging eine junge Frau mit einem Rezept ihres Gynäkologen in die Heilig-Geist-Apotheke in Longerich, um sich ein Präparat für einen Routinetest auf Schwangerschaftsdiabetes zu besorgen. Weil der Staatsanwaltschaft zufolge ein Lieferengpass herrschte, bekam sie keine fertige Glukoselösung ausgehändigt, sondern ein Tütchen mit einem Pulver, das in der Apotheke abgefüllt worden war. Was die Kundin nicht ahnte: Es enthielt nicht nur Traubenzucker, sondern auch das Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid.

Das aufgelöste Pulver schmeckte ungewöhnlich bitter

Eine Woche darauf suchte sie die Praxis des Frauenarztes in unmittelbarer Nachbarschaft der Apotheke und des Heilig-Geist-Krankenhauses auf. Dort wurde das Pulver in Wasser aufgelöst. Sie nahm einen Schluck und wunderte sich, dass die Lösung bitter schmeckte anstatt süß, wie sie es von Tests während ihrer ersten Schwangerschaft gewohnt war. Sie weigerte sich, einen weiteren Schluck zu nehmen. Kurz darauf hatte sie ein Taubheitsgefühl auf der Zunge, bekam Atemnot, es folgten Krampfanfälle, sie verlor das Bewusstsein.

Nach einer ersten Versorgung durch den Arzt kam sie ins benachbarte Krankenhaus. Die Ursache der heftigen körperlichen Reaktion blieb zunächst unklar. Die Patientin und der Fötus überlebten. Anders als eine 28-jährige Frau, die am 19. September eine Lösung mit dem vergifteten Pulver aus der Apotheke zu sich nahm. Sie und ihr Baby, das mit einem Notkaiserschnitt auf die Welt geholt wurde, starben.

Angeklagte Apothekerin soll fahrlässig gehandelt haben

Am Donnerstag sagte die heute 31-jährige Frau aus Odenthal, auf deren Aussage die obige Schilderung beruht, im Prozess gegen die Apothekerin aus, der zweierlei vorgeworfen wird. Zum einen soll sie durch Fahrlässigkeit den Tod beziehungsweise die Körperverletzung der beiden Kundinnen verursacht haben, indem sie versehentlich Gefäße verwechselte und so Glukose-Monohydrat mit jenem Betäubungsmittel verunreinigte.

Zum anderen wertet die Staatsanwaltschaft das weitere Vorgehen der 52 Jahre alten Angeklagten als versuchten Mord: Pflichtwidrig habe sie das behandelnde Krankenhaus nicht über die Möglichkeit einer Vergiftung informiert: „Obwohl sie von der konkreten Lebensgefahr wusste, nahm sie keinen Kontakt mit der Klinik auf.“ Die Verteidiger weisen die Vorwürfe zurück.

Krankenhaus soll Verdacht nicht ernst genommen haben

Die Zeugin sagte, nachdem sie mit Befremden auf den Geschmack der Lösung reagiert habe, sei eine Arzthelferin in die Apotheke gegangen, um sich zu erkundigen, ob mit der Glokoseabfüllung etwas nicht stimme; sie sei mit der Information zurückgekommen, das Pulver könne „manchmal bitter schmecken“. Doch die Verschlimmerung des Zustands der Schwangeren sprach für sich. Im Krankenhaus habe man ihren Verdacht, die Abfüllung sei die Ursache, nicht ernst genommen und nach anderen Faktoren gesucht, sagte sie vor der 11. Großen Strafkammer.

Bei allem sei es ihr auch darum gegangen, dass keiner anderen schwangeren Frau das Präparat verabreicht werde, betonte sie. Eine Aussage, die ihr Mann im Zeugenstand bestätigte. Im Sinne seiner Frau habe er die Apotheke aufgesucht, um darum zu bitten, „die Substanz aus dem Verkehr zu ziehen“ - vergeblich, man habe ihn hinauskomplimentiert.

Wenige Tage später habe eine Mordkommission bei ihnen angerufen – da waren die andere Frau und ihr Säugling gestorben und die Ermittler am Zug. Groß war die Sorge des Ehepaars, sein zweites Kind könnte Schäden davongetragen haben. Doch es kam gesund zur Welt. „Als ich es auf dem Arm hatte, war ich voller Dankbarkeit“, sagte die Mutter.

Zu den Zeugen, die am Donnerstag gehört wurden, zählte auch ein Notarzt der Berufsfeuerwehr Köln, die über besondere Reanimationsgeräte verfügt. Deshalb war der Arzt ins Krankenhaus gerufen worden, wo die 28-Jährige, deren Kreislauf stillstand, um ihr Leben kämpfte. Wäre der Zusammenhang mit der Einnahme der verunreinigten Glukose bekannt gewesen, hätte man mit Hilfe eines mobilen Labors „relativ schnell herauskriegen“ können, welche Substanz beigemischt war, sagte der Mediziner. Dann hätte man auch das Gegenmittel festlegen können. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.