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Mein VeedelJockey Andrasch Starke liebt die Rennbahn in Weidenpesch

Lesezeit 6 Minuten

Andrasch Starkes Arbeitsplatz sind die Galopprennbahnen der Welt. Seine Heimstrecke ist natürlich Weidenpesch.

Weidenpesch – „Kommen Sie zur Rennbahnstraße 100, das ist für mich das Herzstück meines Veedels, hier habe ich…. “. Das Satzende geht im Rauschen unter, die Verbindung ist schlecht, schließlich bricht sie ab. Egal, der Termin steht fest, und das ist wie ein Secher im Lotto, denn Andrasch Starke, der Meister-Jockey, ist immer unterwegs, er arbeitet rund um die Uhr.

Arbeit heißt: jeden Tag umfangreiche Trainingseinheiten mit den Pferden; hinzu kommen dann die Galopprennen: Sonntag in Krefeld, Dienstag in Mülheim, Mittwoch in York, Donnerstag und Freitag in Paris. Samstag in Düsseldorf, Sonntag in Berlin und Montag in Köln und dann wieder von vorne.

2.480 mal auf dem Podest

Der 44–Jährige ist Deutschlands erfolgreichster Jockey. Die wichtigsten Rennen der Welt hat er schon gewonnen. Das „Derby“ in Hamburg, die „King George VI and Queen Elizabeth Stakes“ in Ascot, den „Prix de l’Arc de Triomphe“ in Paris.

Bei Adolph’s gibt es manchmal ein Teilchen, aber nur einen Bissen....

Unglaubliche 2.480 mal stand Starke bisher ganz oben auf dem Podest. Bei jeder Siegerehrung gab es nicht nur Shakehands, auch von der Queen, Schulterklopfen und sechsstelliges Preisgeld, sondern auch Trophäen aus Gold und Silber. „Am Anfang habe ich sie alle in meinem Kölner Wohnzimmer in einer Vitrine ausgestellt, bei Bedarf fleißig das Silber geputzt. Aber irgendwann wurde der Schrank zu klein und ich habe die Schätze an einem sicheren Ort deponiert“, sagt der Jockey augenzwinkernd und öffnet das Tor zu seinem ganz persönlichen Veedel. „Hier ist mein Zuhause, hier auf der Rennbahn habe ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht.“

Wir sind im Stall Asterblüte. Obwohl hier 120 Rennpferde in ihren Boxen stehen ist es mucksmäuschenstill. „Die sind jetzt müde und halten ihren Mittagsschlaf, denn von 7 bis 12 Uhr wird trainiert“, erzählt Starke. Und als ob die Tiere seine Stimme erkennen würden, schaut hier und da dann doch ein Pferdekopf aus der Box. „Das ist «Sound Check», der hat Pfingsten im Berliner Hoppegarten 60.000 Euro gewonnen. Eines der aktuell besten Rennpferde gehört dem Möbelfabrikanten Ostermann. Ich versuche aber, alle gleich zu behandeln. Am liebsten reite ich Pferde, die Spaß an der Arbeit haben, so wie ich.“

In vier Jahren soll Schluss sein

Sehr leise, fast schleichend geht der 167 Zentimeter große Mann an den Boxen vorbei und steuert dann ein flaches weißes Gebäude an, das Büro des Rennstallbesitzers Peter Schiergen. Die Empfangshalle ist ein Starke-Museum, an den Wänden die Chronologie seiner größten Erfolge. Wohin man schaut, immer wieder Jockey Starke in Siegerpose auf Danedream, der englischen Vollblutstute. „Hier können Sie sehen, weshalb mir dieses Veedel so viel bedeutet. Mit 40 wollte ich eigentlich mit dem Galoppreiten aufhören, jetzt bin ich 44 und reite immer noch. Es wurde eben nicht schlechter. Jetzt noch vier Jahre, dann höre ich wirklich auf! Ich möchte nicht den Zeitpunkt verpassen, dass es nicht am Ende nur noch Flauten gibt. Die größten Momente, 2011 und 2012 mit Danedream, sind eh nicht wiederholbar“, sagt Starke.

Der stampfenden Hufe der Rennpferde waren früh der Traum Starkes.

Wir verlassen die Stallungen und gehen Richtung Zuschauertribüne. Es ist eine imposante Holz-Eisen-Konstruktion, die Ende des 19. Jahrhunderts vom Architekten Otto March errichtet wurde und heute unter Denkmalschutz steht. „Als ich mit 15 Jahren aus Hamburg nach Köln kam, um meine Ausbildung zum Jockey zu machen, da habe ich abends gerne auf den Stufen der Tribüne gesessen. Mit geschlossenen Augen stellte ich mir vor, wie der Pulk der Vollblüter mit Tempo dem Ziel entgegendonnert. Eine enorme Wucht, als käme eine Herde Wildpferde aus dem Wilden Westen.“

Seit seiner Ausbildung habe er, aus Zeitmangel, nie wieder auf der Tribüne gesessen, aber sie sei ihm ans Herz gewachsen. In Japan seien die Tribünen zwar 600 Meter lang und hätten Platz für 140 000 Zuschauer und die in Dubai kosteten Milliarden, aber die Weidenpescher besteche durch Charme und ganz viel Tradition, berichtet der Wahlkölner. „In den 60er und 70er Jahren war Weidenpesch das Mekka der großen Legenden des Galopprennsports, wie Hein Bollow, oder Sven von Mitzlaff. Hier sind sehr viele der großen Stargalopper trainiert worden, wie auch Danedream. Mit ihr habe ich die größten Rennen weltweit gewonnen und 3,6 Millionen Euro Preisgeld eingespielt.“

Die Rennkleidung ist Hightech

Wir verlassen die Rennbahn an den Kassenhäuschen, wo so mancher Laie ins Wettgeschäft eingestiegen ist und vielleicht auch süchtig danach wurde, und landen auf einem großen staubigen Parkplatz. Hier findet an drei Tagen in der Woche seit fast 20 Jahren ein riesiger Flohmarkt statt. Doch das ist nicht die Welt von Andrasch Starke. Zum Shoppen, Ausgehen oder Flanieren hat der Mann keine Zeit.

Der Trainingsplan hängt im Stall an der Wand.

„Meine Rennkleidung kaufe ich nicht in Weidenpesch. Ob Dress, Rennhosen, Sicherheitsweste, Rennstiefel und Helm, alles zusammen darf maximal 1.000 Gramm wiegen, das ist Hightech. Der Sattel aus Karbon bringt 400 Gramm auf die Waage und die Steigbügel sind aus Flugzeugmaterial. Das gibt es nicht in einer normalen Sattlerei.“ Das Leben als Jockey scheint nicht ganz so federleicht wie seine Ausrüstung, die er von Spezialisten aus den USA, Japan und Australien bezieht. Er ist zwar immer auf Trab, aber nur selten in Sachen Freizeit. Wir erreichen die Neusser Straße, die Hauptverkehrsachse durch Weidenpesch . Ich bin gespannt, was Starke in seinem Veedel außer Rennbahn noch interessiert.

Maximal 53 Kilo Lebendgewicht

„Ich muss 365 Tage im Jahr mein Gewicht halten. 54 Kilo im Sattel ist Vorschrift, das heißt ich darf am Renntag maximal 53 Kilo wiegen, denn dann kommt ja noch die Rennkleidung mit Sattel hinzu. Aber Weidenpesch hat auch keine große Auswahl an tollen Restaurants, deshalb ist die Versuchung eigentlich minimal.“ Wenn er mal ins Restaurant geht, dann mit Kollegen oder Freunden ins „Schlüters“ oder in die „Alte Zollgrenze“. Seit den 60er Jahren waren das die Treffpunkte der Galopperszene – Trainer, Jockeys, Pferdebesitzer waren hier Stammgäste. Besonders die „Alte Zollgrenze“ sei unter Pferdeleuten über die Grenzen Kölns hinaus bis heute eine Institution.

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Zur großen Überraschung ist die letzte Station dann aber die Bäckerei Adolph’s. Die Verkäuferin kennt den drahtigen Mann, an dem kein Gramm Fett zu sehen sind. Brot würde er nie kaufen, aber ab und an ein Croissant oder ein Teilchen, sagt sie. „Ich beiße da aber nur rein, einfach himmlisch. Ganz aufessen, das wäre einfach unvernünftig, denn wenn ich mal schwach werde, habe ich sofort zwei Kilo mehr, dann muss ich mich mühsam wieder auf die 53 Kilo zurückkämpfen.“

Mit Soundcheck geht er meist ins Rennen.

Das Renngewicht könne er nur mit viel Disziplin, Sport und wenig Kohlenhydraten halten. Er trinke meistens stilles Wasser, nach dem Rennen auch mal einen Schluck Cola. Seinen Kölsch-Verbrauch im Jahr könne er aber an einer Hand abzählen. Beim Verabschieden ist ihm noch wichtig zu betonen, dass sein Veedel die grüne Lunge der Stadt sei. Neben dem Weidenpescher Park mit der Rennbahn und den Sportanlagen des VfL Köln 1899, dem ältesten Fußballverein der Stadt, gebe es noch den riesigen Nordfriedhof und das Naturschutzgebiet Ginsterpfad, aber das Highlight seien natürlich die Galopprennen.