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Kölner LieblingsbüdchenIm Simsalabim gibt es alles zum Schreiben und Basteln

Lesezeit 20 Minuten

Stofftier- und Kartenparadies: Ruth Schnüttgen-Bruns in ihrem Laden an der Landmannstraße.

KölnWas würde man ohne sie machen? Ohne Büdchen kein Büdchen-Bier, keine Zutaten für den Kuchen, der unbedingt noch nach 22 Uhr gebacken werden muss. Wir stellen in einer Serie Kioske aus den verschiedenen Kölner Veedeln vor und zeigen auf, was sie ausmacht.

Zu den Institutionen, die aus der Landmannstraße nicht wegzudenken sind, zählt der Laden mit dem geheimnisvollen Namen „Simsalabim“. Seit vielen Jahrzehnten versorgen sich die Neuehrenfelder hier mit Nachrichten, Schreibwaren und Bastelmaterial sowie der Hoffnung auf die richtigen Tipps bei Glückszahlen oder Sportergebnissen. Ruth Schnüttgen-Bruns führt das Geschäft seit mehr als 25 Jahren.

Ihr persönlicher Lieblings-Artikel? Ihr originellstes Produkt?

Das sind eindeutig die Sparschweine. Ich habe sie bei meinem Lieferanten in Holland entdeckt. Sie sind auch bei den Kunden sehr beliebt, werden also gern mal als Mitbringsel gekauft.

Ihr kuriosestes Erlebnis als Büdchenbesitzerin?

Ich bin mal privat an einem Sonntagmorgen angerufen worden und jemand machte mich darauf aufmerksam, dass die Ladentüre nicht abgeschlossen war. Aufgefallen ist das dadurch, dass sich jemand – warum auch immer – von außen an die Türe gelehnt hatte und die dann aufging. Ich bin natürlich schnell zur Landmannstraße gefahren und habe abgeschlossen. Geklaut wurde übrigens nichts.

Ihr schönstes Erlebnis mit einem Kunden?

Es gibt da ein Ehepaar. Das kommt seit Jahren täglich immer kurz vor Ladenschluss, kauft Zeitungen und hält dann noch ein Schwätzchen. Darauf freue ich mich jedes Mal. Wenn die mal nicht mehr kommen, würde ich wirklich etwas vermissen.

Ihr treuester Kunde?

Da gibt es so viele. Wir haben doch gefühlt 95 Prozent Stammkundschaft. Man weiß inzwischen auch recht viel aus deren Leben.

Worüber wird vor oder im Büdchen diskutiert?

Oft sind es persönliche Dinge, aber auch, dass es so wenige Parkplätze im Viertel gibt, über Radfahrer wird geschimpft und darüber, dass es keine Post mehr in der Nähe gibt.Was mögen Sie an Ihrem Job – und was nicht?Der Kontakt zu den Menschen ist mir sehr wichtig, und ich mag das auch sehr. Der Schreibkram, also die ganze Buchhaltung rund um das Geschäft, ist nicht so meins.

Was haben Sie gemacht, bevor Sie dieses Geschäft übernahmen?

Nach meinem Studium war ich in der Ausbildungsleitung in einem Unternehmen.

Wie sind Sie auf den Kiosk gekommen?

Nach dem Tod meines Bruders, der dieses schon lange etablierte Geschäft Ende der 1980er Jahre übernommen hatte, bin ich in die Branche eingestiegen.

Wie macht sich das Veedel um Sie herum?

Es ist hier immer relativ gleich geblieben. Aber gerade weil das so ist, gefällt es den Leuten, die hier wohnen oder die zu Besuch kommen. Ich stelle fest, dass vermehrt junge Familien her ziehen. Das merke ich am Absatz von Spiel- und Schreibwaren.

Was wünschen Sie sich für Ihr Veedel?

Es soll so bleiben, wie es ist. Dabei denke ich auch an die Einkaufsmöglichkeiten, also dass der gute Mix an Geschäften noch lange erhalten bleibt.

Wie schlagen Sie die Zeit tot, wenn keine Kundschaft da ist?

Es ist immer etwas zu tun. Ware muss nachgefüllt oder nachbestellt werden, vielleicht gibt es was zu putzen. Also Langeweile habe ich nie im Laden.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für Ihren Kiosk, welcher wäre das?

Dass so ein Laden wie dieser hier trotz der immer schwierigeren Umstände, wie beispielsweise der Online-Handel, noch lange weiterexistieren kann.

Das Büdchen

Adresse: Simsalabim – Schreib- und Spielwaren, Landmannstraße 25, Neuehrenfeld

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 9 bis 13 Uhr; 14.30 bis 18.30 Uhr; Samstag 9 bis 14 Uhr.

Von Heribert Rösgen

Das mädchenhafte Kiosk vom Brüsseler Platz

Shirin Shaghaghi schenkt im Kölnkiosk auch Kaffee aus.

Im Alter von neun Jahren kam Shirin Shaghaghi mit ihren Eltern aus Teheran nach Köln und lebte fünf Jahre in einer Flüchtlingsunterkunft in Poll. Für sie erst recht ein Grund, sich bei dem Land, das sie aufgenommen hat, zu revanchieren und einen Platz zum Wohlfühlen zu schaffen.

2005 hat die Iranerin den mädchenhaften „Kölnkiosk“ gegründet und stetig weiterentwickelt. Vor vier Jahren musste sie umziehen, in einen kleinen zweigeteilten Laden in der Brüsseler Straße 39-41. Den geteilten Raum nutzt sie, um auch ein unterschiedliches Angebot zu präsentieren. Obwohl es ein und derselbe Kiosk ist, gibt es zwei Eingänge, die verschieden beschildert sind.

Der linke Eingang führt zum traditionellen Kioskbereich „Kölnkiosk“, der mit reichlich Lesematerial, Zigaretten und Süßigkeiten bestückt ist. Der rechte Eingang, überschrieben mit „Hunger & Durst“, führt zu flüssigen und festen Köstlichkeiten, die zum Großteil in der eigenen Küche hergestellt werden. Genaueres erzählt Shirin Shaghaghi bei einem Kaffee, verfeinert mit Mandelmilch.

Was gibt es nur im Kölnkiosk?

Mich (lacht herzhaft)! Und mein Herzblut, das ich hier reinstecke. All meine Produkte sind Bioprodukte, ohne Konservierungsstoffe, auch unsere Süßigkeiten und Chips. Unsere Baguettes, Suppen, vegane Alternativen und frischen Säfte werden von meiner Köchin gemacht. Unser Fleisch beziehen wir sogar vom Biometzger aus Porz. Ich achte sehr auf Regionalität und Originalität bezüglich meiner Produkte. Ich suche besondere Zeitschriften für meine Kunden aus und passe mich auch gerne an, wenn sie sich etwas Spezielles wünschen.Ihr originellstes Produkt?

Wir verkaufen einen Eistee, der von einem Studenten der Sporthochschule Köln entwickelt wurde (Opa Alfis).

Ihr schönstes Erlebnis mit Kunden?

Als ich nach acht Jahren aus meinem alten Laden in den neuen gewechselt bin, haben wir den Umzug innerhalb von einem Tag und einer Nacht absolviert. Als ich dann am nächsten Morgen meinen neuen Laden für den Betrieb geöffnet habe, standen all meine alten Stammkunden vor der Tür und haben gejubelt und geklatscht. Dabei war gar keine Eröffnungsfeier geplant. Diese Geste hat mir so viel bedeutet, dass ich sogar weinen musste. Eine größere Bestätigung kannst du nicht bekommen.

Ihr langjährigster Kunde?

Es ist ein Mann, der vom ersten Tag an bei mir einkauft: Zeitungen, Zigaretten und Kinder-Zeitschriften für seine Tochter. Sein Einkauf hat sich gesteigert, sein Redepensum hingegen nicht. Er ist zwar sehr nett, aber unglaublich wortkarg und zurückhaltend. Doch an Silvester war ich nach meiner Schicht um 5 Uhr morgens noch tanzen, und dort ist er mir dann auch begegnet, fiel mir in die Arme, drückte mich und sagte „So muss ein Kiosk sein. Täglich lange arbeiten und danach noch feiern gehen!“ Dann gab er mir einen Kuss auf die Wange und wir haben weitergefeiert. Da kam er zum ersten und einzigen Mal richtig aus sich heraus. Das war ein wirklich echt wirkendes Kompliment.

Worüber wird vor oder im Büdchen diskutiert?

Hier wird viel über das Leben und Beziehungen gesprochen. Man muss nicht mit einem Gesprächspartner herkommen, wenn man ein schönes Gespräch führen will. Es findet sich immer jemand zum Reden.

Ihr Leben vor dem Kiosk?

Ich habe nach dem Abitur begonnen, Betriebswirtschaftslehre in Essen zu studieren, aber das lag mir überhaupt nicht. Eigentlich wollte ich immer einen eigenen Kiosk haben. Als ich mit 18 Jahren einen Nebenjob in einem Kiosk angefangen habe, war es Liebe auf den ersten Blick. Ab diesem Tag wusste ich: Ich will auch einen eigenen Kiosk.

Wie macht sich das Veedel um Sie herum?

Es ist spannend, anders, kreativ und verrückt. Man kann hier so sein, wie man Lust hat, man wird dafür nicht verurteilt. Außerdem gibt es einen hundertprozentigen Zusammenhalt, was meine Kundschaft und Köln betrifft. Bei diesem Gedanken wird mir immer ganz warm ums Herz.

Wie schlagen Sie die Zeit tot, wenn keine Kundschaft da ist?

Früher habe ich viel telefoniert. Jetzt verschicke ich höchstens Nachrichten. Am liebsten setze ich mich kurz hin, um in Ruhe einen Kaffee genießen zu können.

Das Büdchen

Kölnkiosk, Brüsseler Straße 39-41

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag von 6 bis 22 Uhr

Von Esra Laubach

Beim AN Zentrum Kiosk muss die Politik draußen bleiben

Tunahan Karaognu in seinem Büdchen an der Merowinger Straße

Was im ersten Moment in die sprachliche Irre zu führen scheint, ist eigentlich eine kulturelle Herzlichkeit aus türkischen und deutschen Wörtern. „An“ ist türkisch und bedeutet „Augenblick“. „Frei übersetzt lautet der Name des Kiosks in der Merowinger Straße 14 Zentrum des Augenblicks“, erklärt der stellvertretende Geschäftsführer Tunahan Karaognu.

Der 19-Jährige übernimmt regelmäßig die Geschäfte seines Vaters Muhammet Ali Karaognu, der den AN-Zentrum-Kiosk vor acht Jahren gegründet hat. Mittlerweile ist daraus eine GmbH entstanden, denn aus einem Kiosk wurden mit der Zeit drei Filialen – eine in Bocklemünd und zwei in der Südstadt.

Was gibt es nur hier?

Wir haben unseren eigenen Energydrink namens „By Burt 69“. Den Namen haben wir von der Heimatstadt meines Vaters abgeleitet „Bayburt“, deren Autokennzeichen mit der Nummer „69“ versehen ist. Mit dem Energydrink wollen wir ein eigenes Kiosk-Image aufbauen, das auch jungen Menschen gefällt. Was es auch nur hier gibt, sind 34 unterschiedliche Chipssorten.

Ihr kuriosestes Erlebnis mit einem Kunden?

Einst wollte ein Kunde unbedingt eine Zigarette kaufen – nur eine. Allerdings dürfen wir nicht keine einzelnen Zigaretten verkaufen, sondern nur ganze Päckchen. Ich musste lange mit ihm diskutieren, bis er das verstand. Schließlich hat er sich doch ein Päckchen gekauft, sich aber nur eine Zigarette rausgenommen und den Rest im Kiosk gelassen. Kurios.

Worüber wird vor oder im Büdchen diskutiert?

Am meisten sprechen unsere Kunden über den Kiosk und unsere Produktpalette. Über Politik wurde auch hin und wieder gesprochen, aber das wurde uns zu temperamentvoll, so dass wir unsere Kunden bitten, sich draußen zu unterhalten, sobald etwas Politisches aufkommt. Der Türkei-Deutschland-Konflikt sorgt immer wieder für erhitzte Gemüter, und wir wollen ein friedlicher Kiosk bleiben.

Was mögen Sie an Ihrem Job – was nicht?

Gut ist, dass man immer auf dem Laufenden bleibt, wenn man in einem Kiosk arbeitet. Wegen der vielen Zeitungen und der Kunden, die einem viel über das Geschehen im Veedel und in der Stadt erzählen. Und es ist schön zu merken, wie die Stammkundschaft sich erweitert. Was ich natürlich nicht mag ist, wenn ich einem Kunden nicht das verkaufen kann, was er möchte. Weil das Produkt aus ist oder wir es nicht im Sortiment haben.

Ihr Leben vor dem Kiosk?

Ich bin direkt nach der Schule in den Kiosk meines Vaters eingestiegen.

Wie macht sich das Veedel um Sie herum?

Wir wachsen mit unserem Veedel zunehmend zusammen. Auch deshalb, weil wir offen Kritik erfahren. Nur so können wir unsere Fehler korrigieren – und dafür sind wir sehr dankbar. Ich habe das Gefühl, in der Südstadt leben viele klar denkende Menschen. Sie sind argumentativ sehr gut aufgestellt, tolerant und gebildet. Aber grade an Karneval sollten sie nur so viel trinken, wie sie auch vertragen. Denn Betrunkene randalieren hier ab und an mal. Das ist natürlich nicht schön.

Wie schlagen Sie die Zeit tot, wenn keine Kundschaft da ist?

In einem so großen Laden findet man eigentlich immer etwas zu tun. Zum Beispiel die Mindesthaltbarkeitsdaten durchzugehen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für Ihren Kiosk, welcher wäre das?

Wir würden vor dem Kiosk gerne Tische aufstellen. Das geht aber leider nicht. Da wir kein Gastronomiebetrieb sind, bekommen wir keine Genehmigung dafür. Ein Stehtisch ist kein Problem, den haben wir auch. Aber mit Tischen und Stühlen wäre es gemütlicher.

Von Esra Laubach

Riehler Kiosk am Zoo hat Alkohol aus seinem Sortiment verbannt

Es war manchmal laut. Und es ging zuweilen etwas grob zu. Bevor Kürsat Ciftci das Traditions-Büdchen am Riehler Plätzchen, das längere Zeit geschlossen war, im April vergangenen Jahres übernommen hat, herrschte auf der Fläche zwischen der Montessori-Grundschule und dem Nebeneingang des Zoos nicht durchweg eine entspannte Atmosphäre.

Kürsat Ciftci betreibt den Kiosk seit April 2016.

Sein Kiosk habe maßgeblich dazu beigetragen, dass auf den Sitzbänken an diesem Platz deutlich weniger Alkohol konsumiert und anschließend herumgepöbelt werde: "Die Passanten fühlen sich wieder wohl", berichtet der 37-Jährige glücklich.

Was kann man im Riehler Büdchen kaufen?

Wichtig ist vor allem genau das, was wir hier bewusst nicht verkaufen: Von Zeitungen und Zeitschriften über Zigaretten, Eis, Schokolade und kleinen Spielzeugen führen wir alles - alles außer Alkohol. Als wir das Büdchen gerade übernommen hatten und renovierten, haben uns Anwohner gewarnt, dass hier viele alkoholkranke Menschen einkauften und auch verweilten - die Anwohner fühlten sich nicht richtig wohl. Wir wollten das ändern. Unsere Kinder sind unsere Zukunft und sie sollten den Alkoholkonsum nicht jeden Tag beobachten müssen und es irgendwann als normal betrachten. Da ist uns der Umsatz egal. Außerdem sind unsere Kunden jetzt zufrieden und können sich auch mal wieder gemütlich am Riehler Plätzchen hinsetzen.

Ihr kuriosestes Erlebnis als Büdchenbesitzer?

Ein Vater kam mit seinem fünf Jahre alten Sohn vorbei und wollte für ihn einen "Schleim" kaufen, den der Kleine so gerne haben wollte. Der glibberige Kassenschlager befindet sich in einem kleinen Plastiktöpfchen, das der Herr dann auch mitnahm. Nach fünf Minuten kam er zurück und sagte: "Das schmeckt überhaupt nicht, können wir ein anderes kaufen?" Da war ich natürlich erstmal schockiert. Der Schleim ist ein Spielzeug und definitiv nicht zum Essen geeignet. Das habe ich ihm auch gesagt, und wir haben dann noch herzlich gelacht.

Was mögen Sie an ihrem Job?

Wir haben eine sehr freundliche Kundschaft, der wir immer gerne behilflich sind. Persönliche Hilfe beim Einkauf ist uns sehr wichtig, das unterscheidet uns von den großen Supermärkten. Das mögen die Leute - und ich auch.

Was haben Sie vorher beruflich getan?

Ich bin vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen und habe unter anderem in einer Reinigungsfirma gearbeitet. Doch als ich große gesundheitliche Probleme bekam, war nach Anraten meines Arztes das Arbeiten kaum noch möglich. Doch ich wollte unter keinen Umständen staatliche Hilfe beanspruchen. Als Selbstständiger kann ich nun entscheiden, wieviel ich arbeiten kann - meine Familie hilft hier mit.

Wie entwickelt sich das Viertel?

Es ist wie ein kleines Dorf: Die einen sitzen auf der Bank und unterhalten sich, die anderen gehen mit ihrem Hund spazieren - das Veedel ist sehr harmonisch. Dabei spielt Nationalität nie eine Rolle. Wir sind hier Mensch. Das ist wirklich toll.

Wenn Sie einen Wunsch für ihr Kiosk frei hätten, welcher wäre das?

Ich würde gern modernisieren, zum Beispiel Toilettenanlagen für meine Mitarbeiter und Gäste anbieten. Schön wäre es auch, Sesamringe und Börek, türkische Spezialitäten, zu verkaufen. Aber ich kann die Hygienebestimmungen, die solche Lebensmittel betreffen, aus Platzgründen nicht erfüllen. Schade, denn dann wäre der Kiosk richtig rentabel. Wenn man keinen Alkohol verkauft, merkt man das schon am Umsatz. Aber uns ist Geld nicht so wichtig wie die Kinder.

Adresse und Öffnungszeiten

Die Kreuzung von Stammheimer Straße und Riehler Gürtel, Stadtteil: Riehl

Montags bis freitags von 7 bis 20 Uhr, samstags und sonntags von 8 bis 20 Uhr

Von Esra Laubach

Kiosk 16 – „Die Kunden haben uns immer unterstützt. Es ist herzergreifend“

Vahide Bromandian hat neben Tabak und Alkohol auch Zahncreme und Shampoo.

Auf engen 17 Quadratmetern verkauft Vahide Bromandian alles, was das Herz begehrt. Die Iranerin hat den Kiosk "16" im November 2014 mit ihrem Mann Ali Tahery übernommen und führt seither eine fidele Begegnungsstätte in Deutz. Die wichtigste Erfahrung war die mit Stammgast Herrn Schmitz - noch vor der Eröffnung. Das Paar war dabei, den Kiosk einzurichten, als Schmitz dort ein Bier kaufen wollte. "Wir hatten noch keine Preise für die Artikel festgelegt. Da habe ich kurzerhand 1,80 Euro verlangt", erzählt Tahery. Doch er hatt die Rechnung ohne Herrn Schmitz gemacht. Der informierte die frisch gebackenen Besitzer über "angemessene" Preise am Büdchen. Ihm haben es die anderen Gäste nun zu verdanken, dass Bier nun 1,50 Euro kostet.

Was kann man im Kiosk "16" kaufen?

Außer Tageszeitungen, Alkohol, und Zigaretten verkaufen wir auch Zahncreme, Shampoo, und Präservative. Meine Lieblingsartikel sind das Buch über die Traditions-Gaststätte Lommerzheim sowie unsere Postkarten. Kopfschmerztabletten und Tampons zählen wohl zu den originelleren Dingen, die wir führen.

Ihr kuriosestes Erlebnis als Büdchenbesitzer?

Schon mehrfach haben mir Kunden beim Bezahlen Zehn-Euro-Scheine in die Hand gedrückt und bei Rückgabe des Rückgeldes behauptet, sie hätten mir 50 Euro gegeben. Da war die Polizei natürlich involviert. Seitdem halte ich das Geld des Kunden solange in der Hand, bis ich ihm das Rückgeld gegeben habe.

Ihr schönstes Erlebnis mit Ihren Kunden?

Wir wurden einmal ausgeraubt, hatten dann fast nichts mehr im Laden und kaum Rücklagen, um wieder vernünftig aufzustocken. Da haben unsere Nachbarn und Stammkunden uns finanziell ausgeholfen, was wir natürlich auch zurückgezahlt haben. Aber in den folgenden Wochen haben sie dann auch vermehrt bei uns eingekauft und Trinkgeld dagelassen, damit wir wieder auf die Beine kommen. Das war herzergreifend. Ein anderer Stammkunde hatte uns kostenlos eine Alarmanlage mitgebracht und sogar installiert, das ist einfach toll hier. Wie in einer großen Familie.

Ihr treuester Kunde?

Das ist Herr Schmitz, der uns von Anfang an begleitete, uns alles über das Veedel erzählte und die Preise mitbestimmt hat. Er kennt immer den neuesten Klatsch und Tratsch aus Deutz. Es bleibt ihm nichts verborgen.

Worüber diskutieren Ihre Büdchen-Besucher?

Da ich studierte Psychologin bin, sprechen die Menschen gerne mit mir über ihre Probleme. Sie schimpfen über ihren Chef, erzählen von ihrem Tag und ihrer Familie. Aber oft sind es auch die Themen der Zeitungs-Titelseiten, also meist sehr aktuelle Themen, die die Menschen bewegen.

Was mögen Sie an Ihrem Job - und was nicht?

Ich liebe den Kontakt mit den Kunden. Wir haben ein wirklich vertrauensvolles, freundschaftliches Verhältnis. Das macht mich glücklich. Was ich aber wirklich nicht mag, ist das Verkaufen von Alkohol und Zigaretten. Das macht krank, und das sage ich meinen Kunden auch immer wieder.

Was haben Sie vorher gemacht?

Ich habe Psychologie studiert und eine Ausbildung als Informatikerin gemacht. Mein Mann hatte eine große Druckerei und war Fotograf.

Wie sind Sie zum Kioskbesitzer geworden?

Mein Mann wurde krank und da haben wir finanzielle Probleme bekommen. Doch der Lebensunterhalt muss gesichert sein, schließlich haben wir auch zwei kleine Mädchen. Und da Ali zehn Jahre Erfahrung als Kioskbesitzer hatte, lag das auf der Hand.

Was wünschen Sie sich für Ihr Veedel?

Deutz ist wie ein kleines Dorf. Die Leute kennen einander und alles spricht sich rum. Ich bin sehr zufrieden hier und würde erstmal nichts ändern wollen.

Wie schlagen Sie die Zeit tot, wenn keine Kundschaft da ist?

Meistens lerne ich für meine Ausbildung als Psychotherapeutin. Oder ich lese Bücher über Psychologie, Philosophie und Politik.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für Ihren Kiosk, welcher wäre das?

Am liebsten würde ich gar keine Zigaretten mehr verkaufen. Dafür aber mehr Bücher, Bilder und Postkarten.

Adresse und Öffnungszeiten

Name: Kiosk "16"

Adresse: Siegesstraße 16

Stadtteil: Deutz

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 7.30 bis 23 Uhr, Samstag 9 bis 23 Uhr, Sonntag 10.30 bis 22.30 Uhr.

Von Esra Laubach

Was wäre Köln ohne seine Büdchen?

Andreas Göbel führt den Kult-Kiosk "La Ola", eines der ungewöhnlichsten Büdchen der Stadt.

Was würde man ohne sie machen? Ohne Büdchen kein Büdchen-Bier, keine Zutaten für den Kuchen, der unbedingt noch nach 22 Uhr gebacken werden muss. Keine Tüte Gemischtes, kein freundlicher Nachbar, der die Pakete annimmt. Kein Ort für Klatsch und Tratsch, kein schwarzes Brett, wenn die Katze entlaufen ist oder dringend ein Babysitter gesucht wird.

"Das Büdchen ist der moderne Dorfplatz", sagt Kiosk-Experte Bruno Knopp. Knopp muss es wissen. Schließlich beschäftigt sich der Wirtschafts- und Sozialgeograf seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema und veranstaltet Büdchen-Touren in der Stadt.

Ursprünglich stammt das Wort Kiosk aus dem Mittelpersischen ("koschk") und bezeichnet einen zu den Seiten geöffneten Gartenpavillon. Über Frankreich kamen die Kioske im 19. Jahrhundert nach Deutschland. Büdchen sind ein Phänomen der Industrialisierung und finden sich daher auch heute vor allem in Großstädten mit Schwerpunkt im Ruhrgebiet und im Rheinland, wo in Firmen und Zechen hart malocht wurde.

Boom-Zeit nach dem Krieg

Findige Mineralwasserhersteller kamen Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Idee, eigene Verkaufsstellen für ihre Getränke aufzubauen. Unterstützt wurden sie von den Preußen, die die Kommunen anwiesen, billige Grundstücke zur Verfügung zu stellen, und dem Bürgertum, das es leid war, betrunkenen Arbeitern auf den Straßen zu begegnen, die sich ihren harten Job schön trinken mussten.

Die Büdchen-Kultur erlebte ihre Boom-Zeiten stets nach den Kriegen, nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), dem Ersten Weltkrieg(1914 bis 1918) und dem Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945), wie Knopp erläutert. Damals konnten sich mit Hilfe der kleinen Geschäfte Kriegsheimkehrer oder Witwen finanzieren, die sonst kein Auskommen gehabt hätten.

Sabine Maier verkauft in ihrem Kiosk "Tante Sabine" Kunsthandwerk und Textilien.

Für den Fotografen Stefan Mathiesen sind Büdchen - deren genaue Zahl für Köln schwer zu ermitteln ist, da sie von der Verwaltung nicht gesondert erfasst werden - auch ästhetische Hingucker: Für einen Kalender, der im DuMont-Verlag erschienen ist, hat er einige der schönsten Kioske der Stadt abgelichtet. Etwa das Büdchen am Nikolausplatz, eines der ältesten in Köln, das derzeit von einer Bürgerinitiative geführt wird.

Oder die Schmitzebud, jenem Kult-Kiosk in Rath-Heumar, in dem bereits 1898 Eis und Getränke verkauft wurden und der in den 20er und 30er Jahren Anlaufstelle für Radfahrer war, die zu Touren ins Bergische Land starteten. Das Büdchen wurde 2007 geschlossen, sollte zwischenzeitlich abgerissen werden und wurde dann - nach einer kommunalpolitischen Debatte - wieder gerettet.

Derzeit ist eine Pizzeria im Gebäude untergebracht. Einer der schönsten Kioske in Köln dürfte sich an der Mozartstraße befinden. Neonröhren leuchten rosafarben in den Raum des "La Ola"-Büdchens, eine Lichterkette baumelt im Schaufenster und Hunderte ausgeschnittene Bilder, Postkarten, Zeitungsartikel hängen an der Wand.

Kiosk am Takuplatz

Eine Welt aus Nippes und Klimbim, die so gar nicht zum sonst eher hippen Belgischen Viertel passen will. Andreas Göbel (55) hatte das Kult-Büdchen mit einem Freund 1997 eröffnet. Der Freund ist derweil abgesprungen, der Kiosk längst kein Ort mehr, an dem vor allem Schokoriegel und Bier verkauft werden. Vorwiegend mit Partys hat sich Göbel einen Namen gemacht. Rosenmontag, wenn er Techno auflegt, kommt schon einmal kölsche Prominenz wie die Ehrengarde vorbei.

Streit mit dem Ordnungsamt

2012 hätte es das "La Ola" fast erwischt. Göbel hatte Streit mit dem Ordnungsamt wegen fehlender Ausschankgenehmigung und mangelndem Brandschutz, musste mehrere Monate schließen und stand finanziell vor dem Aus. Dann erfuhr er eine schier unglaubliche Welle der Solidarität von Nachbarn und Kunden, die ihr Büdchen nicht sterben lassen wollten. Einen Protest gegen die Schließung unterzeichneten auf Facebook tausende Menschen.

Viele spendeten so viel Geld, dass Göbel den Kiosk umbauen lassen konnte und so die Auflagen der Stadt erfüllte. "Die Spenden kamen von Moskau bis Paris, das war schon krass", sagt er heute. Auch Sabine Maier (52) wollte ihren Kiosk nicht sterben lassen. Vor fünf Jahren fuhr sie oft an dem leerstehenden Geschäft an der Ecke Aachener Straße/Gürtel vorbei. Sie machte den Vermieter ausfindig, rief an und bot an, das Geschäft zu übernehmen. Nun sperrt sie den Laden zweimal in der Wochen auf - aus reiner Liebhaberei.

Flaschenbier und Zigaretten gibt es bei "Tante Sabine" freilich nicht, was die Fahrer am benachbarten Taxistand anfangs irritierte. Denn wenn Maier das Büdchen aufmacht, dann bietet sie Schals, Hemden und Schmuck an. Vieles hat die Kunsthandwerkerin, die im Hauptberuf in einer Bank arbeitet, selbst gemacht.

Anderes ist gekauft, "aber nur Dinge, die mir auch gefallen". Den Kiosk nennt sie schon mal "Mädchen-Kiosk", weil nur ganz selten Männer bei ihr einkaufen. Büdchen-Kenner Knopp glaubt nicht, dass trotz der Tankstellenshops und lange geöffneten Supermärkte die Büdchen ihre besten Tage hinter sich haben.

Das „La Ola“ gibt es seit 20 Jahren.

In Zeiten, in den es immer weniger Eckkneipen gebe, sei das Bedürfnis hoch nach Orten, die für Heimat im Viertel stünden. Gerade bei jungen Leuten hätten Kioske ein Kult-Image. "Sie entwickeln sich zu Orten, die nach Lifestyle riechen. Es ist cool, wenn man seinen Stammkiosk hat." Das gelte allerdings nur für Büdchen, die mit der Zeit gingen. Die einen Cappuccino oder Sandwiches anbieten oder belgische Biere im Regal stehen haben.

Die andere Seite der Medaille ist nämlich, dass Kioske als Kleinstunternehmen nur dann florieren, wenn sie lange geöffnet haben. Hinter dem Besitzer steht oft eine ganze Familie und ein bisschen Selbstausbeutung ist womöglich auch im Spiel.

Die Serie

Manchmal sind sie die Rettung in letzter Not - dann, wenn alle anderen Geschäfte schon zuhaben: die vielen Kioske und Büdchen in den Kölner Veedeln. In den kommenden Monaten stellt die Stadtteil-Redaktion in loser Folge einige dieser kleinen Institutionen vor.

Kennen Sie einen besonders gesprächigen Kiosk-Besitzer oder vielleicht auch ein Traditions-Büdchen in Ihrem Veedel mit einer interessanten Geschichte? Dann schreiben Sie der Stadtteil-Redaktion. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge. (sbs)