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Aufruf zu ProtestKölner Kitas vor dem Kollaps – „Wenn es so weiterläuft, gehen wir insolvent“

Lesezeit 4 Minuten
Ein Kind sitzt auf dem Boden neben einem Puppenbett und schaut in die Kamera.

Die Kita Rehkids in Köln steht vor dem finanziellen Aus. Eine Spendenkampagne soll helfen, weiterzubestehen.

Eine Kölner Kita sammelt Spenden, um zu überleben. Vor allem freie Träger leiden unter gestiegenen Kosten und demonstrieren am 19. Oktober.

Es ist ein dramatischer Hilferuf: „Kita-Rehkids in Not! Wir brauchen Deine Hilfe“ – so heißt es im Spendenaufruf der Kindertagesstätte, den Leiterin Sarah Detmer gestartet hat. Die Spenden sollen helfen, die kommenden Monate zu überstehen. Denn wie viele Einrichtungen in freier Trägerschaft leidet auch die Kita Rehkids extrem unter gestiegenen Betriebskosten für Miete, Energie und Personal. „Gleichzeitig haben wir keine finanzielle Entlastung seitens des Landes oder der Stadt erhalten“, sagt Detmer.

Köln: Gestiegene Kosten bringen freie Kita-Träger in finanzielle Notlage

„Früher konnten wir unseren Mitarbeitenden ein Gehalt zahlen, das über dem Tarif lag“, sagt Detmer. „Seit einigen Jahren zahlen wir in Tarifhöhe, aber die aktuelle und überfällige Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst von rund elf Prozent können wir nicht stemmen.“ Auch den Inflationsausgleich, den Beschäftigte in städtischen Kitas erhalten haben, könne die freie Einrichtung nicht zahlen. „Unsere Rücklagen sind komplett aufgebraucht. Wenn es so weiterläuft, gehen wir insolvent.“

Detmer hat die Kita im Jahr 2008 zusammen mit ihrer Schwester gegründet. An den beiden Standorten in Nippes und im Mediapark werden Kinder im Alter bis drei Jahren betreut. „Früher konnten wir mehr Fachkräfte beschäftigen, als es der Personalschlüssel vorsieht. Das halten wir bei der Betreuung von kleinen Kindern für sehr wertvoll.“ Doch diese Zeiten seien längst vorbei. „Wir mussten unser Personal reduzieren, um Kosten zu sparen.“ Das monatliche Defizit betrage rund 10.000 Euro. „Um die nächsten Monate überleben zu können, sind wir auf Eure Hilfe angewiesen“, heißt es im Spendenaufruf.

Zwei Kinder malen Bilder an einer Staffelei. Sie tragen Malkittel und sind von hinten zu sehen.

Die Kita Rehkids betreut an zwei Standorten in Köln Kinder im Altern von 0 bis 3 Jahren.

Die Kita Rehkids ist mit ihrer finanziellen Notlage nicht allein. Bereits im Juni hat die Freie Wohlfahrtspflege NRW in einem Hilferuf an die Landesregierung um Unterstützung gebeten und vor einem „Kollaps des Betreuungssystems“ gewarnt. In der Freien Wohlfahrtspflege haben sich unter anderem Arbeiterwohlfahrt (Awo), Caritas, der Paritätische und das Deutsche Rote Kreuz zusammengeschlossen. Mit der Kampagne „NRW bleib sozial“ fordert sie die Politik auf, sich für eine Verbesserung der Situation der freien Träger einzusetzen und ruft zur Kundgebung am 19. Oktober vor dem Düsseldorfer Landtag auf.

Viele Träger haben angekündigt, dem Aufruf zu folgen und ihre Einrichtungen an dem Tag zu schließen, darunter etwa die Awo, der Interessenverband für Kölner Elterninitiativen Keks e.V. und das Quäker Nachbarschaftsheim, das als Träger der freien Jugendhilfe unter anderem Kitas, ein Bürgerzentrum und Übermittagsbetreuung betreibt. „Für diese Protestaktion schließen auch wir unsere Türen. Damit aus der Ausnahme nicht die Regel wird, benötigen wir eine ausreichende und stabile Finanzierung“, sagt Bernd Naumann, Geschäftsführer des Quäker Nachbarschaftsheims.

Auch wir sind bald am Ende.
Bernd Naumann, Geschäftsführer des Quäker Nachbarschaftsheims

Das Quäker Nachbarschaftsheim betreibt seit mehreren Jahrzehnten eine Kita in der Innenstadt. „Alle Stellen in unserer Kita sind besetzt, die Hälfte der Mitarbeitenden sind Männer. Bisher hatten wir keine unplanmäßigen Schließungen wegen Personalmangels“, sagt Naumann. Das führe bei allen Eltern und Beschäftigten zu einer hohen Zufriedenheit, bedingt durch verlässliche Betreuungsstrukturen, Bezahlung nach Tarif und einem stabilen Personalschlüssel. „Das können wir nur gewährleisten, indem noch vorhandene Rücklagen aufgebraucht werden. Aber auch wir sind bald am Ende.“ Betriebswirtschaftlich sei dieses Verhalten „fahrlässig“, aber der Verein sei nicht bereit, Rahmenbedingungen zu verschlechtern. Denn diese seien dafür verantwortlich, „dass Mitarbeitende krank werden“, sich andere Berufe suchen und dass sich junge Menschen gegen diesen Beruf entschieden.

Inzwischen hat NRW-Familienministerin Josefine Paul Unterstützung angekündigt: Unter anderem sollen die sogenannten Kindpauschalen ab dem Kindergartenjahr 2024/25 um fast zehn Prozent steigen: Für jedes betreute Kind zahlt das Land einen festen Betrag an die Kita-Träger. Zudem hat die Ministerin eine einmalige Überbrückungshilfe für die freien Träger in Aussicht gestellt, die diesen helfen soll, die Zeit zu überstehen, bis die Erhöhung greift.

Das steht alles allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass der Haushalt so verabschiedet wird. Darauf wollen sich die freien Träger nicht verlassen und weiter auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen. Zudem fürchten sie, dass die geplanten Beträge bei weitem nicht ausreichen, um die Minusbeträge vieler Einrichtungen auszugleichen.