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„Lage ist mehr als kritisch“<br>Gestiegene Kosten – Kölner Kitas fürchten um ihre Existenz

Lesezeit 4 Minuten
Kinder schaukeln

Die Kinder der Kita Kunterbunt in Vingst spielen auf dem großen Außengelände. Die Einrichtung hat finanzielle Schwierigkeiten.

Vor allem Kitas in freier Trägerschaft und Elterninitiativen wissen nicht, wie sie die gestiegenen Kosten ohne Unterstützung durch das Land stemmen sollen.

Für Johanna Hummel ist die Kita Kunterbunt in Vingst mehr als ein Ort für die Betreuung ihrer drei Kinder. „Sie ist das sprichwörtliche Dorf, das es braucht, um ein Kind großzuziehen“, sagt die 33-Jährige. „Wir sind eine enge Gemeinschaft. Eltern und Kinder kennen sich untereinander gut, wir unterstützen uns gegenseitig.“ Seit 1987 besteht die kleine Elterninitiative, in der 17 Kinder von vier Vollzeitkräften betreut werden. Ehemalige Kita-Kinder haben inzwischen selbst ihren Nachwuchs dort untergebracht. Doch nun ist die Zukunft der Einrichtung in akuter Gefahr.

Grund dafür sind zum einen die gestiegenen Kosten für Energie, Miete und Lebensmittel, die die Elterninitiative stemmen muss, zum anderen die hart erkämpfte Tariferhöhung im öffentlichen Dienst. „Es ist absolut richtig, dass Erzieherinnen und Erzieher mehr Geld bekommen“, sagt Johanna Hummel, die sich ehrenamtlich im Vorstand der Elterninitiative engagiert. Doch das zusätzliche Geld hat die Einrichtung schlichtweg nicht zur Verfügung.

Es braucht dringend finanzielle Unterstützung, das Land ist in der Verantwortung.
Katrin Ackermann, Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW

Nun fürchten Hummel und die anderen Vorstandsmitglieder, dass Mitarbeitende zu städtischen Kitas wechseln, weil sie dort ab März 2024 deutlich mehr Geld verdienen. „Bisher haben wir uns wie die meisten anderen Träger auch am Tarifvertrag orientiert, aber das können wir künftig nicht mehr stemmen“, sagt Hummel. Und damit ist die Kita nicht allein. Vielen Einrichtungen freier Träger und Elterninitiativen droht eine finanzielle Schieflage: „Es braucht dringend finanzielle Unterstützung, das Land ist in der Verantwortung“, sagt Katrin Ackermann, Fachreferentin Tagesangebote für Kinder beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. Das ist der Dachverband von mehr als 6700 sozialen Einrichtungen, darunter 1700 Kitas, davon rund 165 in Köln.

Das Land beteiligt sich an den Kosten für Kitas in freier Trägerschaft über sogenannte Kindpauschalen: Für jedes betreute Kind zahlt es einen festen Betrag für Personal- und Sachkosten. Am Ende eines Jahres wird jeweils die Summe festgelegt, die ab dem August des Folgejahres gezahlt wird. Das Problem: Bei der letzten Festlegung waren die Tariferhöhungen noch nicht eingerechnet. Eine Anpassung wird frühestens im August 2024 erfolgen. Doch bis dahin könnten viele Träger insolvent sein oder ihr Personal verlieren, fürchtet Ackermann.

Eine Frau steht mit zwei Kleinkindern auf dem Arm auf dem Außengelände einer Kita.

Johanna Hummel mit zwei ihrer drei Kinder: Sie engagiert sich im Vorstand der Elterninitiative.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW hat bereits im Juni einen Hilferuf an die Landesregierung verfasst und um Unterstützung gebeten. „Den Einrichtungen steht das Wasser bis zum Hals, die Lage ist mehr als kritisch“, so Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Doch passiert ist seither nichts. Woltering fürchtet gar den „Kollaps des Betreuungssystems“.

Auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zur finanziellen Problematik von freien Kitas und ob geplant ist, diese im Hinblick auf die gestiegenen Kosten zu unterstützen, teilt das NRW-Familienministerium wenig aussagekräftig mit: „Die Situation in vielen Kitas ist aktuell äußerst angespannt. Dieser Lage sind wir uns bewusst und sowohl mit Trägervertretern als auch innerhalb der Landesregierung in Gesprächen.“

Köln: Elterninitiative zapft Rücklagen an, um Inflationsausgleich zu zahlen

Johanna Hummel ist ratlos, wie es weitergehen soll. Damit auch die Beschäftigten der Kita Kunterbunt die für den öffentlichen Dienst beschlossene Inflationsausgleichszahlung erhalten, musste die Elterninitiative ihre Rücklagen anzapfen. „Das haben also letztlich die Eltern aus ihrer eigenen Tasche bezahlt“, sagt Hummel.

Bei freien Trägern und Elterninitiativen ist es so, dass diese einen Trägeranteil selbst aufbringen müssen. Die „Kunterbunt“-Eltern sind allesamt Vereinsmitglieder und zahlen einen Mitgliedbeitrag von monatlich rund 50 Euro – zusätzlich zu den einkommensabhängigen Elternbeiträgen, die sie an die Stadt zahlen. Für Hummel ist es keine Option, Gehaltssteigerungen über höhere Mitgliedsbeiträge auszugleichen: „Wir sind eine Kita im Brennpunkt.“

Für die Mitarbeitenden ist die Situation eine große Belastung: „Das Tarif-Thema sorgt für Unruhe im Team. Kollegen, die seit 20 Jahren hier arbeiten, kommen ins Grübeln, ob sie bleiben sollen“, sagt Kita-Leiter Thomas Greve. Wer in dem Beruf arbeite, mache das aus Leidenschaft und nicht wegen des Geldes. „Aber ich schaue neidisch auf die Erzieher-Kollegen, die sich über den Geldsegen freuen dürfen.“ Greve leitet die Elterninitiative seit 2021, vorher war der 39-Jährige in einer Kita mit 80 Kindern. „Ich schätze den Charakter der Elterninitiative, es ist ein familienähnliches Konstrukt, das erhalten bleiben muss. Aber man wird schon fast herausgedrängt.“