Ohne Tagesmütter und Tagesväter wäre es um die Kleinkindbetreuung schlecht bestellt. Doch viele sehen sich in ihrer Existenz bedroht.
„Man kommt kaum über die Runden“Gestiegene Kosten, niedrige Gehälter – Kölner Tageseltern stehen vor dem Aus
Die Kindertagespflege ist in Not. Gestiegene Ausgaben durch Inflation und explodierende Energiepreise stürzen viele Kölner Tagespflegepersonen in eine finanzielle Krise. Die Interessengemeinschaft (IG) Kölner Tageseltern sieht viele in ihrer Existenz bedroht und befürchtet, dass Einrichtungen schließen müssen. Denn während Kosten für Miete, Energie und Lebensmittel in den vergangenen Jahren massiv gestiegen sind, stagniert die Bezahlung der Tageseltern.
Bülent Erdogan ist Sprecher der IG Kölner Tageseltern und seit April 2022 Tagesvater in einer Großtagespflege. So nennt man Einrichtungen, in denen zwei Tageseltern bis zu neun Kinder betreuen. „Zuhause habe ich meinen Sohn im Winter frieren lassen, um Heizkosten zu sparen. In der Tagespflege mache ich das natürlich nicht“, sagt der 48-Jährige.
Köln: Tageseltern fordern höhere Vergütung – Sätze seit Jahren nicht gestiegen
„Es ist ein Jammer. Man macht den Beruf, weil man mit Kindern arbeiten möchte und dann kommt man kaum über die Runden“, sagt Erdogan. Dabei hätten einige Tagesväter prestigeträchtige und besser dotierte Jobs aufgegeben. Er selbst war als Journalist und Pressesprecher tätig. „Es war eine Herzensentscheidung. Aber aus heutiger Sicht würde ich es nicht nochmal machen.“
Die IG Kölner Tageseltern kritisiert die seit Jahren nicht mehr angehobenen Geldleistungen. Dazu muss man die Vergütung erklären: Tageseltern erhalten von der Stadt festgelegte Sätze pro betreutes Kind. Sie setzen sich aus einer Förderleistung in Höhe von 3,54 Euro und Sachkosten von 1,73 Euro pro Kind und Stunde zusammen.
Diejenigen, die Tageskinder in angemieteten Räumen betreuen, erhalten einen Mietzuschuss von einem Euro pro Kind und Stunde. „Der Sachkostenbetrag ist seit 2013 nicht mehr erhöht worden, der Mietzuschuss seit 2015 – und das in einer Zeit von Rekord-Inflation, monströsen Mieten und Energie-Preisen“, kritisiert Erdogan.
Tageseltern bekommen 5,27 Euro pro Kind und Stunde
Lediglich die Förderleistung sei im vergangenen Sommer um sieben Cent erhöht worden, was die IG Tageseltern als „völlig unzureichend“ bezeichnet. Insgesamt bekommen Tageseltern, die in ihren Privaträumen betreuen, 5,27 Euro pro Kind und Stunde – brutto. Diejenigen, die Räume anmieten, erhalten 6,27 Euro pro Tageskind und Stunde. „Welcher Babysitter würde für so einen Stundenlohn auf ein Kind aufpassen?“, fragt Erdogan. Die IG fordert eine Erhöhung der Geldleistung auf 6,50 Euro in häuslicher Tagespflege und auf 7,80 Euro in angemieteten Räumen.
Die Kindertagespflege ist eine wichtige Stütze in der Betreuung insbesondere von Kindern unter drei Jahren: Rund 900 Tagespflegepersonen in Köln betreuen mehr als 3300 Kinder im Alter zwischen einigen Monaten und drei Jahren. 350 Tageseltern betreuen die Kinder in ihren privaten Wohnräumen, die anderen in angemieteten Räumen. „Tageseltern in angemieteten Räumen sind doppelt belastet: Sie müssen die gestiegenen Kosten für ihre privaten Wände stemmen, zusätzlich zu denen ihrer Tagespflege-Räume“, sagt Erdogan.
Eine von ihnen ist Angelika Weishaupt. Die 60-Jährige eröffnete 2012 eine Großtagespflege im Belgischen Viertel. „Ich war damals eine der ersten in Köln, die Kinder in angemieteten Räumen betreut hat.“ Weishaupt betreut fünf Kinder. Eigentlich ist die Einrichtung für zwei Tagespflegende und neun Kinder ausgelegt. Doch ihre Kollegin hat im vergangenen Sommer aufgehört. „Sie konnte nicht mehr“, sagt Weishaupt. Seitdem findet sich keine Nachfolge – „die Kosten sind allen zu hoch“.
Kölner Tagesmütter: Existenzängste wegen gestiegener Kosten für Mieten und Energie
1600 Euro muss Weishaupt monatlich für die Miete der Tagespflegeräume aufbringen, inklusive Strom. 800 Euro bekommt sie als Zuschuss von der Stadt erstattet. Den Rest muss sie selbst stemmen. „Ich mache mir Sorgen, wenn ich meinen Sohn einer Person anvertraue, die Existenzängste hat und nicht weiß, wie sie die Kosten stemmen soll. So jemand hat den Kopf nicht frei für die Kinder“, sagt Paul Hubmann. Sein zweijähriger Sohn besucht seit Sommer 2022 die Tagespflege von Angelika Weishaupt. „Wir haben uns bewusst für die Tagespflege und gegen eine Kita entschieden, weil wir unseren Sohn in einer kleinen Gruppe und einem begrenzten Umfeld betreuen lassen wollten.“
Ein weiteres Problem sei ein fehlendes, funktionierendes Vertretungssystem im Krankheitsfall. Angelika Weishaupt hat sogar gearbeitet, als sie krank war, „weil ich weiß, unter welchem Druck die berufstätigen Eltern stehen, wenn ich kurzfristig ausfalle“. Auch Bülent Erdogan kennt das: „Ich habe mir den Meniskus gerissen, als ich ein Kind hochgehoben habe. Bis zur OP habe ich trotzdem weitergearbeitet.“
Nach Angaben der Stadt Köln gibt es aktuell 58 Kindertagespflegepersonen, die als Vertretungskräfte arbeiten. Außerdem gibt es vier sogenannte Vertretungs-Stützpunkte in Mülheim, Kalk, Ehrenfeld und Sülz mit je neun Plätzen, bietet also maximal für 36 Kinder eine Betreuung.
Die IG fordert eine verlässliche Vertretungslösung im Krankheitsfall und Insolvenzschutz bei Langzeiterkrankung. Denn Tageseltern sollten nur maximal an 21 Tagen pro Kalenderjahr krankheitsbedingt ausfallen. Ist diese Anzahl überschritten, zahlt die Stadt für weitere Ausfälle nicht mehr. „Von meinem Lohn kann ich aber für solche Fälle keine Rücklagen bilden“, sagt Weishaupt.
Die IG Kölner Tageseltern ruft Eltern, ihre Kinder und Tagespflegepersonen für Samstag, 13. Mai, zu einer Demo auf, um auf ihre Not aufmerksam zu machen. Los geht es um 12 Uhr am Friesenplatz. Die Abschlusskundgebung findet gegen 14 Uhr auf dem Alter Markt statt.