Wo die Mauenheimer Straße auf die Schillstraße und die Simon-Meister-Straße trifft, ist ein lässiges Fleckchen Nippes entstanden.
Köln früher und heuteNippeser Großstadtoase – Wie aus dem Schillplatz der „Chillplatz“ geworden ist
Das S auf dem Straßenschild ist abhandengekommen, aus dem Schillplatz ist der Chillplatz geworden. Und schon setzen sich ein paar Jugendliche im Kreis auf den Boden, um genau das zu tun: chillen. Daneben üben sich auch Erwachsene in öffentlicher Erholung, mit dem Unterschied, dass sie an Tischen sitzen und sich ein Glas Wein oder eine Tasse Kaffee schmecken lassen. Schon mehrfach sei der offizielle Name dieses heimeligen Treffpunkts von anonymen Humoristen abgewandelt worden, verrät Stadtteil-Historiker Reinhold Kruse: „Eine andere Variante war der Stillplatz, in Anlehnung an die vielen Mütter, die hier stillen.“
Wo die Mauenheimer Straße auf die Schillstraße und die Simon-Meister-Straße trifft, ist ein lässiges Fleckchen Nippes mit Bier- beziehungsweise Weingärten entstanden. Ohne die drei schmucken Jugendstil-Gebäude wäre es hier aber nur halb so schön: Mit ihrer prachtvollen Fassaden-Ornamentik verleihen sie dem Schillplatz ein ganz besonderes Flair. Der Fotovergleich beweist, dass sich das Ensemble seit seiner Entstehung rund um das Jahr 1905 bis heute kaum verändert hat.
Die Absenderin der rund 100 Jahre alten Postkarte markierte darauf stolz „unsere Wohnung“. Damals wie heute konnte man sich mit dieser Adresse gut sehen lassen. In den Häusern drücke sich ein gewisser Wohlstand aus, sagt Reinhold Kruse: „Wer behauptet, Nippes war ein Arbeiterviertel, hat nur zum Teil recht. Im Wesentlichen war es eine bunte Mischung, zu der auch zahlreiche Beamte, Kaufleute, Freiberufler und Handwerker gehörten.“ Anders als in den Industrievororten Ehrenfeld oder Kalk waren in Nippes immer auch viele gut situierte Menschen zu Hause.
Schillplatz war lange Zeit vielbefahrene Kreuzung
Ein paar Meter weiter liegen der Erzbergerplatz und der Leipziger Platz mit ihren gestalteten Grünflächen, Spielplätzen und Sitzbänken. Während sie im Zuge der Kölner Stadterweiterung von vornherein als Großstadt-Oasen angelegt wurden, war der nach einem preußischen General benannte Schillplatz lange Zeit nur eine viel befahrene Kreuzung. „Die Mauenheimer Straße war im Grunde ein Verbindungsweg zwischen Nippes und dem Güterbahnhof Nippes“, sagt Reinhold Kruse.
Der Brunnen auf der Postkarte diente dann auch manch hart arbeitendem Pferd als Tränke. Später nahm der Autoverkehr die Kreuzung in Beschlag. Nur ein paar Bäume verloren sich auf einer dreiecksförmigen Insel. Dieser Zustand blieb bis Mitte der 1980er Jahre unverändert, als diese Freifläche bis vor die Kirche St. Heinrich und Kunigund erweitert und der Verkehr drumherum geleitet wurde. Im Volksmund war ab diesem Zeitpunkt vom Schillplatz die Rede, ein Name, der aber erst vor zwei Jahren offiziell anerkannt wurde.
Kurz bevor die drei Jugendstilhäuser gebaut wurden, erstreckte sich auf dem dahinter liegenden Gelände noch ein Weiher, der in einer ehemaligen Rheinrinne lag, die ihrerseits ein riesiges Überschwemmungsgebiet durchzog. Zwischen 1893 und 1902 bildete der Weiher zusammen mit einem an ihm errichteten Tanzsaal mit Außengastronomie den Mittelpunkt des Nippeser Volksgartens. Alle Nippeser Vereine feierten hier ihre Feste. Ab 1903 wurde das jahrhunderte alte Gewässer zugeschüttet, um den Königin-Luise-Platz (heute Erzbergerplatz) und angrenzende Straßen wie die Schillstraße zu bauen.
„Wie war in Nippes doch vordem, zum Bötchen fahren es bequem … Doch plötzlich war das Wasser weg, geopfert für den Stadtbauzweck“, zitiert Reinhold Kruse ein Gedicht in Anlehnung an die berühmte Heinzelmännchen-Ballade. Heute wären die Nippeser wohl froh, wenn sie den Weiher noch hätten. Der Schillplatz wäre noch ein wenig chilliger.