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Vorwurf Beihilfe zum MordAngeklagter nach Schüssen in Kölner Kneipe: „Ich habe damit nichts zu tun“

Lesezeit 3 Minuten
Tatort: Kneipe "No Name" in Nippes

In der Nippesser Kneipe „No Name“ fielen die Schüsse. (Archivbild)

Bei der Schießerei im „No Name“ in Nippes wurde im November 2015 ein Mann getötet.

Im Prozess um die Schießerei in der Kneipe „No Name“ in Nippes, die im November 2015 einen Mann das Leben kostete und bei der weitere Männer verletzt wurden, hat am Montag einer der beiden Angeklagten jegliche Schuld von sich gewesen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord und zur gefährlichen Körperverletzung vor.

Schere an den Hals gehalten

Der heute 35-Jährige habe dem Pächter des „No Name“ laut Anklage eine Schere an den Hals und ihn auf diese Weise in Schach gehalten, während die in einem Fall tödlichen Schüsse in der Gaststätte fielen. Es soll eine Racheaktion gewesen sein. Als Haupttäter gelten zwei frühere ranghohe Mitglieder der Rockergruppierung Hells Angels, die sich in die Türkei abgesetzt haben.

Vorige Woche hatte die Staatsanwältin für den mutmaßlichen Komplizen unter Einbeziehung einer Vorstrafe acht Jahre und drei Monate Haft gefordert, überdies vier Jahre für verschiedene Trickbetrügereien zu Lasten von Seniorinnen. Der Anklage zufolge verschaffte er sich als vermeintlicher Heizungsableser Zutritt zu den Wohnungen der Frauen, gaukelte ihnen vor, sie bekämen eine Rückzahlung, ließ sie die Geheimnummer ihrer EC-Karte in ein falsches Lesegerät eingeben, stahl ihnen die Karte und hob damit Geld ab.

„Horrender“ Strafantrag

Diese Diebstähle gibt der Angeklagte zu. Dagegen blieben als Ergebnis der Beweisaufnahme „vernünftige Zweifel“ daran, dass er einer Rentnerin 24.000 Euro Bargeld gestohlen haben soll, sagte Verteidiger Dirk Schlei. Den Strafantrag der Staatsanwältin nannte er „horrend“. Zum Geschehen im „No Name“, bei dem ein Mensch „geradezu hingerichtet“ worden sei, sagte er, sein Mandant könne sich nicht dafür entschuldigen, denn er sei nicht an der Tat beteiligt gewesen. Er habe nicht geahnt, was sich zutragen würde.

Die Staatsanwältin habe sich das Ergebnis der Beweisaufnahme „so zurechtgelegt, dass es den Anklagevorwurf so gut wie möglich bestätigt“, und missachte den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Co-Verteidiger Gottfried Reims wies unter anderem auf Widersprüche in den Zeugenaussagen hin, etwa bei den Angaben dazu, wie viele Männer in die Kneipe gestürmt seien, und sprach ebenfalls von Einseitigkeit bei der Beweiswürdigung. Zu mehr als bloßen Vermutungen, der Mandant hätte annehmen können, dass es zu Schüssen kommen könnte, und habe diese sogar billigend in Kauf genommen, gebe es keinen Grund.

Geständnis aus taktischen Gründen gemacht

Überzeugend habe der 35-Jährige das Geständnis, das er früher abgelegt hatte, widerrufen, führte Schlei in seinem Schlussvortrag weiter aus. Die wahrheitswidrige Einlassung sei aus dem Grund zustande gekommen, dass ihm sein damaliger Rechtsbeistand aus taktischen Gründen dazu geraten habe und der Angeklagte und seine Familie bedroht worden seien. Dies könnten Personen bezeugen, die der Anwalt als zusätzliche Zeugen zu hören beantragte für den Fall, dass die 11. Große Strafkammer von einem Tatnachweis ausgehe.

„Ich sitze wieder hier, und der Stand ist bei null“, sagt der Angeklagte in seinem letzten Wort und ätzte, die Staatsanwältin habe „eine starke Leistung abgeliefert“; ihr Verhalten sei „schockierend“. Er habe keinerlei „Vertrauen in den Rechtsstaat“. Was im „No Name“ geschah, tue ihm „von Herzen leid“, doch „ich habe damit nichts zu tun“.

Mitangeklagt ist ein heute 38 Jahre alter Mann, dem im Zusammenhang mit der Erstürmung der Kneipe durch die Rocker Beihilfe zur fahrlässigen Tötung und Körperverletzung vorgeworfen werden. Außerdem wird ihm versuchter Raub zur Last gelegt. Sein Anwalt Claus Eßer forderte vorige Woche einen Freispruch, denn nichts von alledem sei erwiesen. In der Erstauflage des Prozesses waren beide Angeklagten zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden.

Dagegen legten sie Revision ein und hatten Erfolg damit. Deshalb muss vor dem Kölner Landgericht neu verhandelt werden. Am Freitag soll der Prozess fortgesetzt werden.