Die Verteidiger bewerten den Sachverhalt um die Todesschüsse jedoch gänzlich anders.
„Eine eiskalte Hinrichtung“Staatsanwältin fordert hohe Haftstrafen für „Massaker“ in Kölner Kneipe
Die tödlichen Schüsse in der Nippeser Kneipe „No Name“ bewertete Staatsanwältin Sabrina Heimers bei ihrem Plädoyer am Donnerstag im Kölner Landgericht so: „Das war eine eiskalte Hinrichtung.“ Während zwei frühere hochrangige Mitglieder der Rockergruppierung „Hells Angels“ als Haupttäter gelten, sich aber in der Türkei aufhalten, sitzen zwei mutmaßliche Komplizen auf der Anklagebank. Die Anklägerin beantragte für diese, auch für weitere Taten, insgesamt hohe Gefängnisstrafen.
Kölner Kneipe: Mann fiel tödlich getroffen vom Barhocker
Es war ein wahres Rollkommando, das die Gaststätte im November des Jahres 2015 heimgesucht hatte. Es stehe fest, dass die Rocker Ibrahim K. und Erkan A. in das „No Name“ eingedrungen und unmittelbar das Feuer eröffnet hätten, so die Staatsanwältin. Eines der Opfer fiel an Herz, Lunge und Leber tödlich getroffen vom Barhocker, weitere Männer wurden von Kugeln getroffen – und überlebten womöglich, weil die eingesetzte Pistole mehrfach Ladehemmungen gehabt haben soll.
Das „Massaker“, so Zeugen, war laut Anklägerin eine Racheaktion. Die Opfer, so eine bis heute nicht bewiesene Annahme, sollen zuvor in einer Kneipe, die der Bruder eines der mutmaßlichen Schützen betrieben hatte, mehrere Spielautomaten aufgebrochen haben. Bis zu 6000 Euro befanden sich laut Akten darin. Dass darin womöglich auch andere Dinge lagerten – bei den Ermittlungen war von einem möglichen Drogenversteck die Rede – habe der Prozess laut Staatsanwältin aber nicht erwiesen.
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Köln: Hohe Haftstrafe für „Verräter“ gefordert
Den Gewaltakt in Gang gebracht habe ein gemeinsamer Bekannter der mutmaßlichen Einbrecher und der späteren Täter aus dem Hells-Angels-Umfeld. Dieser habe seine Kumpels, mit denen er zuvor selbst Einbrüche begangen habe, für eine von den Rockern ausgelobte Belohnung von 5000 Euro verpfiffen und zumindest mit schwerwiegenden Folgen für diese rechnen müssen. Der Mann sei daher laut Staatsanwältin der Beihilfe zur Körperverletzung und fahrlässigen Tötung schuldig.
Allein für die Tatbeteiligung am Komplex „No Name“ forderte Staatsanwältin Heimers eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten für den heute 38-jährigen Beschuldigten. Jahre später soll er zudem einem Kölner Modehändler so brutal ins Gesicht getreten haben, dass sich dessen Zähne verschoben und lockerten. Hier und bei einer weiteren ähnlichen Tat soll er 10.000 Euro von dem Opfer gefordert haben. Daher beantragte Heimers zusätzlich vier Jahre und drei Monate Gefängnis.
Köln: Komplize soll auch Seniorinnen beklaut haben
Den Tatbeitrag des zweiten Angeklagten bewertete die Staatsanwältin als Beihilfe zum Mord und zur gefährlichen Körperverletzung. Der 35-jährige Beschuldigte habe die eigentlichen Mörder aktiv unterstützt, indem er dem Betreiber der Gaststätte am Eingang eine Schere an den Hals und diesen so in Schach gehalten habe. Auch habe der Angeklagte die später eingesetzte Pistole zuvor schon gesehen. Daher seien diesem auch die tödlichen Folgen als Beihilfe zum Mord zuzurechnen.
Unter Einbeziehung einer Vorstrafe soll der Gehilfe nach dem Willen der Staatsanwältin für acht Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Dazu kommen vier Jahre Haft für diverse Trickbetrügereien zum Nachteil hochbetagter Seniorinnen. Der Angeklagte hatte zugegeben, sich als falscher Heizungsableser ausgegeben und die EC-Karten seiner Opfer eingesetzt zu haben. Er stritt aber ab, einer 90-Jährigen noch 24.000 Euro an Ersparnissen aus einem Schrank entwendet zu haben.
Kölner Verteidiger fordert Freispruch für Mandanten
Die Anwälte der Angeklagten bewerten den Sachverhalt gänzlich anders. „Einen solchen Verrat mag man verwerflich finden, aber strafbar ist er nicht“, erklärte Verteidiger Claus Eßer. Sein Mandant habe mit solch gravierenden Folgen für seine Bekannten nicht rechnen können. Er habe sich lediglich ausgemalt, dass die Rocker sich ihr Geld zurückholen würden. Der weitere Vorwurf des versuchten Raubes sei ebenfalls nicht bewiesen. Anwalt Eßer forderte daher insgesamt einen Freispruch.
Verteidiger Gottfried Reims deutete an, dass der Strafantrag der Staatsanwältin für seinen Mandanten viel zu hoch gegriffen sei und sich nicht an die Vorgaben des Bundesgerichtshofs halte, der ein erstes Urteil aufgehoben hatte. Der 35-jährige Angeklagte hatte ein erstes Geständnis widerrufen. Er habe niemanden in Schach gehalten und sich lediglich am Bürgersteig, nicht aber an oder in der Kneipe selbst aufgehalten. Anwalt Reims will sein Plädoyer am Montag halten.