AboAbonnieren

Parkplatz-Verschwendung?„Wanderbäume“ sorgen für Ärger in Köln-Nippes

Lesezeit 4 Minuten
Wanderbäume1

Wanderbäume im Clouth-Quartier

Nippes – Seit drei Monaten „wandern“ sie durch das Clouth-Gelände, die vier Wanderbäume vom Regionalverband Köln des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) – und sorgen für Gesprächsstoff in der Nachbarschaft. Die vier inzwischen recht hochgewachsenen Baum-Setzlinge, in dunkelbraunen Anhängern mit Blumenbeet und Sitzbank, sind Teil der stadtweiten Installation, bei dem sich die Bäume auf „Wanderschaft“ durch Köln begeben.

22 Baum-Module für Köln

Die Bezirksvertretung Nippes hatte im Dezember 2020 den Beitritt zum Projekt beschlossen, das mittlerweile in allen Stadtbezirken außer Chorweiler läuft, und die Initiative mit knapp 1800 Euro aus Bezirksmitteln zu unterstützen. „Wir haben derzeit 22 Baum-Module, sechs sind im Bau“, erläutert Ralph Herbertz vom VCD. „Sie bleiben jeweils sechs bis acht Wochen an einem Ort, dann ziehen sie weiter.“ Das Projekt solle für mehr Straßengrün werben, und für den Kühlungs-Effekt von Bäumen im Sommer. „Zusätzlich bieten die Module eine Gelegenheit zum Ausruhen, etwa für Senioren, und einen Treffpunkt für Nachbarn.“

Wanderbäume3

Die mobilen Bänke sollen die Anwohner erfreuen.

Die mit den Gemeinnützigen Werkstätten Köln GmbH (GWK) und der Jugendhilfe Köln e.V. gebauten Baumwagen rollten Mitte April erstmals auf Nippeser Boden; seitdem touren sie durch das zum neuen Veedel entwickelte frühere Fabrikareal: Nach ihrem Debüt auf dem Parkstreifen der Josefine-Clouth-Straße, bei den roten „Clouth Eins“-Backsteinbauten, stehen sie derzeit in der Straße Auf dem Stahlseil, an der Längsseite von Halle 17. Passanten können sich setzen, verweilen und, wenn sie mögen, die Bäume ein wenig gießen. Durch das Scannen der QR-Codes auf den Anhängern können sie Infos zum Projekt auf der VCD-Website aufrufen. Doch längst nicht alle Anwohner oder Besucher verhalten sich so vorschriftsmäßig. Etliche Male schon kam es vor, dass Autobesitzer die Bäume vom Parkstreifen auf den Fußweg geschoben hatten, um selbst an der Stelle parken zu können.

Diskussion in der Nippes-Gruppe auf Facebook

Auch in der Nippes-Gruppe auf Facebook laufen die Diskussionen um die Wanderbäume heiß. Während die einen in der Aktion einen sinnvollen Beitrag sehen, um über Verkehrswende und die Raum-Aufteilung in der Großstadt nachzudenken und das zusätzliche, temporäre Grün begrüßen, stellt es für andere eine Parkplatz-Verschwendung und Schikane der Nachbarschaft dar.

„Es ist doch so: Niemand wird nun sein Auto verkaufen, nur weil da jetzt vier erbärmliche Krüppel-Bäume stehen“, schreibt eine Diskutantin etwa. „Die Leute werden nun sechs statt drei Extrarunden drehen müssen, um einen Parkplatz zu finden. Ich hoffe, die Oberschlaubis, die die Bäume aufgestellt haben, atmen die Portion Extra-Feinstaub schön tief ein.“ Es gebe eh schon viel zu wenige Parkplätze im neuen Veedel, schreibt ein anderer. „Keine Ahnung, warum man das Ganze noch zuspitzen möchte.“ Eine weitere Bürgerin äußerte Verständnis fürs Wegrollen: „Handwerker, Besucher usw. finden kaum einen Parkplatz. Da kann ich das schon verstehen. Es ist nun mal keine autofreie Siedlung.“

Eine weitere Nutzerin merkte an, dass die Bedingungen für die Jungbäume nicht ideal seien. „Das ist für die Bäume eine reine Qual. Lieber ein paar Blümchen am Wegesrand pflanzen, da hat jeder mehr von.“ Andere hingegen verteidigten das Projekt. „Nirgendwo haben Bäume so einen Aufmerksamkeits-Aspekt wie auf Parkplätzen, und durch nichts werden die Leute so sehr darauf hingewiesen zu reflektieren: Was tun wir hier eigentlich?“ Ein anderer fügt pragmatisch hinzu: „Sieht zwar etwas aus wie ein paar Umzugskartons mit einem Baum drin, aber ist definitiv besser als ein Haufen Blech mit vier Rädern.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Für eine weitere Schreiberin zeigen die Wanderbäume das Umdenken in der Stadtplanung. „Find ich mega! Jeder Parkplatz weniger und jede Pflanze mehr in der Großstadt ist ein Gewinn an Lebensqualität. (Es ist) ganz, ganz dringend an der Zeit, dass die Autostadt zurückgebaut wird.“ Und ein Diskutant fasste die Debatte sehr schön poetisch zusammen: „Wer jammert da aus voller Brust? / Der Autofahrer, er schiebt Frust. / Denn jemand hat, oh böse Welt, / den Parkplatz mit 'nem Baum verstellt.“