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Einmalig in DeutschlandKöln zeigt nach zwei Jahren wieder seinen Winter-Schatz

Lesezeit 4 Minuten
Verschiedene Kamelienblüten sind in einem kleinen Wassertrog drapiert.

Kamelienblüten in der Schau im Botanischen Garten

Im Botanischen Garten ist nach zwei Jahren Pause wieder die größte Kamelien-Sammlung Deutschlands zu sehen.

Hier geht keine Blüte verloren. Mitarbeiter des Botanischen Gartens, aber auch viele Besucher heben jedes heruntergefallene Kunstwerk der Natur auf und legen es liebevoll in die bereitgestellten kleinen Wasserbecken. Die Kamelien-Schau im Subtropenhaus hat nach zwei Jahren Corona-Pause – der Garten hatte nicht genug Personal, und die Maskenpflicht zu kontrollieren – wieder geöffnet. Es ist die größte Sammlung der „Königin der Winterblumen“ in Deutschland.

Ein rote Kamelie

Eine Camellia japonica San Dimas

450 Sorten der aus Japan, China und Korea stammenden Pflanze werden hier präsentiert: in allen Rotschattierungen, rot-weiße und pinke Exemplare, mit gefüllten und halbgefüllten Blüten. Auch gelbe Kamelien sind zu sehen, die sind seltener, weil „sehr fimschig“ und schwer zu kultivieren, wie Stephan Anhalt, der Leiter von Flora und Botanischem Garten, erklärt. Es gibt die vier Meter hohe und über 100 Jahre alte Camellia japonica „Marguerite Gouillon“, es gibt winzige Blüten, die duften. Andere haben keinen Geruch, dafür aber Blütenblätter mit einem Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern. „Die Natur haushaltet, sie spezialisiert sich immer nur auf eine Attraktion.“

Über Schönheit lässt sich alles vermitteln.
Stephan Anhalt, Leiter der Flora und des Botanischen Gartens

Die Kamelien heißen „Koto-no-kaori“, „Loki Schmidt“ oder „Black Velvet“, manche Blüten sind rosenförmig, andere sehen eher wie Anemonen aus, wieder andere ein bisschen wie schlappe Taschentücher. Vor einer Erklärtafel sind auf Bambusrohren verschiedene Blüten drapiert und die Besucherinnen und Besucher können ihre Nasen hineinstecken. „Erst dachte ich persönlich als Botaniker ja, das ist vielleicht ein bisschen kitschig, aber dann habe ich gesehen, wie viele Leute davorstehen und fasziniert sind“, sagt Anhalt. „Über Schönheit lässt sich alles vermitteln.“

Eine Erklärtafel inmitten von Kamelienpflanzen

Erklärtafeln erzählen über die Pflanzen und ihre Geschichte.

Auch die Fachwelt ist begeistert: 2012 erhielt der Botanische Garten von der Internationalen Kameliengesellschaft die Auszeichnung „International Camellia Garden of Excellence“ – als einziger in Deutschland. Doch wie entstand die Sammlung der fernöstlichen Pflanzen ausrechnet hier? Kamelien waren einst die Passion von Adeligen und reichen Bürgern, denn die hatten genug Muße und Geld. Doch in Köln ist die Tradition eher jung. Und nüchtern gesehen eine Marketing-Idee.

Fotografierende Besucherin im Subtropenhaus

Im Subtropenhaus

Denn zu Anfang der 2000er Jahre waren Flora und Botanischer Garten in ihrer Existenz bedroht. Die Stadt wollte aus Spargründen sogar die Gewächshäuser abbrechen, das Gelände teilweise mit Wohnungen bebauen oder dem Zoo zuschlagen. 2003 gab es ein Symposium mit dem Titel „Braucht Köln Tropenhäuser?“.

Nach der Übernahme der Leitung im Jahr 2000 überlegte Stephan Anhalt mit seinen Mitarbeitern, wie man sich unter den damals gegebenen Sparvorgaben spezialisieren könnte. So wurde unter anderem die Kamelien-Schau entwickelt, die nun zum 19. Mal stattfindet und regelmäßig 80.000 Besucher anzieht.

Chinesen schickten Kamelien statt Teesträucher

Was Stephan Anhalt an den Kamelien fasziniert, ist die Vielfalt an Züchtungen. Es gibt geschätzt 200 wilde Arten, aber rund 30.000 gezüchtete Sorten. Und entsprechend viele Geschichten. Zum Beispiel die von der Higo-Sorte, die einst von Samurai entwickelt wurde. Sie hat eine einfache Blütenform, aber besticht durch einen großen Strahlenkranz von Staubfäden. In China galt diese Sorte allerdings als vulgär, weil damit Fruchtbarkeit zur Schau gestellt wurde.

Ein rot-weiße Kamelie, im Hintergrund ein Besucher

Eine Camellia japonica Formosa de Young

Die Kamelie erzählt auch viel über Handels- und Reisehistorie. „Nicht bewiesen, aber auch nicht unwahrscheinlich“ nennt Stephan Anhalt die Geschichte, dass die Briten einst Teesträucher aus China importieren wollten, um den Tee in ihren Kolonien selbst anzubauen. Doch die Chinesen wollten diesen Schatz für sich behalten – und gaben stattdessen nur die verwandten und ähnlich aussehenden Kamelien-Ziersträucher ab. Die ersten schriftlich nachgewiesenen Kamelien in Europa wurden 1739 in Essex gezeigt. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreiteten sich Kamelien in Schlossgärten. Ihren modischen Höhepunkt hatten sie im 19. Jahrhundert.

Und dem Botanischen Garten verhalfen sie wieder zu Stärke. Die Stadt begrub die Sparpläne. Die großen Schaugewächshäuser wurden zwar tatsächlich abgebrochen, aber nur, um neue zu bauen. Im Herbst 2023 sollen sie nach derzeitigem Stand fertig sein. Danach soll das 1964 errichtete kleine Subtropenhaus saniert werden. Es ist einfach verglast und manche Fuge ist im Laufe der Zeit undicht geworden. Das Grundgerüst aber wird bleiben und die Kamelien-Ausstellung ebenfalls. „Danke für das Stück Frühling in diesen trüben Zeiten“, hat ein Besucher ins Gästebuch geschrieben. Den Lichtblick gibt es bis zum April, der Eintritt ist frei. Und jeden Tag gibt es mehr Blüten.