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Verschimmelnde Torten in SchaufensterKölner Veedel hat mit Leerständen zu kämpfen

Lesezeit 4 Minuten

Leerstand in einer ehemaligen Konditorei:  Torten verschimmeln im Schaufenster 

  1. Die vielen Leerstände auf der Neusser Straße in Weidenpesch machen den Anwohnern und Geschäftsleuten große Sorgen.
  2. Es droht ein Teufelskreis. Je mehr Geschäfte wegbrechen, desto schwieriger wird das Geschäft für die übrig gebliebenen Händler.
  3. Könnten Gewerbeflächen in Wohnraum umgewandelt werden?

Mauenheim/Weidenpesch – Über Jahrzehnte war das Café Rademacher eine sehr beliebte, alteingesessene Adresse für Kaffee und Kuchen im Veedel und Schauplatz von unzähligen Kaffeekränzchen. Bis sich die Inhaber im Frühjahr 2014 altersbedingt zur Ruhe gesetzt hatten. Danach übernahmen neue Betreiber das Ladenlokal und führten es zunächst als Konditorei „La Michél“ weiter.

Doch nach nicht einmal zwei Jahren war wieder Schluss: Anfang 2016 räumte das Team den Laden. Nach damaliger Aussage habe der Eigentümer, der das Objekt seinerzeit übernahm, die Miete massiv erhöht – so dass sich der Betrieb nicht mehr gerechnet habe. Unter gleichem Namen wurde wenig später Neueröffnung an der Berrenrather Straße in Sülz gefeiert. Inzwischen ist der Betrieb abermals umgezogen, an die Christophstraße 46 in der City.

Seitdem jedoch ist im einstigen Café-Lokal an der Friedrich-Karl-Straße nichts mehr passiert. Stattdessen bietet sich ein Ekel erregender Anblick. Wie der Express berichtet, vergammeln im Schaufenster seit zweieinhalb Jahren Torten, die noch von den letzten Betreibern stammen. Der einstige Gastraum ist leergeräumt; um die abgehängte einstige Kuchentheke liegen noch einige zurückgelassene Arbeitsutensilien herum. Die Stadt Köln erklärte dazu, dass der Ordnungsdienst bereits informiert worden sei. Allerdings sei die Vermüllung auf privatem Gelände, da sei es rechtlich schwierig einzugreifen, so Ralf Mayer, Leiter des Bürgeramts Nippes: „Gleichwohl werden wir Kontakt zum Eigentümer aufnehmen.“

An der Ecke Kapuzinerstraße/Neusser Straße gab es einmal einen Kiosk.

Nachbarn und Bürger in Mauenheim und Weidenpesch ärgern sich über den unschönen Anblick. Doch steht er zugleich für den zu beobachtenden Niedergang des Einzelhandels im Umkreis: Auch das benachbarte Ladenlokal – das einstige Kino „Merheimer Lichtspiele“ (Merli) – steht schon seit Jahren leer. Hier hatten sich zuletzt mehrere Supermärkte mit internationalen Spezialitäten versucht – darunter „Via“ und zuletzt „Kauver – das Kauferlebnis“ mit einem Sortiment aus russischen und asiatischen Lebensmitteln. Die einstige Kneipe „Merli-Schänke“ direkt nebenan ist ebenfalls schon lange geschlossen. Auch die einst auf der anderen Straßenseite, in Hausnummer 25, liegende Blumenhandlung gibt es seit Jahren nicht mehr.

Die ehemalige Veedels-Kneipe „Echt Kölsch“ ist seit langem geschlossen.

In Gesprächen mit Weidenpescher Bürgern wird der Einzelhandel – vor Jahrzehnten mit seiner vielfältigen Geschäftswelt sogar ein großer Stolz des Veedels – immer wieder als eines der Haupt-Sorgenkinder erwähnt. Das 2013 verabschiedete städtische Einzelhandels-Zentrenkonzept soll bestehende Einkaufsstraßen schützen und Neuansiedlungen auf der „grünen Wiese“, weit weg von den Wohnvierteln, verhindern; Ziel ist, dass möglichst alle Bürger zu Fuß einkaufen gehen können. Die Friedrich-Karl-Straße, wo die besagten Leerstände liegen, ist Teil des im Handelskonzept definierten Nahversorgungs-Zentrums „Neusser Straße/Friedrich-Karl-Straße“, die sich insgesamt von der Neusser Straße/Gürtel am Bezirksrathaus bis hoch zur Mollwitzstraße zieht. Im Verlauf dieser Meile schloss beispielsweise ebenfalls die Filiale der Bäckerei Hilger an der Neusser Straße 514 vor anderthalb Jahren, die inzwischen ihren Betrieb mit Stammsitz in Niehl auch ganz aufgegeben hat. Ähnlich sieht es im zweiten Nahversorgungs-Zentrum von Weidenpesch weiter nördlich aus, „Neusser Straße/Kapuzinerstraße“. Hier steht das Traditionsgasthaus „Alte Post“, zuletzt „Echt Kölsch“ im Parterre des Hochhauses Neusser Straße 621 seit Jahren leer; ebenso der Kiosk Ecke Kapuzinerstraße/Neusser Straße. Vor einem halben Jahr schloss das traditionsreiche Feinkostgeschäft Ortsiefer Ecke Neusser/Derfflingerstraße; hier fand sich mit einem türkischen Lebensmittelladen aber immerhin ein Laden-Nachfolger.

Für den Kölner „Handelskümmerer“ Hans Günter Grawe, der seit einem Jahr bei einem von der IHK Köln begleiteten Pilotprojekt zwischen den Kölner Händlergemeinschaften und Stadt vermittelt, ist die Lage in Weidenpesch bedauerlich, aber symptomatisch für die Situation in mehreren kleineren Stadtteilen. Schnell drohe ein Teufelskreis. „Wenn Geschäfte wegbrechen, wird es für die übrige Gemeinschaft am Standort noch schwerer.“ Wenngleich auch externe Faktoren wie schlechte Erreichbarkeit oder mangelnde Aufenthaltsqualität eine Rolle spielen würden, seien am Ende die Händler selbst gefordert, Ideen zu entwickeln, um das Veedel zu beleben.

Sehr hilfreich sei es, ist Grawe überzeugt, sich in einer Standort- oder Interessengemeinschaft zusammenzuschließen und Aktivitäten zu entwickeln – wie Feste, Einkaufsabende oder Broschüren für Neu-Zuzügler. Auch könne man von guten Beispielen anderer Stadtteilvereinen lernen. In Weidenpesch hatte sich zwar mal das Händler-Netzwerk „Wir im Kölner Norden“ gegründet, es ist aber seit mehreren Jahren inaktiv. „Es bringt nichts, auf bessere Zeiten zu hoffen. Der Einzelhandel muss mehr tun und sich vernetzen. Denn jeder Händler für sich ist klein, aber gemeinsam kann man etwas erreichen.“