Obdachlosenhelfer in Köln„Wir fühlen uns von der Stadterwaltung ausgegrenzt“
Köln – Es sei die städtische Kommunikation, die in der Obdachlosen-Frage oft fehle, sagt Sozialarbeiter Franco Clemens. Die Stadtverwaltung agiere allzu oft entkoppelt von den vielen Unterstützern, die die Basisarbeit auf der Straße leisten. „Wir brauchen eine zentrale Koordinierungsstelle der Stadt, die Kontakt mit den vielen kleineren Trägern, Initiativen und Ehrenamtlern hält und deren Einsatz steuert“, so Clemens, der nebenberuflich in der Kölner Obdachlosenhilfe arbeitet.
Die Energie und das Angebot dieser Menschen solle dann „in einem flächendeckenden Ansatz als Ergänzung zu den größeren bereits vorhandenen Strukturen in der Stadt“ eingesetzt werden. „So etwas aber fehlt derzeit komplett, da fühlen wir uns absolut ausgegrenzt, da verpufft so viel Engagement“, beklagt Clemens.
Auch Anwohner beklagen fehlendes Engagement des Kölner Sozialdezernats
Seine Erfahrungen decken sich mit den Berichten der Mehrzahl von elf Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften aus der Kölner Innenstadt, die sich demnächst zu einem Bündnis zusammenschließen wollen. Von Deutz über die Südstadt, die Altstadt, den Neumarkt oder Deutz sind Geschäftsleute und Anwohner nahezu aller Bereiche der City vertreten. Auf der Agenda des geplanten Bündnisses würden beispielsweise Themen wie Stadtplanung, Sicherheit, Sauberkeit oder blockierte Straßen durch so genannte „Partypeople“ stehen, so Burkhard Wennemar vom Bürgerverein Kölner Eigelstein.
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Was die Obdachlosen betreffe, verschärfe sich die Situation zusehends. Die Klientel werde immer jünger, internationaler und aggressiver. „Wir fordern mehr Ehrgeiz von der Verwaltung, die Probleme zu lösen. Und dass wir bei der Erarbeitung eines ganzheitlichen Gesamtkonzeptes gehört werden“, so Wennemar.
7200 Wohnungslose in Köln
In Köln gibt es nach Angaben des Sozialdezernats derzeit geschätzt etwa 300 Obdachlose sowie 7200 wohnungslose Menschen. Dies sind Menschen, die nach Definition der Behörden im Gegensatz zu den Obdachlosen eine Unterbringung annehmen würden und zumindest zwischenzeitlich oft auch haben.
Auch er bemerke „eine Verschärfung der Situation und Zunahme des Straßenkulturmilieus“, sagt Clemens, der sich um die Szene am Wiener Platz in Mülheim kümmert. Derzeit kämen immer mehr Wohnungslose. Sowieso schon in prekären Arbeitsverhältnissen, hätten einige durch Corona ihre Jobs verloren. Und stünden jetzt auf der Straße, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten.
„Größte Sorge, dass die Menschen ins Drogenmilieu abdriften“
„Bei vielen haben wir die größte Sorge, dass die abdriften könnten, auch ins Drogenmilieu“, sagt Clemens, der für den Winter niederschwellige Unterbringungsmöglichkeiten für die Obdachlosen-Szene fordert. „Ein großes Zelt oder eine Halle, Hauptsache erstmal warm, bevor die Leute uns womöglich wieder irgendwo in der Ecken erfrieren.“ Betreut von Sozialarbeitern, müssten die Betroffenen dann beispielsweise auch ihre Hunde oder den Einkaufswagen mit ihren Habseligkeiten mitbringen dürfen.
„Und wenn die dann erstmal da sind, können wir einige von ihnen bestimmt auch noch von dem ein oder anderen weiteren betreuten Angebot überzeugen“, meint Clemens. Die bisherigen Übernachtungsangebote der Stadt jedoch seien „deutlich zu hochschwellig für diese Personen“.
Großes Zelt oder Halle als Unterkunft im Winter
Wer eine der 72 städtischen Notschlafstellen nutzen will, darf derzeit beispielsweise keinen Hund mitbringen und auch keinen Alkohol trinken. Aktuell indes fänden „Gespräche zwischen der Stadt Köln und Notschlafstellen betreibenden einzelnen Trägern der Wohnungslosenhilfe statt, in denen aus fachlicher Sicht der Konsum legaler Drogen erörtert werden“, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeigers“ mit. Dabei gehe es auch um Alkohol.
Selbstverständlich könne und müsse man „auch die Erfahrungen anderer Kommunen in die Konzeption der eigenen Hilfesysteme einbeziehen“, ließ der städtische Sozialdezernent Harald Rau zudem wissen. „Ich habe daher aktuell eine Recherche zu Lösungsbausteinen anderer Großstädte beauftragt.“ Beispielsweise werde „der Vorschlag der Einrichtung von Trinkhallen“ geprüft, die auch tagsüber von den Obdachlosen genutzt werden können. „Außerdem habe ich die Vorbereitung eines Förderprogramms beauftragt, mit dem wir Menschen und Organisationen ermutigen wollen, ihre Ideen vorzustellen und gegebenenfalls auch gefördert zu bekommen.“