Plötzlich Brustkrebs„Den Gedanken, dass es bald zu Ende sein könnte, hatte ich nicht"

Seit zwei Wochen ohne Tumor: Claudia Wolf
Copyright: Moritz Wüst
- „Es tut mir schrecklich Leid, Sie haben Brustkrebs." Nachdem sie diesen Satz gehört hat, scheint Claudia Wolf nichts mehr aufnehmen zu können.
- Während ein Arzt der 55-jährigen und ihrem Mann die Details ihrer Erkrankung erklärt, hat sie schon längst abgeschaltet. Sie versteht es einfach nicht.
- Fünf Wochen später treffen wir uns mit Claudia Wolf. Sie ist bei bester Laune, strahlt bis über beide Ohren: Seit zwei Wochen lebt sie nun ohne den Tumor.
- Ein Gespräch mit einer Frau, die sich von keiner Diagnose die gute Laune nehmen lassen will.
Frau Wolf, wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt?Claudia Wolf: Mein ganzes körperliches und psychisches System ist am 30. Dezember 2021 einfach so ins kalte Wasser geworfen worden, als ich die Diagnose Brustkrebs bekommen habe. Völlig überraschend, völlig unvorbereitet. Dann ging alles schnell. Innerhalb von fünf Wochen bin ich operiert worden, habe mit vielen Ärzten gesprochen und darf jetzt hier bei Ihnen sitzen.
Gehen wir noch etwas weiter zurück. Wann und wie wurde bei Ihnen ein Tumor festgestellt?
Ich gehe regelmäßig zur Vorsorge, weil ich Probleme mit meinem Rücken habe und mir klar ist, dass ich viel tun muss, aber auch Ärzte brauche, die mir die Richtung zeigen. Ich bin jetzt 55 und ab einem gewissen Alter sollte man dann besonders bei der Brust vermehrt aufpassen. Ich habe ein sehr festes Brustgewebe und deshalb werden regelmäßig Mammographie und Ultraschall gemacht. Letztes Jahr hat meine Ärztin vergessen, den Ultraschall aufzuschreiben. Ich hatte im April die Mammographie und da war nichts. Anfang November haben wir dann die Ultraschalluntersuchung nachgeholt.
Da haben wir zuerst die linke Brust gemacht und die Ärztin hat noch mit mir gelacht, als ich meinte, die Hälfte sei geschafft. Als sie dann auf der rechten Seite war, wurde sie plötzlich still. Da hat sie den Tumor entdeckt. Meine Frauenärztin hat mir dann das Brustzentrum Hohenlind für die weitere Behandlung empfohlen. Was für ein Glück, dass ich an die Vorsorge und den Ultraschall gedacht habe, denn mein nächster Termin wäre in zwei Jahren gewesen und wer weiß, was bis dahin passiert wäre.
Was war Ihr erster Gedanke oder das erste Gefühl, als Sie die Diagnose erfahren haben?
Nicht noch etwas. Nicht noch eine Erkrankung. Und warum soll das jetzt auch noch dieses Jahr sein? Eigentlich war 2021 für mich beendet und dann kam diese Diagnose. Ich bin dann mit meinem Mann nach Hause gefahren und es war für mich so surreal. Ich habe schon damit gerechnet, weil eigentlich sollte ich beim Brustzentrum vom St. Elisabeth Krankenhaus anrufen und nach dem Befund fragen und dann rief eine Stunde vorher jemand an und fragte mich, ob ich denn nicht vorbeikommen könnte. Die Hinfahrt war sehr angespannt und ich habe versucht, meinen Mann aufzumuntern (lacht). Auf dem Rückweg hab ich die Diagnose dann verarbeitet und hab dann meine Freundinnen und Tanten angerufen. Ich wollte das irgendwie loswerden.
Wie fielen die Reaktionen aus?
Oft wirklich das (seufzt): Kann doch nicht wahr sein. Warum ausgerechnet du? Diese Frage bekommt man oft gestellt. Ich habe sie mir nie gestellt. Das hat mit niemandem selbst etwas zu tun. Diese Frage sollte sich nie jemand stellen, der eine solche Diagnose bekommt und schon gar nicht bei Krebs.
Wie haben Sie sich kurz darauf gefühlt?
Ich habe auch im Auto geweint, gar keine Frage. Ich hatte das Thema gerade erst mit meiner Schwiegermutter durch, die letztendlich an einem Lungenkarzinom gestorben ist. Sie hatte jahrelang Krebs und verschiedene Krebssorten. So etwas wollte ich nicht, einen Krebs nach dem anderen abarbeiten. Das soll nicht mein Leben werden. Mein Leben ist: Ich habe jetzt Krebs, der wird wegoperiert. Ich mache alles dafür, was ich tun kann und dann ist mein Leben wieder gesund.
Sie haben sehr schnell einen Termin für die Operation bekommen. Wie haben Sie den Zeitraum zwischen Diagnose und OP erlebt?
Ich wollte all das noch machen, was für mich wichtig ist. Ich konnte ja nicht wissen, ob die OP eine Lösung oder ein Ende sein würde. Es kann dabei schließlich auch viel schief laufen, obwohl die Ärzte meinten, dass sie im Jahr etwa 800 Brustkrebsoperationen durchführen. Deshalb habe ich in diesen zwei Wochen vor der OP versucht viel zu machen. Den Gedanken, dass es bald zu Ende sein könnte, hatte ich nicht wirklich.
Das könnte Sie auch interessieren:
Ich habe viel mit meinem Mann und meinen Freundinnen unternommen. Ich wollte einfach noch viel rausholen aus diesen zwei Wochen. Dann musste ich Montagmorgen um Viertel vor Sieben in der Klinik sein. Heute vor vierzehn Tagen war die OP. Ich habe bis jetzt keine Schmerzen und habe auch vor einer Woche aufgehört, Schmerzmittel zu nehmen.
Wie haben Sie die Zeit im Krankenhaus verbracht?
Mit einer meiner beiden Zimmergenossinnen war ich komplett auf einer Wellenlänge. Alle dort, von den Pflegern bis hin zu den Reinigungsfachkräften waren so fürsorglich, es gab dort gar keinen Grund für Angst. Ich hatte einen Tag nach der OP schon Krankengymnastik, eine Psychoonkologin kam mich besuchen und eine sehr fürsorgliche Sozialarbeiterin. Das hat mir viel Kraft und Motivation gegeben. Daher habe ich auch dem Arzt vertraut. Ich musste ja dem Menschen, der mir einen Teil meines Körpers wegnimmt vertrauen, dass es nach der OP auch wieder eine schöne Brust wird. Mir wurde gesagt, dass ich die Klinik nach drei bis fünf Tagen verlassen könnte und mein Ziel war drei Tage. Dann durfte ich gehen am Donnerstag. Montag operiert, Donnerstagmittag entlassen.
Wollten Sie sich nicht noch etwas länger ausruhen?
Ich möchte nicht, dass das jetzt sorglos wirkt. Ich habe mich wirklich informiert. Ich habe mir bei der deutschen Krebsgesellschaft Informationsmaterial bestellt. Von den etablierten Krebsgesellschaften in Deutschland habe ich alles gelesen, was es zu dem Thema gibt. Ich habe am selben Abend, als ich die Diagnose bekommen habe, noch Fachbücher ausgesucht und bestellt. Aus diesem gesammelten Wissen habe ich dann für mich entschieden, dem Krebs mit einer positiven Einstellung entgegenzutreten und mit dem Glauben, dass alles gut geht bin ich dann gut durchgekommen.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie das Erlebte schon etwas verarbeiten konnten?
Es wäre fahrlässig und blauäugig zu sagen, dass ich das jetzt abgehakt habe. Ja der Krebstumor ist rausoperiert, der Befund sagt: Ich bin krebsfrei. Aber man darf nicht vergessen, dass das eine ganz fiese Krankheit ist und in den meisten Fällen tödlich endet.