- Den Ruf, Rasern und Auto-Posern besonders fest auf die Füße zu treten, hat sich die Kölner Polizei in den vergangenen Jahren hart erarbeitet.
- Nun könnte das Kölner Präventionsprojekt „Crash Kurs“ bundesweit Schule machen.
- Polizeihauptkomissar Ernst Klein fasst zusammen, wie sich der Kölner Straßenverkehr in den letzten Jahren verändert hat und was für ein besseres Verkehrsklima passieren muss.
Köln – Mit dem Spruch „Leistung, nach oben offen“ bewirbt Audi seinen R 8 Spyder V10: mehr als 500 PS, von null auf hundert in dreieinhalb Sekunden, 200.000 Euro. Ein solches Modell mit Dürener Kennzeichen fiel Polizisten kürzlich in Köln auf. Langsam und vorsichtig bahnte sich das tief liegende Fahrzeug den Weg über das holprige Pflaster einer Seitenstraße.
Die Fahnder des Verkehrskommissariats hielten den Wagen an. Reine Routine. Aus Erfahrung wissen die Beamten, dass Fahrzeuge dieser Art oft illegal getunt sind, zum Beispiel, damit sie noch lauter klingen. Am Steuer saß ein junger Mann, neben ihm sein Vater. Der hatte sich den Wagen aus Spaß für einen Tag geliehen, und wie er den Polizisten erzählte, hatte der Verleiher ihn noch gewarnt: „Fahren Sie damit überall hin, aber nicht nach Köln, da zieht Sie die Polizei raus.“ Und so kam es.
„Einsatztrupp Verkehr/Rennen“ der Kölner Behörde ist bundesweiter Vorreiter
Mit dem Auto war alles in Ordnung, die Männer durften weiterfahren. Aber den Ruf, Rasern und Auto-Posern hier besonders fest auf die Füße zu treten, hat sich die Kölner Polizei in den vergangenen Jahren hart erarbeitet. In der Tunerszene wie auch innerhalb der Polizei und bei Verkehrsjuristen gilt der „Einsatztrupp Verkehr/Rennen“ der Kölner Behörde bundesweit als Vorreiter bei der Bekämpfung von Rasern und Posern, die andere gefährden, aber auch in der Verfolgung sogenannter Aggressionsdelikte (siehe Interview).
Auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag im niedersächsischen Goslar hat jetzt Ernst Klein, Leiter der Verkehrsinspektion 1, Forderungen erhoben, die als Empfehlungen des Gerichtstags an das Bundesverkehrsministerium gegangen sind – und womöglich bald in neue Gesetze oder Vorschriften einfließen könnten.
Kölner Präventionsprojekt könnte bundesweit eingesetzt werden
So warb Klein in Goslar für das Kölner Modell, nach dem die Staatsanwaltschaft Verkehrsteilnehmern, die zum zweiten Mal mit einem Aggressionsdelikt aufgefallen sind, anbietet, das Verfahren einzustellen – wenn sie im Gegenzug erfolgreich ein Anti-Aggressions-Training bei der Polizei absolvieren. „Verweigern sich die Teilnehmer, brechen sie das Training ab oder verhalten sich destruktiv, führt das zur Erhebung der Anklage“, sagt Klein.
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Außerdem prüft das Verkehrsministerium, ob ein Präventionsprojekt wie der „Crash Kurs“, den die Kölner Polizei an Schulen etabliert hat, auch bundesweit eingeführt werden soll. Dabei berichten Polizisten, Ärzte, Feuerwehrleute und Hinterbliebene Schülern und Fahranfängern von ihren persönlichen Erfahrungen mit Verkehrsunfällen und deren Folgen und wollen sie so für die Gefahren sensibilisieren. „Crash Kurs ist wie ein Blick durchs Fenster der Realität“, sagt Klein.
Keine Altersgrenze für die Anmietung hochmotorisierter Autos
Nicht in die Empfehlungen übernommen wurde sein Vorschlag einer Altersgrenze für die Anmietung hochmotorisierter Autos. Ein 500-PS starker R 8 Spyder zum Beispiel lässt sich bislang völlig legal ab 18 oder – je nach Verleihfirma – ab 21 Jahren mieten, ab 350 Euro pro Tag. Über Änderungen im Vertrags -oder Versicherungsrecht könne man womöglich erreichen, dass diese Grenze auf 25 Jahre angehoben wird, so Klein. „Dann kann unterstellt werden, dass die charakterliche Reife und eine größere Sicherheit für den Umgang mit PS-starken Kraftfahrzeugen vorhanden ist.“
Nach Erkenntnissen der Ermittler leihen sich die polizeibekannten jungen Poser und Raser ihre hochwertigen Fahrzeuge häufig bei Mietfirmen. Noch häufiger allerdings bei privaten Verleihern, die die Autos tageweise und schwarz vermieten, ohne Rechnung.
Kölner Polizeihauptkommissar im Interview: „Politik muss mutiger werden“
Vier Fragen an Ernst Klein, Erster Hauptkommissar in Köln:
Täglich gehen bei der Polizei in Köln zehn neue Anzeigen wegen sogenannter Aggressionsdelikte im Verkehr ein. Was genau versteht man darunter?
Ernst Klein: Ganz häufig sind das Beleidigungen, Beschimpfungen, erhebliche Gefährdungen, aber auch Körperverletzungen und Nötigung, wie zum Beispiel das Ausbremsen auf der Autobahn. Die meisten Menschen verhalten sich im Verkehr absolut vernünftig, aber in den Reihen der Polizei, die ständig mit Vorgängen im Straßenverkehr beschäftigt ist, verstärkt sich der Eindruck, dass in einigen Bereichen eine schleichende Entsozialisierung stattfindet, teilweise sogar ein Einbruch der Pietäts- und Hemmschwellen.
Was meinen Sie damit?
Gaffer machen Handyvideos von Unfallopfern, von abgedeckten Leichen – und das unter den Augen der Polizisten, die an der Unfallstelle arbeiten. Das ist eigentlich unfassbar. Aber das Verkehrsklima ändert sich auch insgesamt. Bundesweit sind 57 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen, zuzüglich des ausländischen Transitverkehrs sowie der Warentransporte. Der Raum wird dadurch immer enger, es gibt mehr Staus. Täglich erleben wir auf den Straßen den kleinen Kampf um das schnellere Vorankommen – nach dem Motto: Platz da, hier komme ich! Bei einigen Verkehrsteilnehmern sinkt die Frustrationstoleranz, sie sind bereit, ihr vermeintliches Recht irgendwie durchzusetzen.
Ein Phänomen, das die Polizei wohl nicht alleine lösen kann.
Nein. Die Politik muss mutiger werden, auch in Köln.
Was schlagen Sie vor?
Warum nicht endlich mal einen größeren Verkehrsraum in der Stadt komplett für Autofahrer sperren und für Radfahrer freigeben? Solange das nicht passiert, wird sich das Problem eher noch verschärfen. Denn abgesehen vielleicht von Fernstraßen oder Autobahnen wird heute niemand mehr auf die Idee kommen, neue Autostraßen in den Städten zu bauen. Von dieser Illusion sollten wir uns verabschieden.