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Clubs in Corona-ZeitenInhaber der Groove Bar in Köln fordert mehr Konzepte

Lesezeit 7 Minuten
George Schindler

George Schindler in seiner Groove Bar

  1. Seit dem 13. März dieses Jahres hat die Groove Bar im Porzer Stadtteil Wahn keinen regulären Betrieb mehr. Inhaber George Schindler ist sehr kreativ darin geworden, seine Bar über Wasser zu halten. Aber es wird zunehmend schwerer.
  2. Er fordert mehr Konzepte, mehr Planbarkeit – sagt aber gleichzeitig, dass das nicht so einfach ist, „wenn ich sehe, dass die Politik bei einem großen Thema wie Schule nicht wirklich nen Plan hat – und das nach ein paar Monaten.“
  3. In diesem ausführlichem Interview haben wir mit ihm über Clubs und Live-Konzerte in Corona-Zeiten sowie Schwierigkeiten der Veranstaltungsbranche gesprochen – und warum er sich wie auf der Titanic fühlt.

Herr Schindler, wie hoch steht das Wasser?George Schindler: Ich glaube, wenn sich die Politik nicht irgendwas einfallen lässt, ist das ganze System auf Dauer nicht überlebensfähig. Auch wir, die Groove Bar nicht. Also, das Wasser steht sehr hoch.

Aber untertauchen ist nicht...

Nein, im Gegenteil. Ich bin jetzt einer, der früh angefangen hat zu kämpfen. Einer von denen, die versuchen, mit dem Neuen normal umzugehen und sich 1000 und drei verschiedene Sachen ausdenken, um irgendwie klar zu kommen. Letztendlich hält uns das zwar am Schwimmen, aber es wird den Untergang nicht aufhalten.

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Kreativität kann man Ihnen wahrlich nicht absprechen.

Ich habe eine Woche, zehn Tage nach dem Zumachen schon meinen ersten Stream im Internet gemacht. Ein befreundeter DJ war da, und ich hab dazu getanzt. Man muss da auch ein bisschen schmerzfrei sein. Ich habe ja keine Ballettausbildung. Die Woche darauf folgten dann die ersten Konzerte, die wir dann geplant haben.

Dafür haben Sie den Handwerker raushängenlassen.

Ja, um Abstände unter den Musikern auch auf der Bühne einhalten zu können, habe ich diese erweitert und den Putz und Beton von den Wänden abgeschlagen.Und die Groove Bar in ein kleines Fernsehstudio umgebaut. Ja. Das ganze erinnert ein bisschen an Rockpalast light: Sechs Kameras, Regie. Zwei Tage Aufbau. Dazu eine neue Lichtanlage, die ich mir, wenn ich sie regulär bezahlen müsste, nicht leisten könnte. Aber in der Branche wird gerade nichts regulär bezahlt.

Und dann keine Zuschauer – zumindest vor Ort.

Ja, am Anfang war das so. Queen May Rock haben quasi nur für die Zuschauer gespielt, die sich den Videostream angeschaut haben.

Und dafür gespendet haben.

Durch den Stream haben wir signifikante Gelder bekommen. Niedrige vierstellige Summen – die haben geholfen, aber es war auch eine Zeit, wo alle zu Hause sitzen mussten. Jetzt ist für viele das Leben wieder halbwegs normal, das macht sich in zurückgehender Unterstützung bemerkbar.

Aber irgendwann gab es die ersten „echten“ Konzertbesucher.

Für den Auftritt der Bläck Fööss habe ich über eine Woche beim Gesundheitsamt erkämpft, dass zehn Leute das Konzert besuchen dürfen. Mit Wirtschaftlichkeit hat das nichts zu tun gehabt, sondern ich wollte den Fööss ein bisschen das Gefühl geben, da ist jemand und sie müssen nicht in einen leeren Raum hineinspielen.

Zur Person

George Schindler (52) hat Theater-, Film-, Fernsehwissenschaft, Politik und Englisch studiert. Seit 1987 ist er Wirt der Groove Bar, die vormals BiBo-Club hieß. Schindler ist großer Musikfan. Besonders Depeche Mode, Pink Floyd oder The Police haben es ihm angetan. Aber auch unbekannte Newcomerbands treffen immer wieder seinen Geschmack. Eine so lange Schließung seines Clubs wie in Corona-Zeiten hat es in der 33-jährigen Geschichte nicht gegeben. Einmal war für maximal zwölf Tage wegen Renovierung geschlossen. Damals kamen vorne die ersten Gäste schon rein, während hinten noch die Toilettentüren eingehangen worden sind. (rde)

Adresse:Frankfurter Straße 200, 51147 Köln, Telefon: 02203/ 59 0707

Mittlerweile dürfen mehr Leute zu den Konzerten kommen.

Genau. Meine Herangehensweise lautet: Was kann ich aus der Situation rausholen? Was kann ich machen? Durch Umbau der Groove Bar kann ich jetzt Konzerte mit 80 Leuten durchführen. Das ist aber auch das absolut vertretbare Maximum. Schließlich müssen Abstände, Aerosol-Belastung und andere Dinge beachtet werden.

Und das kommt an?

Es wird von Zuschauern und Bands angenommen. Ich hatte jüngst eine Metal-Veranstaltung. Dort rasten Fans normalerweise aus. Headbanging, Pogo – doch jetzt mussten sich alle an die Regeln halten – was sie auch getan haben. Ich habe damit eine Menge Leute glücklich machen können. Nicht nur die Bands, die Wochen und Monate lang auf dem Trockenen sitzen. Auch die Zuschauer haben es genossen, auch wenn es anders als sonst war.

Mittlerweile sind es knapp 20 Konzerte, die Sie veranstaltet haben. Kasalla, Bläck Fööss, Domstürmer, Mo-Torres sowie Metal- und Rock-Konzerte. Wie rechnet sich das finanziell?

Auch wenn ich derzeit mit der Lanxess-Arena quasi um die gleichen Bands konkurriere, kommt nicht so viel rein, wie reinkommen müsste. Finanziell ist es so, auf 80 Zuschauer kommen Band, Crew, Sound- und Lichttechniker, Security, drei Leute an der Theke, die die Gäste an ihren Plätzen bewirten. Ohne Stream, sprich ohne Leute an Kameras und Regie, sind das 15 Leute, die für ein Publikum von 80 Gästen arbeiten. Da kann man sich natürlich ausrechnen, dass da keiner annähernd das verdient, was eine realistische Gage wäre. Das ist alles nur Seelenfutter, Notnagel oder sonst was. Aber es hat nichts mit dem Betrieb als Wirtschaftsbetrieb zu tun.

Ein Rettungsanker ist also weit entfernt.

Für mich, für die Groove Bar, bedeutet das, dass ich ein bisschen länger über Wasser bleibe, aber trotzdem sinke. Wie so ne Titanic, wo man ein Loch stopft, aber es läuft immer noch Wasser rein.

Wie fühlt man sich persönlich in so einer Situation?

Ich wache auf mit dem Gedanken, wie halte ich das Schiff über Wasser, und schlafe mit dem selben Gedanken ein. Und dazwischen meistens auch noch. Das ist auf Dauer auch nicht gesund.

Gesund ist auch nicht das Coronavirus.

Auf jeden Fall. Ich sage ja auch nicht, dass es falsch war, die Clubs zu schließen. Die Groove Bar habe ich zugemacht schon bevor die Bestimmungen kamen. Weil mir das zu heiß wurde, weil ich das nicht verantworten wollte. Es war von Anfang an klar, dass in einer direkten Notsituation erstmal irgendwas gemacht wird. Das kann man keinem verübeln, keiner wusste, wo die Reise hingeht. Und wenn handwerklich Fehler gemacht wurden, Schwamm drüber, es musste erstmal schnell gehen.

Jetzt ist aber etwas Zeit ins Land gegangen...

Ja. Und ich vermisse eine Idee, ein Konzept, wie die Politik mit Veranstaltungsorten und Clubs umgehen will. Jetzt war die sogenannte Soforthilfe. 9000 Euro und letztendlich heißt es, du darfst die Kohle nicht für dieses und jenes gebrauchen und musst sie wieder zurückzahlen. Wenn es jetzt darum ginge, bis September oder Oktober noch klar zu kommen und ab dann geht es wieder los, dann würde man sagen: O.k., wenn wir kämpfen, kriegen wir das irgendwie hin. Aber diese zeitliche Perspektive ist ja nicht da. Meine Meinung ist, der Überlebenskampf geht noch ein Jahr lang oder so. Ohne Unterstützung ist diese Zeitspanne nicht zu überleben.

Wie könnte man überleben?

Ich würde sagen: „Mach das, was du unter den geltenden Sicherheitsbestimmungen machen kannst.“ Bei jedem Konzert gibt es dann eine Unterstützung, damit du der Band, Technikern und anderen Beteiligten nur halbwegs was Realistisches bezahlen kannst und für den Laden auch ein wenig abfällt. Das wäre für mich eine Art Rettungsanker. Ich weiß, für ein halbes Jahr kann ich kleine Konzerte machen und Bands, Crew und Techniker ebenfalls über Wasser halten. Die Höhe des Anteils, der dazubeigesteuert wird, könnte man festmachen an dem, was man im letzten Jahr erwirtschaftet hat.

Und wie sieht es mit Rücklagen aus?

Meine Rücklage war immer ein Laden, in den gerne Leute gehen. Darin habe ich investiert. Kann man doof nennen, aber ich bin nun einmal mit so viel Herzblut dabei. Die Groove Bar gibt es seit 33 Jahren. Klar, dass nicht erste Option ist, wie mache ich am geräuschlosesten zu. Ich kämpfe so lange es geht.

Sind Sie optimistisch gestimmt, dass sich etwas an Ihrer jetzigen Situation ändert?

Sagen wir so, wenn ich sehe, dass die Politik bei einem großen Thema wie Schule nicht wirklich nen Plan hat – und das nach ein paar Monaten. Wenn also selbst ein Riesenthema wie Schule so dermaßen nicht geregelt ist. Wir brauchen aber Konzepte und Planbarkeit. Denn meiner Meinung nach wird die derzeitige Situation noch bis Frühjahr, Sommer 2021 andauern. Ohne Hilfe sind die meisten Veranstaltungsorte bis dahin bereits untergegangen.