Kölner Bezirksbürgermeister im Gespräch„Porz muss seine Seele zurückbekommen“
- Henk van Benthem (CDU) , wurde 2014 zum Bezirksbürgermeister für Porz gewählt – mit einer Stimme der rechtsgerichteten Partei Pro Köln. Das tragen ihm Kritiker weiterhin nach.
- Bei der nächsten Kommunalwahl will van Benthem erneut für den Rat kandidieren und möchte im Herbst auch wieder Bezirksbürgermeister werden. Das Lebensalter bringe schließlich „ein Plus an Erfahrung“.
- Ein Gespräch über die Neue Porzer Mitte, seine Arbeit als Bürgermeister mit Ratsmandat und die vielen Schlagzeilen seiner Kollegen aus der CDU-Fraktion – auch über den Vorfall in der Nacht vor Silvester.
Herr van Benthem, bei den Aussichten für die Neue Porzer Mitte, die über die vergangenen Jahre als große Hoffnung zur Belebung von Porz galt, hat es Ende des Jahres einen herben Rückschlag gegeben.
Henk van Benthem: Das ist kein Rückschlag, das ist eine Katastrophe. Die Moderne Stadt hat uns über Jahre Sand in die Augen gestreut und den Eindruck erweckt, alles sei im Fluss. Jetzt stellt sich heraus: Es sind entscheidende Fehler gemacht worden. Die Einfahrthöhe der Tiefgarage, der Radius der Schleppkurve für Lieferfahrzeuge, die Quadratmeterzahlen der Verkaufsfläche – lauter Hindernisse für die Ansiedlung attraktiver Geschäfte. Ein Vollversorger war für Haus 1 versprochen – was für die Porzer Politik die Minimalforderung war. Dass statt dessen Lidl, also ein weiterer Discounter, einziehen soll, ist eine Unverschämtheit. Das nehmen wir keinesfalls hin.
Was können Sie denn tun?
Die Bezirksvertretung kann die Ansiedlung eines weiteren Discounters notfalls über eine Bebauungsplanänderung stoppen, Gespräche mit den Ratsgremien darüber sind schon in Vorbereitung.
Ein Scheitern der Belebung von Porz-Mitte wäre ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte von Fehlplanungen für die Innenstadt seit den 70er Jahren.
Das Desaster hat ja nicht erst mit der Schließung von Karstadt/Hertie begonnen. Seit viele Vermieter lieber an Filialisten als an Fachgeschäfte vermieten oder die Räume leer stehen lassen, weil ihnen das mehr bringt als eine Vermietung, ist der Niedergang spürbar. Auch das Citycenter ist für viele Porzer nur die Einstiegsstelle in die Stadtbahn zur Kölner Innenstadt.
Die Fachgeschäfte dort und in der Bahnhofstraße haben aber nach wie vor gute Kundschaft.
Klar, Fachgeschäfte wie Eiscafé, Optiker oder Drogerie Scholz beweisen, dass Qualität die Kunden überzeugt.
Zur Person
Henk van Benthem (CDU) , wurde 2014 zum Bezirksbürgermeister gewählt – mit einer Stimme der rechtsgerichteten Partei Pro Köln. Das tragen ihm Kritiker weiterhin nach. 1951 im niederländischen Oldenzaal geboren, lebt er seit 1972 in Porz und ist seit 2001 deutscher Staatsbürger. Der Versicherungsmakler sitzt für die CDU auch im Stadtrat. Sein liebstes Hobby ist der Karneval. (bl)
Aber die vielen gesichtslosen Handyläden und Imbisse überall – damit wurde die Porzer Seele weggerissen. Die Kölner Verwaltung hat dem seit Jahrzehnten zugesehen. Wir in Porz müssen jetzt alles dafür tun, dass Porz seine Seele zurückbekommt, und zwar parteiübergreifend. Die Porzer Mitte darf nicht zum Wahlkampfthema werden.
Sie sind nicht nur Bezirksbürgermeister, sondern haben auch ein Ratsmandat. Wie verträgt sich das? Porzer Forderungen kommen in Köln ja nicht immer gut an.
Es lässt sich sehr viel über Gespräche in der Ratsfraktion und über Verhandlungen regeln. Bis die CDU-Fraktion abstimmt, hat sich bisher noch immer ein für mich vertretbarer Kompromiss gefunden.
Insgesamt ist die Entscheidungsgewalt der Kölner Bezirksvertretungen in den vergangenen Jahren aber nicht gerade gestärkt worden; bei der Regionalplanung kamen sie nicht zu Wort.
Beim Regionalplan ist die Bezirksvertretung durchaus involviert – allerdings nicht in Sondersitzungen, sondern über Fachgespräche. Insgesamt bin ich wie die übrigen Bezirksbürgermeister über das mangelnde Mitspracherecht aber überhaupt nicht glücklich.
Da erheben dann immer häufiger Bürgervereine ihre Stimme für Porzer Belange.
Deren Engagement ist sehr ehrenwert, aber eines steht fest: Entscheidungen werden in der Bezirksvertretung getroffen, hier liegt die politische Verantwortung. Die Bürgervereine tragen diese Verantwortung nicht. Mein Ziel ist, zum Wohl von Porz Gemeinsamkeit zu erzielen.
Gemeinsame Wünsche gibt es zuhauf, etwa bei der Infrastruktur. Aber angeblich nahende Durchbrüche etwa bei der Verlängerung der Linie 7 oder beim Bau der Umgehungsstraße sind bisher über Versprechen nicht hinausgelangt.
Diese Themen ploppen in jedem Wahlkampf wieder auf. Es ist wahr: Der Knoten muss durchschlagen werden. Das wird angesichts der vielen Player aber noch dauern und viele Verhandlungen kosten. Ebenso sieht es bei den großen Wohnungsbauwünschen aus. Die Notwendigkeit besteht, aber ohne vorherige Verbesserungen der Infrastruktur wird es von der Mehrheit in der Bezirksvertretung dafür keine Zustimmung geben,
Ein Beispiel?
In Elsdorf und Urbach werden wir größeren Bauplänen erst zustimmen, wenn die Schulversorgung der Kinder gesichert ist. Das hatte die Stadt zunächst fest versprochen, doch dann machte die Schulverwaltung einen Rückzieher.
Eine menschliche Infrastruktur – und damit sind außer Schulen und Kitas auch Sportmöglichkeiten und endlich mal wieder ein Schwimmbad für Porz gemeint – macht unseren Stadtbezirk lebenswert. Solche Forderungen gelten auch für große Neubaupläne in Zündorf, Wahn und Lind.
Zur Lebensqualität gehört zudem, dass Menschen wohnortnah einkaufen können. Da hapert es in manchen Ortsteilen gewaltig.
Das regt mich total auf, das Kölner Facheinzelhandelskonzept ist die größte Idiotie. Was da angeblich zum Schutz des Handels in Nachbarortsteilen abgelehnt wird! Real hätte ein sehr attraktives Um- und Ausbaukonzept gern verwirklicht – das wurde verboten, um den Einzelhandel in Porz nicht zu schädigen. Ein Vollversorger in Gremberghoven wird zum Schutz von Eil verboten – das kann man der Bevölkerung nicht erklären. Gegen Kölner Verwaltungsvorgaben gerade beim Einzelhandel und Schulbau wird sich die Bezirksvertretung querstellen.
So viel Entscheidungsspielraum für Porz wie vor 100 Jahren Bürgermeister Rudolf Lütz haben Sie als Bezirksbürgermeister aber nicht. Der konnte die Einrichtung einer höheren Schule zum Beschluss erheben – und wenige Monate später begann der Unterricht. Sind Sie da manchmal neidisch?
Neidisch ist das falsche Wort. Es ist ja klar, dass Lütz mit Rat und Verwaltung im Rücken in einer selbständigen Gemeinde mehr Befugnisse hatte als ein heutiger Bezirksbürgermeister. Zudem hatte er noch nicht mit europaweiten Ausschreibungen und ähnlichen Vorgaben für Projekte zu tun. Entscheidungen für Porz zu beschleunigen, wünsche ich mir oft. Aber das ist kein Grund zur Resignation.
Sonst würden Sie ja auch nicht erneut für den Rat kandidieren und wieder Bezirksbürgermeister werden wollen.
Ich bin leidenschaftlicher Porzer und will noch eine Sitzungsperiode gestalten. Das Lebensalter bringt schließlich ein Plus an Erfahrung und spielt bei der Dynamik keine Rolle.
Wie könnte sich die Zusammenarbeit in der Bezirksvertretung gestalten, wenn Sie erneut gewählt werden? In der aktuellen Sitzungsperiode nimmt die SPD ja nicht an den Fraktionsvorsitzendenbesprechungen teil, als Reaktion darauf, dass Sie 2014 mit einer rechten Stimme in Ihr Amt gewählt worden sind.
Die Zusammenarbeit auch mit den SPD-Kollegen in der BV ist sachlich und gut. Ich bin zuversichtlich, dass es nach der nächsten Kommunalwahl mit den richtigen Verhandlungspartnern auf allen Seiten gelingt, eine Verhinderungspolitik wie 2014 zu verhindern.
Mitglieder der CDU-Fraktion haben zuletzt für Schlagzeilen gesorgt. Werner Marx stand wegen einer versuchten Übernahme des Vorstands im Krankenhausförderverein in der Kritik. Thomas Werner trat im Streit um Ratskandidaturen aus der Partei aus, bleibt aber als Fraktionsangehöriger der Grünen in der BV. Wie gehen Sie damit um?
Die CDU-Fraktion arbeitet weiter gut und einig zusammen. Marx hat die Entscheidung getroffen, aus dem Fördervereins-Vorstand auszutreten. Da habe ich mich nicht eingemischt. Die Auseinandersetzung hat meines Erachtens dem Krankenhaus nicht geschadet. Es bleibt dabei, dass für die CDU-Fraktion und mich selbst das Porzer Krankenhaus und seine Selbstständigkeit sehr hoch im Kurs stehen.
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Thomas Werner hat einfach nicht genügend Stimmen für sich gewinnen können. Dass er wegen dieses in der Politik alltäglichen Vorgangs die Partei verlassen hat, ist seine Sache. Das Amt in der Bezirksvertretung aber mitzunehmen in eine Funktion, für die er nicht gewählt war, ist nicht in Ordnung.
Und der Vorfall in der Nacht vor Silvester? Ein Mitglied der CDU-Fraktion war in eine Auseinandersetzung am Rheinufer verwickelt, bei der er einen Kontrahenten mit einem Schuss verletzt haben soll.
Dazu kann ich nur sagen: Wir wissen bisher nicht, was genau geschehen ist, deswegen äußere ich mich dazu nicht. Es handelt sich um eine Privatsache; die CDU hat damit nichts zu tun. Ich bin natürlich entschieden gegen Gewalt. Und ich kann versprechen: Auf die Arbeit der Fraktion wird das keinen Einfluss haben. Wir arbeiten an einer Lösung.
Wie sehen Ihre Pläne für den Fall aus, dass Sie im Herbst erneut Bezirksbürgermeister werden?
Ich habe noch viel vor. Sicherheit und Sauberkeit stehen ganz oben auf meiner Agenda.
Das bedeutet konkret?
Wir arbeiten mit Nachdruck und mit vielen Beteiligten daran, die Sicherheit in Porz zu erhöhen. Dass sich Anwohner und Passanten am Rheinufer und an weiteren Plätzen oder in Straßen von Porz, Urbach oder Grengel nicht mehr sicher fühlen, darf nicht sein. Wir müssen Signale setzen, um neu anzufangen. Dass Menschen ohne Erziehung und ohne Respekt die Oberhand gewinnen und ihre Gewaltbereitschaft ausleben, ist nicht hinnehmbar. Wahrscheinlich haben wir aus falsch verstandener Rücksicht zu lange nur zugesehen.
Und der Dreck in Porz?
Da sind wir mit den Abfallwirtschaftsbetrieben auf einem guten Weg. Aber es ist natürlich ein Unding, dass die AWB beispielsweise am Rheinufer-Pavillon täglich saubermachen muss, was rücksichtslose Nutzer dort hinterlassen. Das Rheinufer soll attraktiver werden. Und mit der Veranstaltungsreihe „Rheinfeiern“ haben wir Erfolg.
Was bedeuten solche Feste denn für Porz?
Das Rheinufer als Treffpunkt wiederzugewinnen und Menschen zusammenzubringen, ist das Anliegen, das wir seit dem ersten „Rheinachtsmarkt“ umsetzen. Da treffen sich Porzer, die sich ewig nicht gesehen haben, Vereine und Organisationen können sich präsentieren, es entsteht eine Gemeinschaft. Den Anfang hat die Unterstützung des Flughafens ermöglicht. Jetzt arbeiten lauter Ehrenamtler aus dem Festausschuss Porzer Karneval, vielen Vereinen und auch die Verwaltung mit Bezirksamtsleiter Karl-Heinz Merfeld sehr engagiert an der Veranstaltungsreihe. Zum Rheinachtsmarkt und der Rheinromantik im Sommer kommen dieses Jahr noch ein Food-Markt samt Weindorf unter den Linden und am 15. September ein Rheinufer-Konzert mit dem Stabsmusikkorps der Bundeswehr hinzu.
Feiern allein – reicht das?
Noch wichtiger für die Porzer ist, dass sie ihre Stadt und ihr Rheinufer alltäglich genießen können. Mittel für eine bessere Anbindung und Zuwegung des Ufers liegen schon bereit.