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Still und unermüdlichWahner Wirtin versorgte jahrelang Bedürftige mit Mahlzeiten

Lesezeit 3 Minuten
Die Wahner Wirtin Helga „Roswitha“ Hirdina.

Täglich kochte die gutherzige Wirtin für Menschen, die nicht selbst für sich sorgen konnten – bis sie selbst Hilfe brauchte.

Ohne großes Aufsehen versorgte Helga „Roswitha“ Hirdina jahrelang Bedürftige mit täglich frischen Mahlzeiten – bis sie selbst Hilfe brauchte.

Menschen gibt’s, die bekommen nie ein Bundesverdienstkreuz oder eine Ehrennadel, trotz all ihren guten Taten. Vielleicht liegt es daran, dass ihr Wirken still im Alltag erfolgt. Ein solcher Mensch war Helga Hirdina aus Wahn, die jetzt im Alter von 81 Jahren gestorben ist. Helga Hirdina war allgemein unter dem Namen Roswitha bekannt und führte viele Jahre die „Bürgerstube“ an der Heidestraße. Heute ist das Lokal eine griechische Gaststätte.

Die energiegeladene Frau stand hinter ihrer Theke, bediente die Gäste, bewältigte Einkauf, Küche und Buchführung allein und war in ihrem Lokal auch ihre eigene Reinigungskraft. Jeden Tag kochte sie zu Mittag. Nicht nur für ihre Familie und Gäste in der Bürgerstube, sondern für etliche alte, kranke oder bedürftige Männer und Frauen in Wahn, denen sie einfach helfen wollte.

Wahner Wirtin half Bedürftigen mit mobiler Versorgung, lange bevor es Lieferdienste gab

Damit die gutbürgerlichen Mahlzeiten noch heiß und verzehrbereit bei den Menschen in der Umgebung ankamen, schickte die Wirtin mittags ihre Kinder los, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad den Transport der Töpfe und Schüsseln übernahmen. Die Gutherzigkeit der Wirtin sprach sich herum. Es waren viele, die in den 1980er und -90er Jahren, lange vor Einführung von Lieferdiensten, von der mobilen Versorgung profitierten.

René Hirdina, ihr Enkel, den sie wie einen Sohn aufgezogen hat, erinnert sich: „Sie konnte nicht nein sagen, wenn sie von jemandem erfuhr, der Hilfe brauchte“. Niemals machte die verwitwete Frau Urlaub, gönnte sich wöchentlich nur einen Ruhetag, war stets darauf bedacht, jeden Tag qualitätvolle Speisen zuzubereiten. René Hirdina erinnert sich an die abwechslungsreiche Speisefolge von Kasseler bis Rouladen – und freitags stand immer Fisch auf dem Plan.

Helga „Roswitha“ Hirdina schlüpft als Großmutter noch einmal in Elternrolle

Helga Hirdina hatte die Bürgerstube von einem Vorgänger-Wirtspaar übernommen, für das sie zuvor als Angestellte im Lokal gearbeitet hatte. Mit der Selbständigkeit trug sie alleinige Verantwortung für den Gaststättenbetrieb, darüber liegende Pensionszimmer und für ihre Familie.

Die älteste Tochter konnte sich, als sie 1981 Sohn René bekommen hatte, um das Kind nicht kümmern – die Großmutter übernahm die Aufgabe ohne zu zögern und schlüpfte für das Baby noch einmal in die Elternrolle. Der Junge bezeichnete sie immer als seine Mutter und er wuchs mit Helga Hirdinas jüngerer Tochter, eigentlich seiner Tante, wie mit einer Schwester auf.

Wirtin erkrankte an Krebs – und war nicht krankenversichert

Der Wahner Hausarzt Wolf Geisler beschreibt, wie zupackend in ihrer Hilfsbereitschaft die Wirtin war, wenn ihr jemand einen Hinweis auf eine Notsituation gab. Um das eigene gesundheitliche Wohl und die eigene Versorgung im Krankheitsfall kümmerte sich die Frau aber nicht so gut. Das zeigte sich, als sie im Jahr 2006 an Krebs erkrankte – und nicht krankenversichert war.

René Hirdina denkt mit Rührung und Dankbarkeit daran zurück, wie der Hilfsbereiten dann selbst Gutes widerfuhr. Geisler und weitere Ärzte hätten dafür gesorgt, dass sie im Malteser Krankenhaus auch ohne Versicherungsschutz operiert und behandelt wurde, dafür sei die Familie bis heute sehr dankbar. Mit familiärem Engagement habe man noch versucht, die Gaststätte in der Zeit ihrer Krankheit und Genesung weiterzuführen, doch ohne die erfahrene Wirtin sei das nicht machbar gewesen. So ging die Gaststätte in andere Hände über.

Helga Hirdina blieb aber am Ort. Sie musste weitere Schicksalsschläge erdulden, wie den Tod ihrer jüngeren Tochter. Ihr Enkel blieb aber in der Nähe und sorgte für sie, gerade als ihre Kräfte nachlassen und sie auf Unterstützung angewiesen war. Der Kontakt zwischen Helga Hirdina und dem Arzt, mit dem sie in stiller Übereinkunft so vielen Menschen geholfen hat, sei zum Glück nie abgebrochen, sagt René Hirdina. Auch erinnerten sich in der Nachbarschaft noch viele ältere Menschen an die wohltätige Bürgerstuben-Wirtin.


Helga Hirdina ist am 23. Juni gestorben, am 17. Juli um 9 Uhr findet auf dem Friedhof Leidenhausen das Begräbnis statt.