30 Prozent der öffentlichen Parkplätze sollen wegfallen. Rechtfertigt der Klimaschutz den Eingriff in die individuelle Freiheit?
Tim Attenberger ist dafür: Selbst bei der Kölner CDU sei angekommen, dass eine Verkehrswende notwendig ist.
Thorsten Breitkopf argumentiert dagegen: Schließlich arbeiten viele Kölner eben nicht in der Innenstadt, sondern im Umland.
Köln – Der konsequente Abbau von Parkplätzen am Straßenrand in der Innenstadt gehört zu den zentralen Schalthebeln, wenn Politik und Stadtverwaltung es mit der Verkehrswende wirklich ernst nehmen wollen. Der Kölner Straßenschnitt ist vielerorts der einer mittelalterlichen Stadt. Das bedeutet, dass die Straßen in der Regel eher eng gestaltet sind, so dass nur sehr wenig Platz für Fußgänger und Radfahrer übrig bleibt. Sind die Fahrbahnränder dann auch noch von parkenden Autos gesäumt, bleiben oft nur extrem schmale Streifen frei. Deshalb bleibt nur ein Weg, um dem Radverkehr und den Fußgängern einen modernen Ansprüchen entsprechenden Raum zur Verfügung zu stellen – möglichst viele Parkplätze müssen weg.
Hinzu kommt, dass die meisten Autos in der Innenstadt dauerhaft parken – das unansehnliche Blech verstopft die Straßen also permanent und nicht nur kurzzeitig, wenn etwa jemand kurz ein Geschäft besucht. Studien zeigen, dass die Einwohner der Innenstadt oft ein Auto besitzen, es aber tatsächlich überhaupt nicht regelmäßig benutzen, weil sie eher zu Fuß, mit der Bahn, dem Bus und dem Fahrrad unterwegs sind.
Quartiersgaragen statt Parkplätze, die Straßen verstopfen
Der Einzelhandel hat längst erkannt, dass ein Parkplatz vor der Tür des Ladenlokals heutzutage im Wettbewerb überhaupt keinen Vorteil mehr bietet. Schwere und große Gegenstände werden ohnehin von Profis ausgeliefert. Niemand schleppt einen schweren Schrank, den er in einem Möbelgeschäft auf den Ringen gekauft hat, selbst zu seinem Auto und transportiert die Ware nach Hause. Die Zukunft gehört Ladenlokalen, in denen die Ware zu besichtigen ist, in denen sie aber nicht zur Mitnahme bereit liegt. Insofern gibt es keinen vernünftigen Grund, jetzt noch an Parkplätzen festzuhalten.
Die Stadt sollte sich stattdessen lieber darauf konzentrieren, neue Quartiersgaragen zu schaffen und für die bestehenden Parkhäuser ein besseres Parkplatzmanagement zu installieren. Autos gehören in Garagen und Parkhäuser, nicht aber an den Straßenrand, wo sie die Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner einschränken.
Ein Drittel weniger Parkplätze – das ist kein radikaler Ansatz
Für die Besucher, die aus dem Speckgürtel in die Innenstadt gelangen wollen, gibt es ebenfalls Lösungen. Sie sollten auf den öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen oder – wenn das nicht möglich ist – ihr Fahrzeug auf einem der vielen Park-and-Ride-Plätze am Rande der Stadt abstellen. Von dort aus ist der Weg in die Innenstadt meist innerhalb von zehn bis 20 Minuten bewältigt.
Niemand hat übrigens gesagt, dass sämtliche Parkplätze am Straßenrand verschwinden sollen – es geht derzeit um ein Drittel. Das ist weit entfernt von einem radikalen Ansatz. Selbst bei der Kölner Großstadt-CDU ist längst angekommen, dass eine Verkehrswende notwendig ist. Und auch hier sperrt sich die Ratsfraktion nicht mehr, sich an das unliebsame Thema Parken in der Innenstadt heranzuwagen. Es ist die Erkenntnis gewachsen, dass eine Mobilitätswende ernsthaft notwendig ist, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Deshalb wäre es jetzt auch wichtig, die Parkplätze, die weiterhin existieren, so schnell wie möglich mit Elektroladesäulen auszurüsten.
Tim Attenberger, (42) ist stellvertretender Leiter der Lokalredaktion Köln. Als langjähriger Bewohner der Innenstadt hält er Parkplätze am Straßenrand für ein Hindernis für den Ausbau des Radwegenetzes.
Verbote aus einer Ökologie getriebenen Großstadtblase heraus
Um 30 Prozent will das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt die öffentlichen Parkplätze in Köln reduzieren. Und außerdem das Parken auf Gehwegen und sogar auf ungenutzten „Mittelalleen“ soll verboten werden. Das ist keine grüne Dystopie für Autofahrer, was Sie hier lesen, oder die Forderung einer radikalen Umweltgruppe. Das ist die Forderung der Mehrheitsparteien. Die aber scheinen aus einer Ökologie getriebenen Großstadtblase heraus durch Verbote die Realität verdrehen zu wollen.
Aber erstmal sachlich. Wer gewinnt, wer verliert, wenn Köln weniger Parkplätze hat? Am Ende soll das Klima gewinnen, gut. Die Anwohner, die ein Auto haben und in der Stadt arbeiten, werden dieses nicht mehr mit verhältnismäßigem Aufwand nutzen können, sofern sie keinen privaten Stellplatz haben. Sie werden auf den ÖPNV umsteigen müssen.
Köln lebt davon, dass Leute aus dem Umland in die Stadt kommen
Was aber ist mit denen, die eben nicht in der Stadt arbeiten, sondern im Umland. Vielen Großstädtern ist offensichtlich nicht klar, dass man Grevenbroich, Waldbröl oder die Eifel nicht mit Bus und Bahn erreicht. Umgekehrt sind die Folgen noch viel drastischer. Köln lebt davon, dass die Menschen aus dem Umland mit ihren Autos nach Köln kommen, um dort zu shoppen, auszugehen oder Freunde zu treffen. Wie sollen sie das machen ohne Auto.
Ein Beispiel: Ich wohne in einem Vorort von Neuss. Wenn ich es am Sonntag nicht schaffe, Köln vor 23 Uhr per ÖPNV zu verlassen, wird das vor dem nächsten Morgen nichts mehr mit nach Hause kommen. Außerdem dauert die Fahrt statt 35 Minuten etwa 1 Stunde 30 bis 1 Stunde 50 , sofern es keine Verspätungen gibt. Und die Zeiten beziehen sich selbstverständlich nur auf eine Wegstrecke. Und was ist mit den Handwerkern: Sollen die Heizkessel mit der KVB transportieren?
Eine wettbewerbsfähige Alternative muss her
Bevor also Parkplätze voreilig abgeschafft werden, muss eine brauchbare, und zeitlich wettbewerbsfähige Alternative geschaffen werden. Nicht umgekehrt. Und diese Alternative muss ÖPNV heißen, und nicht nur Fahrrad. Denn das ist etwas für den Weg von A nach B in der Stadt, aber nichts für den täglichen Weg aus Waldbröl oder Frechen nach Köln. ÖPNV meint auch, einen vergleichbaren Verkehrsträger zu schaffen. Das Land NRW benennt seit 2018 sieben Orte Kölns als „Kriminalitätsbrennpunkte“, darunter Hauptbahnhof-Breslauer Platz, Neumarkt, Ebertplatz, Heumarkt und Alter Markt sowie Wiener Platz. Alle sind Knotenpunkte des ÖPNV. Solche „Kriminalitätsbrennpunkte“ sollen eine sichere Alternative zu meinem Auto sein?
Zurück zum Auto: Für diverse Menschen aus dem Umland ist es der Weg zur Freiheit, oder kleiner gesprochen, nach Köln, etwa zum Einkauf. Köln – eine Autostadt mit 18000 Menschen, die täglich am Kleinwagen Ford-Fiesta direkt oder indirekt arbeiten – braucht die Kunden und Gäste, die gerne hier her kommen. Und auch ihr Geld hier lassen. Manche scheinen zu vergessen, dass Kölns mit weitem Abstand größter Arbeitgeber ein Autohersteller ist.
Thorsten Breitkopf, (44) leitet das Wirtschaftsressort. Er ist gegen den Abbau von Parkplätzen, vor allem, solange der ÖPNV das Umland nicht adäquat anbindet. Rad ist für ihn keine Alternative.