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Nach 194 Tagen IsolationshaftKölnerin Nahid Taghavi droht Gefängnisstrafe

Lesezeit 4 Minuten
Nahid Taghavi

Nahid Taghavi soll im Iran der Prozess gemacht werden.

Köln/Teheran – „237,“ sagt Mariam Claren ohne zu überlegen, sie habe das Tagebuch vor sich liegen. „Es sind 237 Tage.“ Seit 237 Tagen ist ihre Mutter Nahid Taghavi im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert. Seit 237 Tagen könne ihre Mutter nicht mehr ruhig schlafen. „Und ich auch nicht, es ist ein permanenter Krisenmodus“, sagt die Tochter.

Am vergangenen Sonntag stand die Kölnerin Nahid Taghavi so vor dem genannten Revolutionsgericht – ein Urteil gab es noch nicht. Dass das Verfahren fair verläuft, ist äußerst zweifelhaft. Bis heute ist nicht ganz klar, was ihr überhaupt zur Last gelegt wird. „Während in der Türkei immer davon die Rede ist, politische Gefangene seien Terroristen oder würden Terrororganisationen unterstützen, spricht der Iran meistens von ‚Verschwörungen‘, um einen Umsturz zu planen“, sagt Mariam Claren. Es könne eine Petitesse sein, ein unbedacht in der Öffentlichkeit geäußerter Satz, der ihre Mutter zu einer vermeintlichen Staatsfeindin gemacht habe.

„Im Iran gibt es keine Meinungsfreiheit“

Taghavi setzt sich allerdings auch offen für Frauenrechte im Iran ein, veröffentlicht dazu Schriften, sagt ihre Meinung. „Im Iran gibt esaber keine Meinungsfreiheit. Insofern kann es gefährlich sein, das zu tun“, sagt Claren. Taghavis Anwälten wurde lange Zeit die Einsicht in die Anklageschrift verweigert. Wochenlang durfte die Beschuldigte weder mit ihrem Rechtsbeistand noch mit Verwandten sprechen.

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Mariam Claren sorgt sich sehr um ihre Mutter.

Immerhin wisse sie inzwischen, dass ihre Mutter nicht der Spionage verdächtigt werde, sagt die Tochter. „Vielen Doppelstaatlern wird Spionage vorgeworfen – es ist einer der schlimmsten Vorwürfe überhaupt.“ 194 Tage hat Nahid Taghavi in Isolationshaft verbracht, 164 davon in Einzelhaft. Über drei Monate sei ihre Mutter täglich zehn bis zwölf Stunden lang verhört worden. „Die Bedingungen in der Isolation sind absolut unmenschlich“, sagt die Tochter. Betten oder Matratzen gebe es nicht, ihre Mutter habe auf einer Decke auf dem Steinfußboden schlafen müssen. Zwar habe sie genug zu essen bekommen, aber keine Vitamine. 30 Minuten pro Tag sei sie durch einen Hof geführt worden – „immer mit Augenbinde“. Sie sei Diabetikerin und habe zunächst keine Medikamente bekommen. Seit der Isolationshaft habe sie Haarausfall und starke Rückenschmerzen, ihre Haut sei rissig und aufgeplatzt, sie habe stark abgenommen und könne nicht gut schlafen, berichtet die Tochter.

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Inzwischen befinde sich ihre Mutter im Frauentrakt des Gefängnisses, hier teile sie sich mit zehn bis 15 weiblichen Inhaftierten eine Zelle, die Bedingungen seien etwas besser. Dreimal pro Woche darf Nahid Taghavi jetzt telefonieren, sonntags für eine halbe Stunde besucht werden. „Schlafen kann sie noch nicht gut. Am Anfang hatte sie keinen Appetit, weil ihr Magen sich stark verkleinert hatte“, sagt Mariam Claren, die von Köln aus seit dem Tag der Inhaftierung am 16. Oktober 2020 für ihre Mutter kämpft.

Mehrmals pro Woche spricht die 41-jährige mit der deutschen Botschaft in Teheran und mit dem Auswärtigen Amt, sie steht in ständigem Kontakt zu Menschenrechtsorganisationen, Journalisten und den Geschwistern ihrer Mutter in Teheran. Claren hat die Initiative „Free Nahid“ gegründet und hofft – bislang vergeblich – auf ein öffentliches Statement von Außenminister Heiko Maas. „Ich hoffe, dass im Hintergrund diplomatisch viel mehr passiert als das, was ich erfahre“, sagt sie.

Die Architektin Nahid Taghavi kam 1983 mit ihrer damals einjährigen Tochter Mariam nach Deutschland. Seit 2003 hat Taghavi einen deutschen Pass, seit gut 15 Jahren pendelt die 66-Jährige zwischen Köln und Teheran. Nie habe es Probleme gegeben – bis zum 16. Oktober 2020, als ihre Mutter von zwölf Männern in ihrer Wohnung überwältigt worden sei, „als wäre sie eine Schwerverbrecherin. So viel auch zur Scharia, die vorschreibt, dass Männer Frauen nicht anfassen dürfen“.

Fünf Monate durfte Claren nicht mit ihrer Mutter telefonieren. Als sie im März zum ersten Mal wieder ihre Stimme hörte, habe sie ihr von der Kampagne erzählt und versprochen, zu helfen, sie aus dem Gefängnis zu holen. „Danke, aber es ist noch nicht vorbei“, habe die Mutter geantwortet. Was der Prozess bringt, sei völlig offen, glauben Taghavi und ihre Tochter. Sie hoffen auf eine Freilassung, aber auch eine langjährige Haft sei denkbar. Aktuell wird mit dem Iran über eine Wiederbelebung des Atomwaffendeals verhandelt – auch Deutschland ist bei den Gesprächen dabei. „Das Verhältnis zu Deutschland ist dem Iran sehr wichtig“, sagt Claren. Darauf basiert die Hoffnung, dass ihre Mutter bald nach Köln zurückkehrt.