Noam Chomskys Fazit zu Donald Trump„Die gefährlichste Regierung der Weltgeschichte“
- Der Wissenschaftler Noam Chomsky hält Donald Trumps Administration für die gefährlichste Regierung der Weltgeschichte. Joe Bidens Versuch, die USA zu einen, blickt er mit Skepsis entgegen.
- Ein Gespräch.
Herr Chomsky, Donald Trump ist nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten. Wie fühlt sich das an?Noam Chomsky: Es fühlt sich gut an, diesen bösartigen Tumor los zu sein, der uns hätte zerstören können. Weitere vier Jahre Trump hätten uns vielleicht zu einem irreversiblen Kipppunkt gebracht. Die Trump-Administration war die gefährlichste Regierung der Weltgeschichte.
Wie bitte? Gefährlicher als Hitler?
Hitler war furchtbar, keine Frage. Er verkörperte vielleicht den tiefsten Punkt, an den die Menschheit jemals gesunken ist. Aber hat Hitler daran gearbeitet, die Möglichkeiten für menschliches Leben auf der Erde zu zerstören? Trump hat es getan! Es gibt keine andere politische Figur in der Geschichte, die ihre Hauptanstrengungen dem Versuch gewidmet hat, die Aussichten für menschliches Leben auf der Erde zu zerstören. Trump hat sehr hart daran gearbeitet, die Nutzung fossiler Brennstoffe zu maximieren und die Regulierungen zu beseitigen, die ihre Auswirkungen etwas abgemildert haben. Es war ein Wettlauf in die Katastrophe. Und die Trump-Regierung wusste genau, was sie tat. Das ist doch Irrsinn!
Trump hat sich vielleicht nicht um die Konsequenzen seiner Politik gekümmert. Aber es war sicher nicht sein Ziel, die Menschheit auszulöschen...
Ich glaube, dass es ihm egal war. Er wusste, was geschehen würde. Wir haben nur noch wenig Zeit, um die globale Erwärmung einzugrenzen. Vier Jahre, die die Krise beschleunigt haben, sind ein nie dagewesenes Verbrechen.
Am 20. Januar wurde Joe Biden als neuer US-Präsident vereidigt. Wird jetzt alles gut?
Bidens erste Schritte sind ermutigend. Aber es gibt viele Probleme, die zu bewältigen sind, und seine eigenen Programme reichen bei weitem nicht aus, um mit den beiden wichtigsten Problemen fertig zu werden, die das Überleben unserer Spezies gefährden können: die wachsende Bedrohung durch einen Atomkrieg und die Umweltkatastrophe. Im Grunde genommen ist alles andere unwichtig, wenn diese Probleme nicht angegangen werden.
Was hat einen Atomkrieg wahrscheinlicher gemacht?
Es gab ein Rüstungskontrollregime, das über fast 60 Jahre mühsam aufgebaut wurde. Aber Trump hat es demontiert. Es ist fast vollständig weg! Darüber hinaus haben Trump und andere Initiativen zur Entwicklung neuer und weitaus gefährlicherer Atomwaffen gestartet. Kombiniert mit provokativen Aktionen in vielen Teilen der Welt und einer Reihe von ungerechtfertigten Angriffen auf den Iran – von Attentaten, Sabotage, Cyberkrieg bis hin zu vernichtenden lähmenden Sanktionen – hat dies die Gefahr eines Atomkriegs stark erhöht.
Weil sie mit ihrer Politik dazu beiträgt, die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören, nennen Sie die Republikanische Partei die gefährlichste Organisation in der Geschichte der Menschheit. Glauben Sie, dass die Partei in der Lage sein wird, sich nach Trump neu zu erfinden?
Die Partei ist jetzt sehr zerrissen. Das eine ist die Wählerbasis, die größtenteils von Trump kontrolliert wird. Seine Unterstützung bei der Basis ist nach dem 6. Januar sogar noch gestiegen. Er kontrolliert diesen Teil der Partei. Dann gibt es den anderen Teil: die Spenderklasse, die Wohlhabenden. Sie mochten Trump nicht, aber sie waren bereit, ihn zu tolerieren, solange er ihre Taschen ordentlich vollmachte. Aber der 6. Januar war zu viel. Sie sagten ihm: Es ist vorbei! Die National Association of Manufacturers, die Chamber of Commerce, führende Unternehmensführer, Führungskräfte der Finanzbranche wendeten sich von ihm ab. Auch im Senat tat sich etwas. Einige führende Republikaner begannen abzudriften, als einflussreiche Spender sich von Trump distanzierten. Mitch McConnell muss sich jetzt entscheiden: Geht er auf die Wählerbasis oder die hohen Tiere ein, denen er dient und die ihn finanzieren? So einfach ist das!
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In seiner Antrittsrede sagte Präsident Biden, eine seiner wichtigsten Aufgaben sei es nun, das Land wieder zu vereinen und zu versöhnen. Wird ihm das gelingen?
Ich wünsche es mir, aber ich kann keine Anzeichen dafür erkennen. Die Republikaner sind heutzutage so extrem. Es gab eine Zeit, da gab es gemäßigte Republikaner. Aber dieser Teil der Partei ist fast verschwunden. Vor Biden hat Obama versucht, das Land wieder zu vereinen und zu versöhnen, aber er ist damit vollständig gescheitert. Wahrscheinlich wird auch Biden scheitern, weil die Republikaner keine Versöhnung wollen. Sie wollen nicht kooperieren. Sie wollen wieder an die Macht kommen.
In Ihrem neuen Buch „Rebellion oder Untergang“ beschreiben Sie die Erosion der Demokratie als die dritte große Gefahr für die Menschheit. Welche Rolle spielt Trump dabei?
Erosion der Demokratie klingt zunächst nicht so gefährlich wie die Gefahr eines Atomkriegs oder die Umweltkatastrophe. Aber sie ist gefährlich, denn nur eine lebendige Demokratie, in der engagierte Bürger sich beteiligen, diskutieren, Programme aufstellen und Politiker unter Druck setzen, diese auch umzusetzen, kann mit den ersten beiden Problemen klarkommen. Aber Trump hat die Regierung entkernt und in ein persönliches Lehen verwandelt. Das extremste Beispiel haben wir gerade gesehen. Er hat die Wahl nicht akzeptiert, weil er sie nicht gewonnen hat. Welche extremere Aushöhlung der Demokratie kann es geben? Und er hat die Wählerbasis der Republikaner mitgerissen. Eine Mehrheit der republikanischen Wähler glaubt, dass die Wahl gestohlen wurde, weil Trump das gesagt hat. Das sind Symptome des Faschismus.
In „Rebellion oder Untergang“ rufen Sie zu zivilem Ungehorsam auf. Als Trumps Unterstützer am 6. Januar zum Kapitol marschierten, nannten sie es auch einen Akt zivilen Ungehorsams...
Das war kein ziviler Ungehorsam, das war ein Putschversuch! Eine gewählte Regierung zu stürzen und durch eine andere zu ersetzen, ist ein Putsch. Und das ist es, was sie versucht haben. Es war nicht die Art von Putsch, die wir aus den von den USA geführten Bananenrepubliken kennen. Es war nicht so gewalttätig und brutal. Das Militär kam nicht herein und setzte eine andere Regierung ein. Es war nicht die Art von Putsch, die wir überall auf der Welt unterstützen. Aber es war ein Putschversuch. Viele Historiker, die zum Faschismus forschen, vergleichen den Sturm auf das Kapitol mit dem Hitlerputsch von 1923. Trump hat versucht, den Putsch anzuzetteln.
Zur Person
Noam Chomsky wurde am 7. Dezember 1928 in Philadelphia (USA) als Sohn jüdischer, russischstämmiger Eltern geboren. Er ist emeritierter Professor für Sprachwissenschaft und Philosophie am Massachusetts Institute of Technology.
Chomsky hat die moderne Linguistik revolutioniert und ist einer der bekanntesten linken Intellektuellen. Seit dem Vietnamkrieg ist er scharfer Kritiker der amerikanischen Außen- und Wirtschaftspolitik und des globalen Kapitalismus.
Noam Chomsky: „Rebellion oder Untergang. Ein Aufruf zu globalem Ungehorsam zur Rettung unserer Zivilisation“, Westend Verlag, 128 S., 15 Euro
Derzeit haben die meisten Menschen mehr Angst vor Corona. Wie gefährlich ist die Pandemie?
Nun, ich spreche aus Arizona zu Ihnen. Arizona hat gerade einen Titel gewonnen: Weltmeister in Corona-Fällen pro Kopf. Arizona ist ein Staat im reichsten Land der Welt, doch mit der Pandemie kommt es nicht klar! Ich bin 92 Jahre alt, aber ich habe keine Ahnung, wann ich endlich meine Impfung bekommen kann. Ich stehe auf einer Liste. Aber jedes Mal, wenn ich anrufe, sagen sie: „Warten Sie, bis wir Sie anrufen, o. k.?“ Es gibt tiefgreifende Gründe, warum das reichste Land der Welt so schlecht mit der Pandemie zurechtkommt. In seinen ersten Tagen im Amt im Jahr 2009 rief Obama den Presidential Scientific Advisory Council zusammen. Er bat die Wissenschaftler, ein Programm zur Pandemiebekämpfung zu erstellen. Trumps erste Handlung war es, das gesamte Programm zu demontieren. Jedes Jahr strich er das Budget des Centers for Disease Control zusammen. Sogar nachdem die Pandemie im letzten Februar begann!