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Verhandlung vor AmtsgerichtKölner Polizisten sollen Corona-Leugner misshandelt haben

Lesezeit 6 Minuten
Amtsgericht Köln BAUSE

Das Kölner Amtsgericht an der Luxemburger Straße

Köln – Der Fall ist ausgesprochen heikel. Am Freitagmorgen müssen sich zwei Polizeibeamten vor dem Kölner Amtsgericht verantworten, weil sie im April 2020 einen mutmaßlichen Corona-Leugner bei einer Kundgebung auf dem Heumarkt in der Altstadt aus dem Verkehr gezogen und misshandelt haben sollen.

Auch sollen die Beamten nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ den 27-jährigen Deutschen mit kambodschanischen Wurzeln unrechtmäßig ins Polizeigewahrsam verfrachtet und anschließend eine Strafanzeige mit falschen Angaben über angebliche Beleidigungen geschrieben haben, um die gewaltsame Festnahme zu rechtfertigen.

Als Beweis führt Ulf Willuhn, Leiter der politischen Abteilung der Kölner Staatsanwaltschaft, etliche Handy-Videos über den Einsatz an, die durch andere Corona-Demonstranten in die sozialen Netzwerke gestellt wurden. Laut Anklage widersprechen diese Clips der Darstellung der Polizisten.Aus Sicht des Verteidigers Christoph Arnold stellt sich der Fall allerdings anders dar: „Die Beamten wurden als Bullen beschimpft, und auch noch als dumm und bescheuert diffamiert. Diese Einsätze gegen Corona-Gegner und Querdenker sind ohnehin schon schwierig, und nun landen die Polizisten auch noch für ihren Einsatz vor Gericht. Das kann nicht sein.“

Verfahren führt in Kölner Querdenker-Szene

Das Verfahren führte tief in die Kölner Querdenker-Szene. 26. April 2020. Auf dem Heumarkt versammelten sich einige Dutzende Demonstranten, um gegen die einschränkenden Maßnahmen der Corona-Schutzverordnung zu protestieren. Eine Mahnwache namens dsdg (Deutschland sucht das Grundgesetz) hatte dazu aufgerufen. Als Organisator fungierte Jörg Berchem, nach eigener Auskunft ein promovierter Philologe, der sich mit Ethnobotanik und der Beziehung zwischen Umwelt und Mensch beschäftigt. Jay B. Joyful, sein Künstlername, unterhält eine Naturheilpraxis.

Seit dem Frühjahr organisierte Berchem Spaziergänge für das Grundgesetz und Kundgebungen gegen die Corona-Schutzverordnung. Er selbst beteuerte stets, dass er mit den rechten oder linken Corona-Leugnern nichts gemein habe. Doch so manche seiner Reden lassen an dieser Aussage zweifeln: Auf einer Kundgebung warf der Mann mit den langen Rasta-Haaren den staatlichen Behörden Kindesmissbrauch vor, weil auch Kinder in der Pandemie Masken tragen sollten. Die Staatsanwaltschaft führt den Corona-Skeptiker, der behauptet, dass die Schutzmaßnahmen alleine auf Grund einer Modellrechnung verordnet worden seien, als einen der Zeugen im Prozess gegen die Polizeibeamten. Ein Großteil weiterer Zeugen stammt offenbar aus demselben Lager.

Rechts-esoterische Initiative „Gold, Rot, Schwarz“

Da ist zum Beispiel Johanne Liesegang. Die Auraleserin soll eine erklärte Impfgegnerin sein. Die Naturheilpraktikerin rief dazu auf, keine Krankenhäuser aufzusuchen, da dort tödliche Medikamente verabreicht würden. Auch fungierte sie zeitweilig als Kölner Ansprechpartnerin der rechts-esoterischen Initiative „Gold, Rot, Schwarz“, die der Reichsbürgerszene nahestand. Auf ihrem Youtube-Kanal wetterte die 51-jährige Seherin gerne schon einmal über Polizeiwillkür und den Unrechtsstaat. Zudem machte sie häufig Werbung für die Grundgesetz-Mahnwachen von Jörg Berchem. Der Philologe hatte an jenem Nachmittag Ende April 2020 bereits die Versammlung aufgelöst.

Doch etliche Demonstranten wollten noch nicht gehen. Eine Spontanversammlung sollte folgen. Schilder wurden hochgehängt mit kruden Sprüchen: „Vorsicht Diktatur“. Eine Mischung aus Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und normalen Bürgern schrie und johlte durch die Gegend. Etliche verstießen gegen die Maskenpflicht und die Abstandsregeln.

Hauptkommissar drohte das Ganze aufzulösen

Als sich einer der beiden angeklagten Polizeibeamten nach dem neuen Veranstaltungsleiter erkundigte, wurde ihm beschieden, dass es keinen gebe. Das Corona-Happening gehe einfach weiter. Polizeihauptkommissar Peter L. (Name geändert) drohte das Ganze aufzulösen. Es war ein langer Tag gewesen und nicht ersichtlich, warum man bei den wenigen versprengten Protestlern weiterhin auf die Einhaltung der Hygieneverordnungen achten sollte.

In jener Phase baute sich Aadan S. (Name geändert) vor dem Beamten auf. Der Bonner, der keine Schutzmaske trug, blaffte lautstark die Beamten an. S. verstand nicht, warum die „Bullen“ keine Masken tragen müssten im Gegensatz zu den Demonstranten. Eine anderthalbminütige Tirade folgte: „Wieso dürft ihr Bullen dann trotzdem? … wieso habt ihr mehr Rechte? … sind Sie immun gegen Corona und wir nicht oder was? Nur weil wir keine Bullen sind oder was? Sind Sie bescheuert? Sind Sie blöde? Wie ergibt das einen Sinn? Sagen Sie mir, wie es sein kann, dass Sie immun sind und ich nicht? Sie wissen, dass das ein Widerspruch ist … weil ihr Bullen seid oder was?“

Video zeigt Auftreten der Beamten

Polizeihauptkommissar L. hatte genug. Auf dem Video, das FOCUS Online vorliegt, ist zu sehen, wie er einen Ausfallschritt machte und die Personalien seines Gegenübers verlangte. Dann eskalierte die Situation: Ohne eine Antwort abzuwarten, stürzte sich der Beamte mit seinem Kollegen auf den Demonstranten. Unter lautem Protestgeschrei der restlichen Teilnehmer warfen die Polizisten Aadan S. nieder, nahmen ihn in den Schwitzkasten und fixierten ihn.

„Wichser, ihr Schweine.“ Aufgebracht beschimpften Corona-Aktivisten die Einsatzkräfte. Rufe wurden laut: „Wir sind das Volk.“ Dass es sich bei den Demonstranten um eine verschwindend geringe Minderheit handelte, spielte keine Rolle. Die Männer und Frauen sahen sich in ihren Klischees bestätigt, dass die staatlichen Pandemie-Büttel mit übertriebener Gewalt gegen „einen Ausländer“ vorgingen, „der nur ein paar Fragen stellen wollte“.

Keine Anhaltspunkte zur Aussage

Anwalt Arnold erklärt dazu: „Einige Demonstranten haben versucht, den Mann zu befreien und meinem Mandanten die Pistole aus dem Holster zu ziehen, hier von Misshandlungen zu sprechen wird dem Sachverhalt nicht gerecht“. Die Staatsanwaltschaft fand auf dem Video keine Anhaltspunkte für diese Aussage. Das wäre auch schwierig gewesen, denn ein Menschenpulk sowie ein Sperrriegel von Polizisten verhinderte den Blick auf die Festnahme und die Fixierung des Protestlers.

Konflikte bei Einsätzen gegen Corona-Skeptiker und Querdenker-Szene häufen sich zusehends. Der Fall hätte strafrechtlich nicht diese Fallhöhe erreicht, wäre nicht Folgendes laut Anklage geschehen: Die beiden Polizeibeamten sollen in ihrer Strafanzeige gegen Aadan S. falsche Fakten hinzugedichtet haben. So soll der 27-jährige Querulant die umstehenden Zuschauer gegen die Beamten mit den Worten aufgewiegelt haben: „Die Bullen sollen verschwinden. Die Bullen sind dazu da, die Grundrechte zu schützen, nicht zu stören.“ Auch habe sich Aadan S. geweigert habe, seine Sprüche zu unterlassen und seine Papiere nicht mit der Begründung nicht vorgezeigt: „Warum soll ich mich ausweisen, die Bullen brauchen meinen Namen nicht.“ Genau diese Passagen finden sich nicht auf den Handy-Videos vom Einsatz wieder.

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Die Staatsanwaltschaft stellte das Widerstands-Verfahren gegen Aadan S. ein. Begründung: Das Wort Bulle sei inzwischen ein „umgangssprachliches Synonym“, der Demonstrant habe dies auch nicht in „ehrabschneidender Herabsetzung“ benutzt.

Vielmehr müssen sich nun die beiden Polizeibeamten vor Gericht verantworten. Dort wird die Verteidigung allen Zeugen aus der Corona-Protestszene auf den Zahn fühlen. Man darf gespannt sein, ob diese mit oder ohne Maske vor Gericht auftreten werden.