Prozess in KölnFotograf soll sechs Kinder sexuell missbraucht haben
Köln – Was sind Interpretationen, und was ist tatsächlich geschehen? Diese Frage stellt sich immer wieder im Prozess gegen einen Kinderfotografen, der angeklagt ist, seit 1999 sechs Jungen zwischen sieben und 13 Jahren, die zu seinen Models gehörten, sexuell missbraucht zu haben.Am Dienstag sagte unter anderen ein 27-jähriger Mann, der als Grundschüler gemodelt hat, im Landgericht aus. „Sexuelle Handlungen an mir hat er nicht vorgenommen“, hielt er fest.
Einmal allerdings, als er im Porsche des Fotografen mitgefahren sei, habe dieser eine Hand auf seinen Oberschenkel gelegt. Darauf habe er sie zurückgeschoben.
Harmloser Ausdruck von Zuneigung oder sexueller Übergriff?
„Die Hand kam wieder, und ich tat sie wieder weg.“ War dies schon ein sexueller Übergriff, wie es später ein Polizist nannte? Oder nur die Geste eines Mannes, der gern Körperkontakt suchte, ein harmloser Ausdruck von Zuneigung. „So wie die Oma einen in die Wange kneift“, sagte der Zeuge. Freilich habe sich Ähnliches wiederholt, als er und der Angeklagte einmal mit Spielkonsolen nebeneinander auf der Couch gesessen hätten. Auch da habe er dessen Hand von seinem Bein weggeschoben.
Als der 27-Jährige den Saal verlassen hatte, sagte Verteidiger Ulrich Sommer, kein erwachsener Mensch könne sich an eine solche „belanglose Handlung“ in der Kindheit erinnern. Jeder der Zeugen habe unter dem Eindruck des Vorwurfs, der seinem Mandanten gemacht werde, eine „bestimmte Vorstellung, was wahr und was nicht wahr ist“, und neige dazu, seine Aussage danach auszurichten, was mit bestimmter Absicht gefragt werde.
Fotos im Einwegkamera
Eine 43-jährige Frau, deren Sohn Modell gestanden hatte, sagte, sie habe „von Anfang an kein gutes Gefühl“ gehabt. „Ich habe meinen Sohn nicht allein gelassen“, betonte sie. Beim näheren Betrachten des Kindermode-Magazins, das der Angeklagte mit seinen Fotos bestückte, hätten ihr Bilder von Kindern missfallen, die beispielsweise bloß mit einer Unterhose bekleidet gewesen seien oder die Beine „gespreizt“ hätten. „Wir hatten das Gefühl: Das ist ein Magazin, in dem unser Sohn nicht dargestellt werden sollte.“ An fünf Shootings nahm er teil.
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Eine andere Mutter schilderte eine Szene, die sie „sehr irritiert“ habe, wohl weil sie ihr unprofessionell vorkam: Der Angeklagte habe ihren Sohn, den sie begleitet habe und der zu Werbezwecken die Badehose eines Sportartikelherstellers habe anziehen müssen, im Aqualand nur mit einer „Einwegkamera“ fotografiert. „Ich war in dem Moment total perplex“, so die Zeugin. „Es ist nichts vorgefallen, aber ich hatte ein ganz blödes Gefühl.“ Verteidiger Sommer merkte hinterher an, mit einer solchen Kamera habe sein Mandant „eine der erfolgreichsten Fotostrecken“ für einen Automobilhersteller gemacht. „Der kleinste Fetzen wird herangezogen, um irgendein Bild aufzublasen.“