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Raubüberfälle in KölnWie kriminelle Clans ihre spektakulären Coups planen

Lesezeit 5 Minuten
ClanTeil-7 (1)

  1. Neben Erpressung, Drogen- und Waffenhandel und Betrug haben sich einige Mitglieder krimineller Großfamilien in NRW auf Raubüberfälle spezialisiert – auch in Köln.
  2. Die Räuber planen ihre Taten ausgeklügelt und gehen perfide vor, um an nützliche Informanten zu kommen.
  3. Die letzte Folge der siebenteiligen Serie im „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Parallelwelt krimineller Großfamilien in NRW.

Köln – Die Männer planten einen heiklen Coup: Im Herbst 2018 wollten sie Tresore und Geldautomaten einer Filiale der Stadtsparkasse Köln an der Frankfurter Straße in Ostheim plündern. Da die Millionenbeute aus ihren Überfällen der vergangenen zwei Jahre zur Neige ging, suchte die Bande nach einem neuen Objekt, um ihr Luxusleben mit noblen Sportwagen, kostspieligen Uhren, teuren Immobilien und Goldgeschäften weiter ausleben zu können.

So steht es in Ermittlungspapieren der Polizei. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen die Männer zunächst eine Putzfrau der Sparkasse angeheuert haben. Sie sollte ihnen Details zu den Alarmsystemen, Sicherheitscodes und zur Lage der Kassenräume liefern. Zudem absolvierte einer der Verdächtigen für 50.000 Euro einen speziellen Kurs bei einer Hamburger Firma für Sicherheitstechnik, um eigens geschützte Räume und Tresore öffnen zu können.

Berliner Polizisten sichern den Geldtransporter, der im Oktober 2018 überfallen und ausgeraubt wurde. 

Housein El K., mutmaßliches Mitglied einer arabisch-kurdischen Großfamilie aus dem Ruhrgebiet, hatte den Ermittlungen zufolge eine besondere Aufgabe: Er sollte eine Mini-Kamera in dem Geldinstitut installieren. Zu diesem Zweck sollte ihn die Putzfrau in die Sparkasse einlassen und die Alarmanlage abschalten. Als die Bande in die letzte Phase ihres Vorhabens ging, schlug die Polizei zu. Im Dezember nahmen die Ermittler die fünf Männer und ihre beiden mutmaßlichen Informanten fest.

Zurückgelassene Box nach dem Überfall in Berlin

Es war das Ende einer der spektakulärsten Verbrechensserien in NRW der letzten Jahre. Laut Haftbefehl sollen die Tatverdächtigen seit dem November 2016 knapp 2,6 Millionen Euro erbeutet haben. Bei ihren Ermittlungen sind die Strafverfolger auf weitere mögliche Raubzüge im Raum Mönchengladbach gestoßen. Ende Dezember suchte die Polizei mit einem Phantombild nach einem flüchtigen Komplizen in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“. Der Tatverdächtige sei inzwischen aber dank anderer Beweismittel identifiziert, teilte die Staatsanwaltschaft Essen mit. Burkhard Benecken, einer der Verteidiger der Inhaftierten, wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern.

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Die ausgeklügelte Masche erinnert an die Edel-Betrüger-Filme Marke Hollywood wie „Ocean’s 11“ mit den Hauptdarstellern George Clooney und Brad Pitt. Dieser Zeitung liegen Unterlagen vor, die einen akribischen Ablauf der Geschehnisse schildern. Und die ein neues Licht auf die Welt der Clans und ihrer Machenschaften wirft. Denn: „Einige der Beschuldigten kommen aus dem Bereich dieser Großfamilien“, bestätigte ein Sprecher der ermittelnden Polizei in Recklinghausen auf Anfrage. So wie die Kino-Stars arbeiteten nach den Erkenntnissen der Ermittler auch die realen Verdächtigen mit Insidern.

Die Cannabis-Plantage in Köln

Die Geschichte begann am 10. November 2016. Ein Mitarbeiter eines Wachschutzes aus dem Westfälischen soll den Männern einen Schlüssel für einen Geldtransporter besorgt haben. Entsprechend instruiert folgten sie dem Wagen, der im Dortmunder Stadthaus parkte, damit die Wachmänner die umliegenden Geldautomaten auffüllen konnten. Von ihrem Informanten hatte die Bande laut den Ermittlungen erfahren, dass die beiden Mitarbeiter der Geldtransportfirma nur an dieser Stelle zusammen ihren Wagen verlassen würden. Und zwar entgegen der Vorschriften genau für eine Viertelstunde. Housein El K. und zwei seiner Komplizen sollen die Zeit genutzt haben, um das gesicherte Fahrzeug zu öffnen und die Geldkassetten mit gut 520.000 Euro zu leeren.

Wilde Verfolgungsjagd: Das Fluchtfahrzeug der Täter

Geldtransporter scheinen auf die kriminellen Zweige libanesisch-kurdischer Großfamilien einen enormen Reiz auszuüben. Auch wenn manche Raubzüge der Clan-Gangster im Desaster endeten: Am 19. Oktober 2018 stoppten zwei Fahrzeuge einen Geldtransporter an der Berliner Alexanderstraße. Maskierte Männer zwangen die Fahrer mit vorgehaltenen Schnellfeuergewehren zum Aussteigen und bogen die Hecktüren mit einer Hydraulikschere auf. Anschließend verfrachteten sie die Geldbehälter in ihre beiden Autos. Da aber die Kisten zu groß waren, fiel eine herunter, als die Räuber losfuhren. Schneller als erwartet tauchten Streifenwagen hinter ihnen auf. Die flüchtenden Gangster feuerten einige Salven auf ihre Verfolger ab, bevor sie einen Unfall bauten und ihren Wagen nebst Beute verlassen mussten. Zunächst konnten sie mit dem zweiten Fluchtfahrzeug entkommen. DNA-Spuren führten zu zwei Verdächtigen, darunter mutmaßliche Mitglieder des Remmo-Clans. Die Großsippe steht für etliche spektakuläre Verbrechen an der Spree, darunter auch Mord und der Diebstahl einer millionenschweren Goldmünze. Der Einfluss der Familie reicht inzwischen bis an die Ruhr. Die Ermittlungen gegen die Geldtransporter-Gang laufen noch.

Ein sichergestellter Pkw der Bande in Dortmund

So grob die Berliner Bande agierte, so filigran scheint ihr Gegenstück an der Ruhr und am Rhein agiert zu haben. Kleine Sachen kamen für Housein El K. und seine Mitstreiter den Ermittlungen zufolge nicht in Frage. Schließlich soll die Fünfer-Gruppe über den perfekten Insider verfügt haben, der stets wusste, wann Geldtransporter seiner Sicherheitsfirma im Pott unterwegs waren und wo gerade Geldautomaten befüllt wurden. So soll der Informant seinen Komplizen einen Originalschlüssel nebst Codekarte für einen Geldautomaten der Postbank in Werne übergeben haben. In der Nacht des 23. Junis 2017 wurden dort etwa 254  000 Euro entwendet.

Ein besonders dreister Coup soll dem Quintett im Dezember 2017 gelungen sein. Der Insider habe über die Lebensmittel-Kette K+K berichtet, die im nördlichen Westfalen und in Niedersachsen 215 Lebensmittelmärkte betreibt, heißt es in einem Justizpapier. In der Zentrale in Gronau liefen die Einnahmen zusammen, die täglich abgefahren wurden. Durch ihre Quelle sollen die Männer erfahren haben, dass sich die Abholer immer zehn Minuten vor Ankunft in der Firmenzentrale ankündigten. Zunächst beschafften sich die mutmaßlichen Clan-Verbrecher den Ermittlungen zufolge einen baugleichen Wagentyp der Marke VW T5. Dann spritzten sie den Transporter in schwarz um. Außerdem besorgten sie sich ein echt wirkendes Kennzeichen nebst einer Magnetfolie der Sicherheitsfirma WWS.

Das Tatfahrzeug für den Raub in Gronau

Am 19. Dezember 2018 sollen sich die falschen Wachleute bei der Zentrale der Handelskette gemeldet haben. Man komme heute zehn Minuten früher als üblich. Ohne misstrauisch zu werden, übergab eine Mitarbeiterin der Supermarkt-Gruppe den verplombten Geldkasten. Seelenruhig quittierten die Männer den Empfangsschein und fuhren von dannen. Mit einer Beute von 1,8 Millionen Euro.

Auf die Spur der Tatverdächtigen kamen die Ermittler durch einen Hinweis ihrer Schweizer Kollegen. Dort war eine Bande durch Trick-Betrügereien aufgefallen. Belauschte Telefonate führten zu einem Mitglied der Geldtransporter-Gang. Fortan beschattete die Polizei den Mann, überwachte sein Handy und brachte eine Wanze an seinem Auto an. Großspurig soll der Verdächtige dann gegenüber einer Bekannten über die Coups in Gronau, Werne und Dortmund geprahlt haben. Bei der Razzia im Dezember 2018 fanden sich etwa in Köln sechsstellige Beträge in bar, Schmuck, Goldbarren und Waffen. Ferner entdeckten die Ermittler eine illegale Marihuana-Plantage.