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Reaktionen aus Köln auf Corona-Beschlüsse„Wundere mich schon über den Sonderstatus“

Lesezeit 8 Minuten
Schildergasse

Ein Bild der Pandemie: Die leere Schildergasse.

Köln – Bund und Länder haben sich am Mittwoch auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 28. März geeinigt – zeitgleich aber auch auf eine schrittweise Öffnungsstrategie in der Corona-Pandemie.

Die Beschlüsse sehen Lockerungen im Abstand von 14 Tagen bei einer jeweils stabilen regionalen Sieben-Tage-Inzidenz unter 100, beziehungsweise unter 50 vor. Wir haben Kölner Reaktionen auf die neuen Beschlüsse und Lockerungen gesammelt.

Treffen, Gastro, Geschäfte: Diese Corona-Beschlüsse und Lockerungen gelten ab 8. März

Einzelhändler dürfen wieder öffnen

Ab Montag dürfen Einzelhändler wieder Kunden in ihren Geschäften empfangen – allerdings nur nach vorheriger Terminabsprache und wenn der Inzidenzwert unter 100 liegt, was für Köln der Fall ist. Elke Wocke, Geschäftsführerin der Mode- und Dekoläden „Strandgut“ in Rodenkirchen und Lindenthal, hat sofort reagiert: Auf ihrer Internetseite lädt sie die Kunden zur Terminvereinbarung und zum Stöbern ein. „Es ist besser als gar nichts, es ist wenigstens ein Stück Normalität“, sagt Wocke, die bisher auch schon regelmäßig für den Abholservice im Laden war, um präsent zu bleiben. „Irgendeine Regelung musste Vater Staat ja treffen. Wir nehmen, was wir kriegen, es muss ja weitergehen.“ Bis zum frühen Nachmittag hatte sich noch kein Kunde gemeldet. „Es ist noch zu früh, das muss erst noch bekannt werden.“

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Mila Musil, die ihre „Look“-Conceptstores mit Geschenkartikeln in der Pfeilstraße und der Brüsseler Straße betreibt, will die neue Möglichkeit der Terminvereinbarung ebenfalls nutzen.

Heder Musil

Mila Musil in ihrem zweiten Look Conzept Store im ehemaligen Traumstern

Das Abholprinzip Click & Collect, das bisher galt, sei auch recht gut genutzt worden. Allerdings: „Ich glaube nicht, dass sich das wirtschaftlich lohnen wird. Das ist eher eine Art Kundenservice und ein Möglichkeit der Kundenbindung.“ Immerhin könne man den Tag nun etwas besser strukturieren. Sie will die Termin-Regelung nun erstmal auf Instagram und anderen Plattformen bewerben. „Ich habe tolle neue Ware da, vor allem Sonnenbrillen.“ Ansonsten bemüht sie sich derzeit, die Überbrückungshilfe III zu bekommen.

Verhaltene Freude bei Sportvereinen

Bei den Sportvereinen herrscht verhaltene Freude und etwas Verwirrung nach den Beschlüssen. Bei den jetzigen Werten zwischen 50 und 100 könnten ab Montag Individualsportler im Freien mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten sowie maximal 20 Kinder Sport treiben. Ab dem 22. März könnte es – mit Schnelltests – Kontaktsport im Freien und kontaktlosen Sport in der Halle geben, ab 5. April könnten Kontaktsport draußen und drinnen ohne Tests dazukommen. Bei Werten unter 35, derzeit in Köln unwahrscheinlich, könnte es weitere Lockerungen geben. „Es ist nicht leicht für uns die täglich neuen Informationen zu verarbeiten“, sagt Holger Dahlke, Geschäftsführer des MTV 1850 Köln, einer der größten Breitensportvereine der Stadt. „Vieles scheint mit der heißen Nadel gestrickt.“ Für seinen Verein sei es schwierig, den Betrieb kurzfristig wieder hochzufahren. „Immerhin ist es ein Lichtblick am Ende des Tunnels.“

Ähnlich sieht das der erste Vorsitzende des Klubs SV Deutz 05, Uwe Müller: „Es ist ein riesiger Flickenteppich, der auf tönernen Füßen steht.“ Die Öffnungsperspektive hält Müller für gut, „aber mir fehlt der Glaube, dass das alles so kommt“. Unklar sei zum Beispiel, wie der Spielbetrieb der Deutzer Kicker funktionieren soll, die unter anderem in der Mittelrheinliga spielen. „Wenn in Düren die Inzidenz hoch ist und bei uns nicht, dürfen die dann zu uns kommen und spielen?“, fragt Müller. Peter Pfeiffer, Vorsitzender des Stadtsportbunds, hätte sich schnellere Öffnungen gewünscht. „Der Breitensport gehörte in der Vergangenheit nicht zu den Corona-Hotspots“, sagte er. „Die Vereine sind in ihrer Existenz bedroht, das Konzept wird sie nicht retten.“

„Es ist mehr als ich erwartet habe“

„Es ist mehr als ich erwartet habe“, sagt dagegen der Geschäftsführer des Turnerkreises Nippes, Gernot Schmitz. Allerdings ist er skeptisch, dass Köln den Inzidenzwert in den kommenden Wochen unter 100 halten wird. Gut findet er, dass der Turnerkreis Nippes, der einen Schwerpunkt auf Handball legt, künftig wieder in das Training einsteigen kann. „Ich glaube aber nicht, dass wir Jugendspiele vor den Sommerferien haben werden.“ Dennoch hält er die Entscheidung von Bund und Ländern für richtig, denn Handball sei ein intensiver Sport mit Körperkontakten, die leicht zu Infektionen führen können. Schmitz denkt bereits darüber nach, ob Spiele mit Hilfe von Schnelltests stattfinden könnten. Dazu müssten aber die Mitglieder noch weitere Spenden sammeln.

„Wir freuen uns sehr, wenn wir wieder öffnen dürfen, sagt Katharina Menne, mit Sohn Peter Menne, Leiterin der Geschäftsstelle des TuS Rechtsrheinisch. Der Klub befindet sich finanziell in einer schwierigen Lage, weil er kurz vor der Pandemie einen Kunstrasenplatz hatte anlegen lassen wollen, für den schon eine Genehmigung vorliegt. Der Plan ist nun wegen der Pandemie in Gefahr, denn der Verein müsste einen Teil der Baukosten – 80.000 bis 100.000 Euro – selbst tragen. Zahlreiche Mitglieder seien aber in den vergangenen Monaten abgesprungen. Menne will nun so schnell wie möglich den Sport für Kinder öffnen. Die Übungsleiter, die der Verein auch in er Pandemie beschäftigt habe, stünden bereit.

Lindenthaler Tierpark öffnet vorerst noch nicht

Die Tore des Lindenthaler Tierparks bleiben am Montag noch geschlossen. Der Förderverein erläutert den Grund dafür: „Laut des Beschlusses der Bundesregierung dürfen Tierparks zwar öffnen, bei einem Inzidenzwert über 50 aber nur mit Voranmeldung“, sagt Vorstandsmitglied Barbara Marnach. „Der Zoo kann das mit seinem Ticketsystem gut managen, aber wir müssen erst noch ein Konzept entwickeln.“ Normalerweise steht der von Damwild, Hochwaldrindern, Eseln, Soayschafen, Ziegen und viel Federvieh bewohnte Park den Besuchern im Stadtwald von morgens bis in die Abendstunden kostenlos offen.

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Die Soay-Schafe im Lindenthaler Tierpark.

Wie sich die Tierparkgäste nun aber vor dem Besuch anmelden können, so dass die Besucherzahl beschränkt bleibt, müssen die Fördervereinsmitglieder noch überlegen. Grundsätzlich möchten sie den Tierliebhabern aber bald einen Besuch ermöglichen: „Der Frühling ist im Lindenthaler Tierpark eine der schönsten Zeiten“, schildert Marnach, „denn jetzt werden die kleinen Lämmer geboren.“

Der Lockdown hat den Kasseninhalt geschmälert, denn ein Großteil der Einnahmen stammt aus dem Erlös der Futterautomaten, die derzeit nicht von Gästen bedient werden. Martin Gallhöfer, Vorsitzender des Fördervereins, schätzt die finanzielle Lage dennoch als vergleichsweise gut ein: „Wir konnten glücklicherweise viele Patenschaften für Tiere und Bäume vergeben, über die wir Einnahmen haben“, erläutert er. Zudem würde der Verein viele Spenden erhalten.

Der Kölner Zoo hat sich bislang noch nicht zu den neuen Beschlüssen geäußert.

Buchhändler freuen sich auf ihre Kunden

In den Kölner Buchhandlungen ist die Stimmung nach den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz erwartungsgemäß gelöst. „Uns geht es sehr gut, wir freuen uns“, sagt Jan Niklas Menzel, Inhaber der Buchhandlung Kaiser auf der Dürener Straße. „Das Click&Collect-System wurde bei uns zwar super angenommen und unsere Stammkunden haben uns sehr unterstützt, aber bei den Bestellungen haben sich die Kunden die Sachen vorher natürlich nicht ansehen können“, so der Buchhändler. „Daher ist es schön, dass jetzt vielleicht wieder mehr die besonderen Bücher gekauft werden. Titel, die nicht groß beworben oder besprochen werden, sondern Bücher, die man hier im Laden findet.“

Dieser Aspekt ist auch Gerrit Völker wichtig, der die Maternus-Buchhandlung auf der Severinstraße zum Jahreswechsel übernommen hat. Auch hier konnten die Kunden im Lockdown über einen „Bücher-Kiosk“ weiterhin mit Lesestoff versorgt werden. „Es ist schön, dass die Leute jetzt wieder das Auge streifen lassen können. Neuerscheinungen von Christian Kracht und Benedict Wells werden sicherlich gut laufen – aber wir sind froh, dass wir auch wieder unsere eigenen Bestseller machen können“, sagt Völker.

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Gerrit Völker setzt auf seine neue Etage mit Kinderbüchern. 

Manja Köbbert vom Buchladen auf der Kalker Hauptstraße hat dieses Verlangen der Leserinnen und Leser in den letzten Wochen bereits wahrgenommen. „Bei den Abholungen am Geschäft haben mir viele Kunden gesagt, dass sie sich drauf freuen, endlich mal wieder stöbern zu können. Unsere Abholstation wird gut genutzt, doch es ist natürlich besser, dass wir mit der Öffnung das Lager frei und wieder Leben in den Laden bekommen.“

„Ich wundere mich schon über den Sonderstatus“

Bei all der Freude um die eigene Öffnungsperspektive haben die Buchhandlungen aber auch den Blick auf ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Einzelhandel nicht verloren. „Wir würden uns freuen, wenn die anderen Geschäfte in der Straße auch aufmachen dürften“, betont Jan Niklas Menzel. Warum die Buchhandlungen eine Sonderrolle erhalten haben? „Da erlaube ich mir kein Urteil drüber“, so Menzel. „Ich bin kein Virologe.“ Die Priorisierung der Buchhandlungen kommt auch für Manja Köbbert überraschend. „Ich persönlich wundere mich schon über den Sonderstatus“, sagt sie. „Die ganze Zeit hieß es, dass wir nicht von Nöten sind – und jetzt sind wir es auf einmal doch? Wir freuen uns natürlich darüber, aber das hätte man auch vorher entscheiden können“, so die Buchhändlerin.

„Die Buchhandlungen sind gerade eine der letzten Möglichkeiten, um an Kultur zu gelangen“, sagt Gerrit Völker. „Aber wenn man sich den eigentlichen Stellenwert der Kultur im Land vergegenwärtigt, kann man bei der Öffnung nicht von einer Stärkung der Kultur sprechen. Ich erkläre mir das so, dass damit die Verhältnisse zwischen den Bundesländern angeglichen werden.“ So durften die Buchhandlungen in Berlin beispielsweise den gesamten zweiten Lockdown über geöffnet bleiben. „Ich bin durchaus demütig, dass es für uns jetzt wieder losgeht. Das Buch ist ein besonderes Gut. Doch so wie ich mich die letzten Wochen gefragt habe, warum die Friseure wieder arbeiten dürfen und wir nicht, kann ich durchaus verstehen, wenn diese Frage jetzt aus anderen Branchen an uns kommt“, so Völker. „Wenn ich Schuhverkäufer wäre, würde ich das auch machen. Ich hoffe, dass wir schnell zu Lösungen für den gesamten Einzelhandel kommen.“