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Rebecca Peters vom ADFC„Radverkehr wird nur dann gefördert, wenn es keinem weh tut“

Lesezeit 7 Minuten
Verkeht am Neumarkt

Verkehrschaos am Neumarkt (Archivfoto).

  1. Die Kölnerin Rebecca Peters ist neue Bundesvorsitzende des Radclubs.
  2. Im Interview spricht sie über ihre Verkehrsutopie, die Hürden beim Radwegausbau und wie Köln bald nicht mehr die fahrradunfreundlichste Stadt sein könnte.

Frau Peters, Sie sind mit 25 Jahren zur neuen Bundesvorsitzenden des ADFC gewählt worden. Wie ist Ihre Leidenschaft für das Fahrrad und für die Verkehrswende entstanden?Peters: Die Leidenschaft ist sehr klischeehaft bei einem Kopenhagen-Besuch entstanden (lacht). In meinem Geographie-Bachelorstudium sind wir viel auf Exkursionen unterwegs gewesen und haben uns angeschaut, wie die Dinge woanders aussehen und funktionieren. Dort habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass Verkehr auch ganz anders funktionieren kann und wie angenehm es sein kann, mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs zu sein. In meinem Masterstudiengang habe ich mich dann ganz viel mit Stadtentwicklung und Mobilität beschäftigt und auch viel in dem Bereich gearbeitet. Auch meine Abschlussarbeit habe ich über das Thema Fahrradstädte geschrieben. Und jetzt habe ich den großen Vorteil, dass Studium, Ehrenamt und Arbeit ineinandergreifen.

Köln ist bei der Radklima-Befragung des ADFC zur fahrradunfreundlichsten Großstadt gewählt worden. Sie sind in Köln geboren. Was läuft Ihrer Einschätzung nach falsch?

Der Radverkehr ist über die letzten Jahrzehnte sträflich vernachlässigt worden. Das ist in ganz vielen Städten so. Fast überall wird noch am Paradigma der autogerechten Stadt festgehalten. Auch in Köln hat man ganz lange versucht das Problem mit ein paar Pinselstrichen hier und ein paar Schutzstreifen dort zu lösen. Aber das reicht nicht. Viele Menschen wollen mit dem Rad fahren, fühlen sich aber nicht sicher. Es fehlt da auch am politischen Willen etwas Strukturelles zu verändern. Wenn wir darauf hinweisen, dass die Städte zugeparkt sind, dann sagt die Politik: wir müssen das aber dulden, denn wir wissen nicht wohin mit den Autos. Es braucht politisch andere Prioritäten, nämlich dass sich alle in der Stadt sicher und komfortabel fortbewegen können. Diese Priorität wird aber von der Politik noch nicht gesetzt. In Köln sieht man nun zum Glück erste Schritte der Besserung. In der Verwaltung werden nun neue Stellen geschaffen, etwa das „Amt für Straßen und Radwegebau". Das ist zunächst einmal nur ein Amt, aber es gibt Bewegung, die wir natürlich unterstützen.

Warum bleibt in der Kölner Verkehrspolitik so vieles Stückwerk? Und wie kann man das von Ihnen geforderte Tempo in die Sache bekommen?

Auch in Köln wird Radverkehr oft nur dann gefördert, wenn es keinem weh tut. Wir müssen aber auch Flächen umverteilen: von Autos hin zu Radfahrern. Da traut sich die Politik aber zu selten dran. Ein weiteres Problem, vor dem viele Kommunen stehen, ist die schon angesprochene Finanzierung. Wenn politischer Wille da ist, fehlt oft das Geld. Und die Förderrichtlinien sind wahnsinnig kompliziert und undurchsichtig. So kann eben oft nur hier und da ein bisschen neuer Radweg entstehen. Deswegen brauchen wir eine Regelfinanzierung von jährlich 850 Millionen Euro vom Bund.

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Die neue Bundesvorsitzende des ADFC Rebecca Peters.

Wie sieht der Verkehr der Zukunft in Ihrer Traumvorstellung aus?

Nicht nur ein Traum, sondern mein konkretes Ziel ist, dass das Fahrrad in ein paar Jahren das Lieblingsverkehrsmittel in Deutschland ist. Dass die Menschen es gerne nutzen und dafür viel häufiger als jetzt das Auto stehen lassen. Am wichtigsten ist es, dass wir einen klimaneutralen Verkehr haben werden. Wir dürfen auch nicht mehr voneinander abgekapselt über einzelne Verkehrsmittel diskutieren, sondern müssen sie zusammen denken und ganzheitliche Lösungen finden. Dabei werden wir auch weiterhin Autos brauchen. Aber viel weniger als heute – und dafür superattraktive Wege zum Zufußgehen und Radfahren und einen sehr guten ÖPNV.

Was haben Sie sich als Bundesvorsitzende vorgenommen, um das voran zu bringen?

Wir wollen ganz klar die Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans voranbringen. Die Bundesregierung hat sich auf die Fahne geschrieben, dass sie Deutschland bis 2030 zu einem Fahrradland machen will. Das werden wir einfordern.

Der ADFC hat im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ein Maßnahmepaket mit drei Kernforderungen an die Parteien in Berlin gerichtet. Die erste Forderung ist die Überarbeitung des Straßenverkehrsgesetzes. Was für Probleme gibt es mit der aktuellen Rechtslage?

Die aktuelle Gesetzgebung ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Sie ist viele Jahrzehnte alt und die Priorität nimmt darin der Autoverkehr ein. Das kann im Jahr 2021 einfach nicht sein. Wir befinden uns in einer Klimakrise, hören jedes Jahr von Staurekorden und stehen mitten im Verkehrskollaps. Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung sind daran massiv beteiligt. Ein Beispiel: Wenn eine Kommune heute einen Fahrradstreifen errichten will, muss sie das vorher begründen. Entweder damit, dass es sich an der geplanten Stelle um einen Unfallschwerpunkt handelt. Oder dass dort schon Radfahrer unterwegs sind. Es braucht also erst Radfahrer, die sich in Gefahr begeben, bevor sich etwas bewegt. Auf dieser Grundlage lässt sich aber nicht erreichen, dass mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen und sie komfortabel und sicher durch die Stadt kommen. Deswegen müssen wir Klimaschutz und Verkehrssicherheit gesetzlich verankern und das Verkehrsrecht so ins 21. Jahrhundert holen.

ADFC

Der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) ist ein Verkehrsclub für Fahrradfahrer mit Sitz in Berlin. Der Club wurde im Jahr 1979 in Bremen gegründet und vertritt die Interessen von Fahrradfahrern in ganz Deutschland.

Der ADFC war maßgeblich daran beteiligt, dass 2002 zum ersten Mal ein Nationaler Radverkehrsplan von der Bundesregierung beschlossen wurde. Bis 2030 sieht der aktuelle Plan unter anderem vor, die durchschnittliche Länge der mit dem Rad zurückgelegten Wege von 3,7 auf 6 Kilometer zu erhöhen. Das soll durch massive Investitionen in die Radinfrastruktur erreicht werden. Außerdem soll die Zahl der im Verkehr getöteten Radfahrer im Vergleich zum Jahr 2019 um 40 % zurückgehen. (fho)

Außerdem fordern Sie flächendeckend Tempo 30 in der Innenstadt. Trägt das aber nicht dazu bei, dass der Verkehr in den Großstädten noch weiter verstopft?

Nein, die Idee ist ja, dass mehr Menschen mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen, wenn die Bedingungen dafür attraktiver sind. Die Städte brauchen weniger Autoverkehr, deshalb ist unser Ziel nicht, das Autofahren wieder attraktiver zu machen. Uns geht es um Anreize für das klimafreundlichste Verkehrsmittel und um Menschenleben. Viele Unfälle können vermieden werden, wenn Autos langsamer fahren.

Die dritte Forderung: 850 Mio. Euro pro Jahr für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Woher soll das Geld für diese massiven Investitionen kommen?

Wenn wir uns anschauen, welche Summen auch heute noch in die Automobilindustrie und den Ausbau der Autobahnen gesteckt wird, sind 850 Millionen noch sehr handzahm. Geld ist vorhanden, aber momentan werden die Prioritäten falsch gesetzt. Die Ressourcen müssen umverteilt werden, nicht nur finanziell, sondern auch personell. Vor allem aber müssen die Flächen im Straßenverkehr umverteilt werden.

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In der Corona-Pandemie haben viele Leute das Fahrrad wiederentdeckt. Auf der anderen Seite ist für viele Menschen auch das Auto attraktiver geworden. In Köln steig die Anzahl der Autos letztes Jahr um 1,6 Prozent. Die Landesregierung warnte Anfang des Jahres, dass es zu „zu erheblichen Konflikten zwischen „verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen““ kommen könnte. Kann man diesen Konflikt zwischen Autofahrern und Radfahrern entschärfen?

Ja, den kann man entschärfen, wenn man dem Radverkehr mehr Platz gibt. Die Konflikte zwischen Auto- und Fahrradfahrern entstehen dadurch, dass für die Räder kaum Platz vorgesehen ist und sie oft mit dem schnellen Autoverkehr die Fahrbahn teilen müssen So kommen sich beide dauernd in die Quere. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die meisten Menschen multimodal unterwegs sind. Das heißt: Es gibt nicht nur Radfahrer auf der einen und Autofahrer auf der anderen Seite. Im Laufe einer Woche nutzen viele Menschen öffentliche Verkehrsmittel, das Rad und das Auto. Es würde also helfen, darüber zu sprechen, was wir gewinnen können, wenn wir den Verkehrswandel gemeinsam anpacken, statt nur Verluste zu beklagen. Niemand will Autos komplett verbieten. Zumindest will ich und der ADFC das nicht. Wir möchten eine gerechte Aufteilung des Platzes, damit alle sich stressfrei und sicher durch die Gegend bewegen können.

Es gibt zwar viel Verständnis und Zustimmung für die Verkehrswende. Aber trotzdem sagen viele Menschen, gerade auf dem Land: Wir sind auf das Auto angewiesen. Etwa Pendler, die zum Arbeiten in die Stadt kommen. Was sagen sie diesen Menschen?

Es ist leider tatsächlich so, dass einige Menschen auf das Auto angewiesen sind. Gerade wenn sie weite Strecken pendeln. Deswegen ist auch klar, dass das Fahrrad allein die Verkehrswende nicht herbeiführen wird. Die Verkehrswende kommt nur, wenn wir den ÖPNV, den Radverkehr, den Fußverkehr und den Autoverkehr gemeinsam denken. Etwa, indem wir mit Parkhäusern vor den Innenstädten, Bike- und Carsharing und durch massive Investitionen in den ÖPNV Schnittstellen schaffen. Ich kenne das Problem selber, weil ich selbst Pendlerin bin. Das kann sehr nervig sein, gerade weil der ÖPNV oft viel zu unzuverlässig ist. Ich habe da ganz viel Verständnis für. Ich glaube aber, es ist enorm wichtig, dass die Gesellschaft sich zusammenschließt und gemeinsam an Lösungen arbeitet. So gewinnen wie alle an Lebensqualität.