Im Gasthaus an der Venloer Straße ist alles herrlich retro. Unser Gastro-Kritiker Carsten Henn hat Klassiker und vegane Speisen gekostet.
Henns GeschmackssacheWarum das „Haus Scholzen“ auch nach 117 Jahren zu Recht eine Kölner Institution ist
Ich weiß ja nicht, wie es früher bei Ihnen war, aber wenn bei uns Eissplittertorte auf den Tisch kam, musste es ein ganz besonderes Familienfest sein. Im „Haus Scholzen“ steht der Klassiker stets auf der Karte, in der Stracciatella-Variante mit Schokostückchen, dazu gibt es Eierlikör zum darüber gießen. Herrlich „retro“.
Retro ist hier eigentlich alles, von der Inneneinrichtung (Historische Fenster! Delfter Kacheln!) über die Speisen bis zu deren Anrichten auf den Tellern. Retro finde ich auch, dass die Speisekarte nicht riesengroß ist und versucht es allen recht zu machen (dann auf den Tellern aber allen Speisen unrecht tut), sondern eine gute Auswahl von Gerichten bietet, vieles davon fleischlastig.
Dicke Rievkooche mit Flönz
Unter den Vorspeisen finden sich aber auch vegane Frühlingsrollen. Sie sind groß, knusprig und hausgemacht. Einen Hauch zu dick fällt der Teig aus und der süßsaure Dip schmeckt wie in jeder Asia-Bude. Aber Frühlingsrollen sind hier natürlich keine Kernkompetenz. Anders sieht das bei den (dicken) Rievkooche aus, die es auch in einer Version mit (dicker) gebratener Flönz gibt, obenauf tüchtig Röstzwiebeln. Knuspriger hätte alles sein dürfen, trotzdem überzeugt die Kombination. Dazu gibt es noch ein Schälchen Apfelmus, stückig und nicht zu süß.
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Der Klassiker schlechthin ist hier der Ehrenfelder Senfrostbraten. Dahinter verbirgt sich eine Scheibe vom Rumpsteak, mit Senf bestrichen und einer opulenten Zwiebelkruste. Dazu: wunderbar heiße Bratkartoffeln und ein gut angemachter Salat. „Hier geht keiner hungrig nach Hause“, sagt die Bedienung, als sie den Braten serviert. Bestellt war er medium, auf dem Tisch war er kaum medium plus – geschmeckt hat er nichtsdestotrotz, weil die Kombination enorm schlüssig ist.
Eine Pracht ist das dicke Jägerschnitzel nach Art des Hauses vom Jungschweinrücken, mit knuspriger Panade, frischen Champignons und einer herzhaft-rustikal abgeschmeckten Rahmsauce. Kritikwürdig ist nur, dass es den Pommes an Salz mangelt – wie auch einigen Komponenten anderer Gerichte.
Die Service-Brigade löst das Gastlichkeits-Versprechen ein
Es wird die Gralshüter kölscher Kulinarik sicher stören, dass der Rheinische Sauerbraten hier nicht vom Pferd, sondern vom Rind stammt. Einen Tick zu trocken ist er, dafür aber mit ausreichend Rosinen in der wunderbar intensiven Sauce. Also alles im Rahmen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das „Haus Scholzen“ eine stattliche Menge Plätze aufweist. Übrigens nicht nur innen, sondern im Sommer auch im schönen, begrünten Innenhof.
„Gepflegte Kölner Gastlichkeit“ hat sich der Familienbetrieb (seit 1907!) auf die Fahnen geschrieben, und die nette Service-Brigade löst das Versprechen ein. Manchmal kann es etwas dauern – worauf die Speisekarte vorsorglich hinweist.
Gaffel und Bitburger werden frisch gezapft, Hochprozentiges gibt es nach hauseigener Rezeptur, und die Weinauswahl ist für ein gutbürgerliches Restaurant sehr ordentlich.
Beim Rausgehen kommt man automatisch durch den Schankraum mit Kupfertheke. „Habt ihr auch bezahlt?“, ruft es gutgelaunt aus der Sitzecke. „Mit Trinkgeld!“, antworte ich. „Dann ist gut!“. So ein Gespräch gab es hier sicher auch 1907 schon.
Fazit: Tolles Interieur, netter Service, sehr solide gutbürgerliche Küche. Zu Recht eine Kölner Institution. Bewertung: 4 von 6 Sternen.
Haus Scholzen, Venloer Str. 236, 50823 Köln | Tel. 0221-51 59 19 | Mi-So 11.30-23 Uhr (Pause von 15-17 Uhr) | www.haus-scholzen.de
Henns Auswahl
- Reibekuchen mit gebratener Flönz, Preis: 14,80 Euro
- Vegane Frühlingsrollen, Preis: 15,50 Euro
- Jägerschnitzel, Preis: 21,80 Euro
- Ehrenfelder Senfrostbraten, Preis: 29,50 Euro
- Rheinischer Sauerbraten, Preis: 23,50 Euro
- Stracciatella Eissplittertorte mit Eierlikör, Preis: 8,60 Euro