- 50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
- Inspiriert durch den Erfolg der Bläck Fööss entstand Ende der 70er Jahre eine bunte Rockkultur in Köln. Lieder wurden als Form des Protestes auf Kölsch geschrieben.
- Glatze, Wampe und zweifelhafte Vergangenheit: Wie Jürgen Zeltlinger zum Liebling des Boulevard wurde.
Köln – Am Ende der 1970er Jahre standen die Bläck Fööss wie ein funkelnder Solitär über allem, was in Köln Musik machte. Sie hatten ihre wichtigsten Songs veröffentlicht, sie waren modern, vielseitig, kölsch und originell, sie hatten ihr Volk erobert, den Karneval für immer verändert, verkauften von jeder neuen LP weit über 200.000 Stück. Die Millowitsch-Konzerte waren etabliert, zum Tanzbrunnen-Open-Air kamen 1979 mehr als 13.000 Fans, auch das von Conny Plank produzierte Live-Album verkaufte sich blendend. Doch von der „kölschen Szene“, die uns heute so selbstverständlich erscheint, war noch nicht die Rede.
Im Karneval tauchten die ersten Bands wie die Höhner auf, die auch ein Stück vom Kuchen abhaben wollten, anfangs aber eher durch schrille Outfits denn durch innovative Musik von sich reden machten. Der heutige Sänger der Band, Henning Krautmacher, coverte die Fööss mit seiner Band „Uss d’r Lameng“. Und die Rockmusik veränderte sich: Immer neue Strömungen machten das Angebot vielfältiger – Punk, New Wave, Disco, Electronic, Hip-Hop. Die Neue Deutsche Welle war Ausdruck des Trends zu deutschsprachigen Texten.
International erfolgreich doch wenig Köln-Bezug
Zwei Bands aus Köln hatten in den 70ern internationale Erfolge gefeiert: Das waren seit 1968 Can um Holger Czukay und Jaki Liebezeit, die bis heute weltweit Musiker beeinflussen, die sich aber gerade auflösten. Und das war Triumvirat um Jürgen Fritz, die vor allem in Amerika auch finanziell große Erfolge feierten mit ihrem Bombast-Klassik-Rock à la Emerson, Lake & Palmer. Auch die versuchten gerade, sich neu zu finden.
Beide Bands wurden allerdings in der Wahrnehmung der Fans nur sehr marginal mit Köln verbunden. Und ihre Wahrnehmung der hiesigen Szene war eher distanziert. So erklärte Jürgen Fritz, der heute mit Tommy Engel arbeitet und Songs wie „Do bes Kölle“ geschrieben hat, in dem von Frank Steffan 1980 herausgegebenen Heft „Kölsch Rock“: „Es gibt in jeder Stadt, in der eine Plattenfirma sitzt, eine gewisse Szenerie. Die Leute sind zumeist elitär, man ist gerne unter sich. Szene? Wenn es eine gibt, dann finde ich sie eher traurig. In einer guten Szene, so wie es im London der Sechziger mal war, gab es einen gesunden Konkurrenzkampf, aber es bestanden auch Gemeinsamkeiten. Das ist in Köln nicht der Fall. Die Gemeinsamkeit besteht an der Theke beim Biertrinken, aber wenn du wieder rausgehst, ist es vorbei. Das ist typisch für Köln. Vieles liegt an der Mentalität. Wenn der FC einen schlechten Tag erwischt hat, wird nicht die eigene Mannschaft, sondern die des Gegners angefeuert.“
Hohes Lob für die Bläck Fööss
Was sie einte, war die Bewunderung für die Fööss. Auf die Frage, welche Gruppe in Köln am interessantesten sei, antwortete Czukay 1980: „Nach wie vor die Bläck Fööss, weil sie über die Jahre hinweg ein unbeschreibliches Phänomen geblieben sind.“ Hohes Lob von einem, der immer auf der Suche war nach neuen, Grenzen sprengenden Ausdrucksmöglichkeiten. Czukay, Akademiker und Stockhausen-Schüler, liebte Experimente und stand ein bisschen für das, was Köln Ende der 70er Jahre viel eher war als Musikstadt, nämlich Kunststadt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Frank Steffan, der in dieser Zeit anfing, journalistisch zu arbeiten, erinnert sich: „Damals gab es in der Kunstwelt nur New York und Köln. Hierher kam alles, was gut war oder es werden wollte. Dann hörtest Du, am Freitag sei da so eine abgefahrene Lesung in einer Galerie am Ebertplatz. Und dann saß da Patti Smith und las irgendwas total Verrücktes. Die kannte aber noch keiner. Oder Andy Warhol war da, der hat ja später Toni Schumacher porträtiert.“
Vom Roxy direkt zur Arbeit
Einer der Treffpunkte war das Roxy, der Absackerladen für die Bohème im Belgischen Viertel, Maastrichter Straße 20. In der Kneipe von Wirt Horst Leichenich hatte Theo Lambertin zeitweise sein Atelier im Bierkeller, Jürgen Klauke hing an der Theke ab mit Rudolf Bonvie, Michael Buthe oder Sigmar Polke. Wenn Stammgäste ihre Zeche mal nicht zahlen konnten, boten sie dem Wirt an, ein Bild für ihn zu malen. Dort kamen die Musiker zur Kunst und umgekehrt.
Arno Steffen hat diese Zeit verändert. Der Musiker, der damals eine Lehre bei Gerling machte und schon mal morgens direkt vom Roxy zur Arbeit ging, brach diese auf Empfehlung seines Freundes Klauke ab: „Das ist zu klein für dich.“ Musikalisch war er schon damals auf vielen Hochzeiten unterwegs. So traf man sich regelmäßig in der „Linde“ zu Jam-Sessions mit Musikern wie Mike Gong, Heinz „Dick“ Ganss, Alex Parche oder Tommy Engel.
Kölsch als Protest
„Die Fööss waren in meiner Hörwelt schon drin“, erinnert sich Steffen. „Als einer aus dem Volk fand man die gut. Die sendeten vertraute Signale, die unserer Kultur entsprochen haben. Gute Songs, witzige Texte.“
Steffen, der auch mit der Musik der Vier Botze aufgewachsen war, erzählt, auf der Straße habe er Kölsch gesprochen: „Aus Protest. Der Dialekt war Ausdruck eines niederen sozialen Status. Auch so habe ich mich gegen die Eltern aufgelehnt.“ Der Schritt, Berufsmusiker zu werden, war ein erster, der, kölsche Texte zu schreiben, ein logischer.
„Ich war während des Saufens am Singen“
In diesem Umfeld wurde Weihnachten 1978 der Kölsch-Rock geboren: Arno Steffen hatte einen Song der Punkband „Ramones“ mit einem kölschen Text versehen: „Müngersdorfer Stadion“: Bei einer Südsee-Party im Roxy für Künstler Theo Lambertin spielte die Fun-Band „The Hawaiian Dämmerlois“, dabei auch Lambertin, Steffen sowie ihre damaligen Freundinnen, erstmals diesen Song – gesungen von Jürgen Zeltinger, einem langjährigen Steffen-Spezi.
Der Rest ist Geschichte: Steffen verpasste Zeltinger eine richtige Band (die Gitarristen Peter Gramen und Ralf Engelbrecht, Nobby Sugar am Bass und Schlagzeuger Kay Wolf), und Conny Plank machte vom ersten Auftritt der Zeltinger-Band an Weiberfastnacht 1979 einen Live-Mitschnitt.„Der Bassist stand auf dem Damen-Klo, der Gitarrist auf der Herrentoilette und ich stand neben der Theke. Ich war praktisch während des Saufens am Singen“, erinnerte sich Zeltinger in einem Interview. Plank saß mit seinem Mischpult im Keller, Holger Czukay assistierte.
Köln als Rockhauptstadt der 80er Jahre
Die LP „Zeltinger Live im Roxy/Live im Bunker“ wurde weit über 100000-mal verkauft, die „Plaat“ tourte im Tigerslip durch die Republik (unter anderem im Vorprogramm von Bob Geldofs Boomtown Rats), herausragend aus dem Popstar-Einerlei mit Glatze, Wampe und zweifelhafter Vergangenheit. Er wurde als „Asi mit Niwoh“ zum Liebling des Boulevards. Der „Express“ kürte Köln zur deutschen Rockhauptstadt der 80er Jahre.
Frank Steffan analysiert in seinem Heft „Kölsch Rock“ 1980: „Köln als die Stadt einer bunten und einmaligen Szene kam erst durch den Erfolg der Zeltinger-Band ins Gerede.“ Und landet bei der Suche nach den Ursprüngen bei den Fööss, die bis dato außerhalb Kölns nur begrenzte Resonanz gehabt hätten: „Das Image der Bläck Fööss stellt sich auswärts genauso schräg dar wie das der Kölner im Allgemeinen. Mit ihrem Namen wird in aller Regel Karneval und rheinische Geselligkeit assoziiert. Kaum jemand würde ihr Repertoire unter der Rubrik Rock’n’Roll einsortieren, obwohl einige Mitglieder auf eine lange und teilweise auch erfolgreiche Rock’n’Roll-Vergangenheit zurückblicken können.“
Band habe große Spannweite an unterschiedlichen Gruppen angesprochen
Die Band sei während ihres zehnjährigen Bestehens variabel geblieben. „So geschickt variabel, dass sie die unterschiedlichsten soziologischen Gruppen ansprechen und diese bis zur Identifikation mit der textlichen Aussage bringen konnten. Die Spannweite reicht vom Politfreak, der nur mit größter dialektischer Akrobatik die Bläck Fööss als oberflächlich oder gar reaktionär bezeichnen könnte, bis hin zu den gesetzten Vertretern des kölschen Geldadels, die sich bei Prunksitzungen darum bemühen, Volkstümlichkeit herauszukehren und auch ihnen wohlwollend zuzuklatschen.“
Trotz oder gerade wegen ihrer Vielseitigkeit seien sie zu keinem Zeitpunkt als Szeneband eingestuft worden. Was umso erstaunlicher sei, weil sie vom überwiegenden Teil der Musiker als fester Bestandteil eben dieser Szene gesehen würden. „Viele“, so Steffan, „gehen sogar so weit und stellen die nicht ganz abwegige These auf, dass weder ein Zeltinger noch ein Wolfgang Niedecken ohne ihre Pionierarbeit möglich gewesen wären.“