Hotel in Köln-RodenkirchenMenschen mit psychischer Erkrankung fühlen sich hier wohl
Rodenkirchen – Ängste, akute Belastungsstörungen, Manien, Depressionen oder Schizophrenie – es gibt viele psychische Störungen und psychiatrische Erkrankungen. Sie bedeuten immer hohen Leidensdruck für die Betroffenen, und das Tückische daran ist, dass die Umwelt die Störungen und Erkrankungen oftmals äußerlich nicht erkennen kann. Aus Sorge vor dem Nicht-Ernst-Genommen- werden und aus Furcht vor Stigmatisierung gibt es deshalb immer noch viele Tabus. Besonders schwierig ist es für die Menschen mit entsprechenden Einschränkungen, einen passenden Job auf dem freien Arbeitsmarkt zu finden.
Inklusions-Hotel Begardenhof in Köln-Rodenkirchen
Christiane Schmidt (Name geändert) ist seit vielen Jahren psychisch schwer krank. In puncto Job aber hat sie Glück gehabt. Im Jahr 2006 fand sie eine Anstellung an der Rezeption des Inklusions-Hotels Begardenhof an der Rodenkirchener Brückenstraße. Bis 2012 arbeitete Schmidt an der Rezeption zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Die Hotel- und Tagungsgäste merkten normalerweise nichts von ihrer Krankheit. Die Tätigkeit habe ihr sehr gut gefallen, erzählt sie. Aber irgendwann sei ihr der Schichtdienst zu viel geworden. Und acht Stunden in einem Stück zu arbeiten, habe sie nicht mehr geschafft.
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„Wir haben das damals besprochen und der Hotelchef hat mir einen anderen Aufgabenbereich zugeteilt“, berichtet sie und ergänzt: „Das war ganz toll.“ Seitdem ist sie im Zimmerservice eingesetzt. Die Tätigkeit sei zwar nicht so attraktiv wie früher an der Rezeption, dennoch sei sie froh über den Tagesdienst. „Ich brauche meinen geregelten Schlafrhythmus“, betont sie. Das Drei-Sterne-Hotel mit 36 Zimmern und öffentlichem Restaurant wurde im Jahr 2005 eröffnet und ist ein inklusiver Betrieb der katholischen Alexianer GmbH, die wiederum von der gemeinnützigen Stiftung der Alexianerbrüder getragen wird.
Gleichbehandlung heißt auch gleiche Verträge
Insgesamt 20 Mitarbeitende sind beschäftigt, davon hat die Hälfte eine psychische Einschränkung samt Schwerbehindertenausweis. Sie arbeiten in der Verwaltung, in der Haustechnik, in der Küche, im Restaurant, an der Rezeption, bei der Tagungsvorbereitung. „Viele sind im Zimmerservice eingesetzt“, sagt Peter Scharfe, der Geschäftsführer der Alexianer Köln GmbH. Denn im Begardenhof würden die psychisch Behinderten nicht in klassischen Hilfsbereichen wie Wäscherei oder Grünpflege eingesetzt, sondern alle würden gleichbehandelt im Sinne der Inklusion. Es gebe die gleichen Verträge, die gleichen Bezahlungen, aber es würden auch die gleichen Anforderungen gestellt. „Wir möchten zeigen, dass Menschen mit psychischen Behinderungen genauso leistungsfähig sein können wie andere“, ergänzt Peter Scharfe.
Die Gäste wissen meist nicht, ob etwa der Frühstückdienst von einem Menschen mit oder ohne Einschränkung erledigt wird. „Wir werben nicht damit, aber wir verheimlichen auch nichts und legen Wert auf Transparenz“, sagt Marc Roelofs, der von Anfang an das Hotel leitet. Die Kolleginnen und Kollegen wissen natürlich Bescheid, und sie seien sogar oft die ersten Ansprech- und Vertrauenspersonen bei Problemen. „Manchmal können sie als Freunde mehr helfen als ein Therapeut, aber natürlich nicht immer“, meint Peter Scharfe.
Finanzielle Hilfen vom Landschaftsverband Rheinland
Einen Therapeuten oder eine Therapeutin beschäftigt das Hotel nicht. Es gebe insgesamt eine hohe Personalkonstanz, betont Marc Roelofs. Alle kämen meist gut miteinander aus, man unterstütze sich gegenseitig. „Ich muss natürlich jeden Tag besonders aufmerksam sein, genau kontrollieren und auch ganz konkrete Anweisungen geben“, sagt er. Es genüge zum Beispiel nicht, einfach nur zu sagen: „Tisch eindecken“.Da müsse schon erwähnt werden, was alles dazu gehöre. Es müsse viel Rücksicht genommen werden auf mangelndes Selbstwertgefühl, auf geringe Stress-Belastung oder besondere Ängste, etwa in den Nachtstunden. Und falls jemand Mühe mit dem frühen Aufstehen habe, werde er eben in einer späteren Schicht eingesetzt.
Die Begarden
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts kümmerten sich hilfsbereite Laienbrüder um Arme und Kranke. Sie nannten sich Begarden und wirkten nicht im Kloster, sondern im Alltag - in Städten, Pestlagern unter Bettlern und Ausgeschlossenen. Sie beriefen sich auf den heiligen Alexius, den Schutzheiligen der Bettler, Pilger und Kranken, und bald sprach man von den „Alexianern“. Daraus wurde eine Ordensgemeinschaft, die im 17. Jahrhundert die ersten psychiatrischen Kliniken baute. Die Begarden waren also die Vorläufer der Alexianer-Brüder, und der Hotelname „Begardenhof“ bezieht sich auf die Ursprünge.
Das Hotel brauche mehr Personal, aber ansonsten werde es wie ein normaler Betrieb geführt. Die psychisch Behinderten würden zum Teil von der Stadt oder Institutionen vermittelt, manche würden sich auch selbst bewerben. „Wir sind bei Integrationsdiensten bekannt“, sagt Peter Scharfe. Finanzielle Unterstützung für das inklusive Hotel gibt es vom Landschaftsverband Rheinland als Ausgleich für Minderleistung. Das ist üblich bei Inklusionseinrichtungen. Wegen der Pandemie hat auch der Begardenhof Durststrecken hinter sich. Es habe jedoch keinen Abbau der festen Stellen gegeben. Die wichtigen studentischen Hilfskräfte wurden jedoch entlassen – sie würden jetzt wieder dringend gesucht.