Prostitution, Dreck, DrogenKinder wehren sich gegen unzumutbare Zustände am Kölnberg
- Grundschüler aus Meschenich gewinnen mit einem Beitrag über nicht kindgerechte Zustände am Kölnberg einen WDR-Preis – Jetzt sind sie für bundesweite Auszeichnung nominiert.
- Sie dokumentierten Treffen zwischen Prostituierte und ihren Freiern, Spritzen und Drogen auf dem Spielplatz - und anderes nicht für Kinderaugen Gedachte.
- Damit rüttelten sie die Bezirkspolitiker auf - auch die Mitarbeiter der Stadt Köln?
Meschenich – Sex zwischen Prostituierten und ihren Freiern neben ihren Spielflächen, unzählige Ratten auf den Grünflächen zwischen den Hochhäusern, Müll, Drogenbestecke und defekte Spielgeräte – all das haben Kinder der damaligen 4d der Gemeinschaftsgrundschule im Süden in ihrer nächsten Umgebung am Kölnberg beobachtet. Und in einer Mappe unter der Fragestellung „Haben wir denn keine Rechte?“ mit Bildern und Texten dokumentiert.
Bis 27.10. abstimmen für Meschenicher Viertklässler
Damit haben die Jungen und Mädchen nicht nur den dritten Platz beim Kinderrechte-Preis des WDR und damit 1000 Euro abgeräumt – sie haben sich für den Publikumspreis des bundesweiten Engagementpreises qualifiziert.
Bis zum 27. Oktober läuft die Abstimmung an der sich jeder beteiligen kann, aktuell rangieren die Schülerinnen und Schüler auf Platz 27 von 380 Nominierten. „Die Kinder sind mächtig stolz, dass sie mit ihrem Projekt bislang so viel erreicht haben“, sagt Martina Plum, Lehrerin an der Schule im Süden.
Fotos von Kondomen und Spritzen am Spielplatz
Und sie erzählt von den Anfängen: „Zum 30. Geburtstag der UN-Kinderechte im vergangenen Jahr boten wir auch Projektarbeiten an, da kamen die Schilderungen unserer Schülerinnen und Schüler zur rechten Zeit“. Plum überlegte nicht lange, erarbeitete eine Mappe. Darin dokumentierten die Kinder die Zustände auf dem Gelände zwischen den Hochhäusern, machten Fotos von Spritzen, Kondomen, verwesten Rattenkadavern, dem Ort, an dem Prostituierte ihrem Geschäft nachgehen, Treppenaufgängen, an denen sie Erwachsene beim Geschlechtsverkehr erwischten – und stellten erklärende Texte dazu.
Dokumentation an Bezirkspolitiker geschickt
„Die Mappe, die auch Gestaltungswünsche der Kinder enthielt, schickten wir an die Bezirksvertretung Rodenkirchen“, sagt Plum. Die Politikerinnen und Politiker reagierten, entgegen sonstiger langer Wartezeiten, prompt. Ein paar Wochen später kam es zum Ortstermin mit Bezirkspolitikern, Verwaltungsvertretern, der Hausverwaltung SHV, die etwa 500 Wohnungen am Kölnberg verwaltet, und den Kindern. „Sie hinterließen einen nachhaltigen Eindruck mit ihren Schilderungen“, erzählt Plum, die sich noch heute sehr gut an den Tag erinnern kann.Trotzdem hält die Stadt sich weitgehend aus dem Areal zurück, weil es sich um Privatgelände handelt, so die immer gleiche Argumentation. Gern verweist die Verwaltung dann auf Angebote, die es bereits gibt. Das Ordnungsamt würde regelmäßig am Kölnberg kontrollieren, ob dort der Prostitution nachgegangen werde. Dabei arbeite man mit dem Sozialdienst katholischer Frauen zusammen.
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Kölner Verwaltung argumentiert mit Sperrbezirk
Gegen die bloße Anwesenheit der Prostituierten könne die Stadt nichts unternehmen, schließlich handele es sich um Bewohnerinnen des Ortes. Deshalb sei es normal, dass sie dort auch gesichtet würden. Was das Thema Prostitution angeht, so weist das Amt für Kinder, Jugend und Familie darauf hin, dass der Kölnberg ein ausgewiesener Sperrbezirk ist.Prostitution ist die eine Sache, Drogengeschäfte die andere. So wurde im Arbeitskreis Drogen schon vor geraumer Zeit beschlossen, die Grünanlagen an den Stellen, an denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, zu lichten – mit dem Ziel, Drogengeschäfte beispielsweise direkt neben dem Bolzplatz zu verhindern. Zudem verstärkte die Hausverwaltung die Kontrollen der Treppenhäuser und Hauszugänge – beliebte Ort von Junkies, um sich Spritzen zu setzen. Die Kontrollen der Hausverwaltung verhindern jedoch nicht, dass Junkies dort ihre Drogenbestecke liegen lassen – wie auch auf den Spielplätzen. Eine Gefährdung von Kindern sehe die Stadtverwaltung deswegen nicht, wie ein Mitarbeiter den Bezirksvertretern auf eine frühere Anfrage schrieb.
Von wegen starke Veedel, starkes Köln
Ein wichtiger Baustein, um am Kölnberg etwas zu ändern, sei auch das am 18. Mai 2017 beschlossene Programm „Starke Veedel – Starkes Köln“. Darin enthalten ist auch eine Maßnahme die den Titel „Vertiefende Untersuchung am Kölnberg“ trägt und dem Amt für Stadtentwicklung und Statistik angegliedert ist. „Hierfür wird der Bereich der Großwohnsiedlung »Am Kölnberg« differenziert betrachtet. Ziel ist, eine Erneuerungs-und Stabilisierungsstrategie sowie Maßnahmen zu entwickeln, die die städtebaulichen Missstände und baulichen Mängel der Großwohnsiedlung mittel- bis längerfristig beheben“, hieß es in der städtischen Antwort. Der Wohnkomplex solle aufgewertet werden, um ihn auch für andere Bewohner Meschenichs attraktiver zu gestalten. Voraussetzung dafür sei allerdings die seit über 40 Jahren geplante Umgehungsstraße. Zwar hat die Umsetzung begonnen, doch bis sie die Brühler Landstraße entlastet, werden noch Jahre vergehen.
Kölner Design-Studenten helfen mit
Aktiv wurde dagegen direkt nach dem Ortstermin eine Studentengruppe der Design-Akdademie „Ecosign“ in Ehrenfeld. Die Studierenden gestalteten mit den Kindern den früheren Tennisplatz zur Skateranlage um und entwickelten für die Kinderaktion das Logo „We are strong“.
Die Bezirksvertretung stellte 50 000 Euro aus den Mitteln zur Stadtverschönerung bereit, auch Stiftungen spendeten, sodass rund 150000 Euro zusammenkamen, die nun für die Umgestaltung der Spielfläche bereitstehen. Damit diese aber wirklich genutzt werden kann, „muss noch viel passieren“, sagt Hanna, eine elfjährige Teilnehmerin der Aktion, die heute die fünfte Klasse einer Brühler Schule besucht. Hanna wohnt im alten Teil des Dorfes, aber ihre Freundin Sandy lebt am Kölnberg. „Oft sind wir nicht dort, wir treffen uns meist bei mir.“
Kölnberg ist gruselig und verwahrlost
Auch weil sich die Freundinnen am Kölnberg nicht wohlfühlten. „Als wir zuletzt am Skaterplatz waren, wurden wir mit Bierflaschen beworfen und bespuckt. Wir hatten Angst und sind abgehauen“, sagt Hanna, die das Areal als „verwahrlost und gruselig“ beschreibt. „Ich zweifele ehrlich gesagt ein bisschen daran, dass sich am Kölnberg etwas ändern wird.“