Mein Veedel mit Karl-Heinz ThielenDer Ex-FC-Manager und -Profi liebt sein Weiß
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Et fisselt. Karl-Heinz Thielen sitzt, wie fast jeden Morgen, bei Antonio Amore im Eiscafé Marano, unter der Markise in einer Runde illustrer Herren, um seinen Morgenkaffee zu trinken. Worüber man spricht? Natürlich über Fußball, über Sport im Allgemeinen und Immobilien. Sein Freund Hans „Hennes“ Pfeiffer ist oft dabei, früher auch Fußballprofi Ernst Günter Habig. Natürlich schwelge man in Erinnerungen. „Das tut einem gut“, meint Thielen.
Der Kölner Meisterspieler, Manager und Vizepräsident des 1. FC Köln setzt sein charmantes Lächeln auf und erzählt von seinen Anfängen. Dass er mit neun Jahren mit seiner Familie nach Rodenkirchen kam und an Fußball nicht zu denken war. Als Teenager wurde bei ihm eine Rückgratverkrümmung, Skoliose, diagnostiziert. „Man hat mir gesagt, das wird so bleiben. Mit 13 Jahren musste ich ein Jahr lang ein Gipskorsett tragen“, erzählt er. Als Therapie ging er im Rhein schwimmen. „Die Kölner Riviera in Rodenkirchen war damals voll bevölkert und es wurde barfuß auf der Wiese Fußball gespielt“.
100 Tore für den TSV Rodenkirchen
Das war der Anfang. Mit 15 Jahren ging er in den TSV Rodenkirchen, schoss in der A-Jugend 100 Tore, bis er nach einem Streit den Verein verließ. „Als Rechtsaußen war ich immer vorne“, meint Thielen, der noch das Gymnasium in der Kreuzgasse besuchte. Zu der Zeit spielte der Weißer Paul Eich beim 1. FC Köln und überredete Thielen zu einem Testspiel. „Ich wollte mich nicht lächerlich machen“, erinnert er sich – und ging dennoch hin. Der Rest ist Geschichte: Vier Tore in einer Halbzeit für die zweite Amateurmannschaft. Am gleichen Abend fünf Tore bei einem Spiel der ersten Amateurmannschaft. Mit 19 erhielt er seinen ersten Amateurvertrag, ein Jahr später war er Profi. Sehr zum Entsetzen seiner Mutter. „Bleib in Rodenkirchen, in Köln kennt dich doch keiner“, war ihr Statement – es war halt eine andere Zeit. Schon mit 22 Jahren hatte der Profi dann mit dem FC als Deutscher Meister 1962 sein größtes Erlebnis – der erste Titel für den Verein. „Das war der Urknall“, meint Thielen.
Inzwischen hat es aufgehört zu fisseln. Über den Kirchplatz geht es zum „Weißer Kapellchen“, wie die alte Kapelle St. Georg gerne von Einheimischen genannt wird. Erstmals wurde sie 1433 erwähnt. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie stark beschädigt und zuletzt Anfang der 1980er von Weißern wieder hergerichtet, unter anderem durch die Bildhauer Elmar Hillebrand und Theo Heiermann. „Damals stand Weiß unter der religiösen Fuchtel von Sürth. Die Kapelle ist für mich und viele Weißer ein Symbol der Freiheit“, erklärt er. Schräg gegenüber liegt das Restaurant Atki. Thielen geht gerne bei dem Griechen essen. „Er ist fußläufig erreichbar und hat einen tollen Biergarten“, erklärt er.
Es geht ein kleines Stück zum Rhein herunter. Hier steht der Nepomuk, der Schutzpatron der Schiffer. Noch ein Weißer Wahrzeichen. Die Figur gehörte zum Fassadenschmuck des Kölner Doms und wurde nach einer Kriegsbeschädigung durch eine Replik ersetzt. Das Original verwahrte Hillebrand, der die Figur Anfang der 1970er Jahre der Dorfgemeinschaft überließ. Thielen ist gerne hier am Rhein, nutzt oft die Fähre nach Zündorf in die Groov: „Hier kann man hervorragend Fahrrad fahren“. Nach Weiß kam er durch seine Frau Hannelore, die er auf einer Party kennenlernte. 1966, Thielen hatte seine ersten Erfolge bereits eingeheimst (unter anderem den Fünf-Tore-Rekord gegen den 1. FC Kaiserslautern), heiratete er und baute im gleichen Jahr im Alter von 26 Jahren sein Haus am Pflasterhofweg. Das Paar hat drei erwachsene Kinder und fünf Enkelkinder.
Zur Person
Karl-Heinz Thielen (Jahrgang 1940), erzielte als Spieler des 1. FC Köln von 1959 bis 1973 in 570 Einsätzen insgesamt 429 Tore. Der Rechtsaußen war 1963 Gründungsmitglied der Bundesliga (56 Tore). Als Manager holte er das erste Double für den FC (Deutscher Meister/DFB-Pokalsieger). Eine einmalige Geschichte: Er war an allen drei deutschen Meisterschaften und vier DFB-Pokalsiegen des FC beteiligt.
Pflasterhofweg in Köln-Weiß
Der Pflasterhofweg ist die erste Straße im Ort, die historisch Erwähnung findet. Der ehemalige „Plasserhof“ ist seit 50 Jahren Standort des Reit-Therapie-Zentrums (RTZ). Thielen gefällt die ländliche Atmosphäre: „Ich genieße das Flair einer Großstadt und die Ruhe eines bis heute noch funktionierenden Dorfes. Der Weißer Rheinbogen ist ein Geschenk des Himmels, dem es hoffentlich nicht so ergeht wie dem Sürther Feld. Der grünen Lunge des Kölner Südens fehlt durch die Bebauung mittlerweile ein Flügel“, bedauert er.
Angebot aus Genua
Ganz kurz hat Thielen in seiner aktiven Laufbahn darüber nachgedacht, seine Heimat zu verlassen. 1964 wollte ihn der italienische Club Sampdoria Genua verpflichten. Neben zwei Trainingseinheiten rannte Thielen zu der Zeit morgens um 6 Uhr ins Repetitorium. „Ich hatte noch ein Jahr zum Diplom“, erklärt er, der BWL an der Universität zu Köln studierte. „Ich hatte nie ein Problem mit Respekt. Aber als ich mein Diplom hatte, beim ersten Pokalsieg 1968, kam mein Trainer Willi »Fischken« Multhaupt und siezte mich. Ich sagte nur: Das ist nicht nötig. Es ist alles wie früher.“
Sein klarer Menschenverstand hat dafür gesorgt, dass Thielen auch als Manager – sportlich wie finanziell – große Erfolge erzielte. Er deichselte den ersten Millionen-Transfer der Bundesliga. Er verpflichtete Spieler wie Dieter Müller, Toni Polster, Pierre Littbarski, Tony Woodcock, Thomas Häßler oder Bernd Schuster. Auch heute noch hat er alle Spiele, Tore, Jahre und Besetzungen im Kopf. Die EM hat er nicht zur Gänze geschaut (Schiebefußball mag er nicht, das ist ihm zu langweilig). Mit Kritik hält er sich aber zurück: „Die Welt verändert sich ebenso wie der Fußball. Man ist immer gut beraten, wenn man den Neuerungen möglichst voraus ist“, meint er nur. Privat muss nicht immer eine Neuerung her, da spielen auch andere Bälle eine Rolle. Nachmittags kehrt er gerne mit seiner Frau zu Amore in die Eisdiele zurück. Dann gibt es immer das gleiche: Vier Bällchen Eis mit Sahne. Am liebsten Vanille.